Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Alphonso Davies plötzlich Stammspieler beim FC Bayern wurde. Als Niko Kovacs Mannschaft zunehmend auseinanderfiel, testete der strauchelnde Trainer in letzter Verzweiflung den damals 18-jährigen Kanadier als Linksverteidiger. Kovac musste kurz darauf gehen, Davies aber durfte bleiben.
In seiner beeindruckenden Premierensaison wechselten sich geniale Auftritte wie bei den Siegen in der Champions League gegen den FC Chelsea und den FC Barcelona mit enttäuschenden ab. In der vergangenen Spielzeit verlor Davies dann zeitweise seine Form, bedingt auch durch Verletzungsprobleme und eine Rotsperre.
Und jetzt? Jetzt ist Davies einer der konstantesten Spieler des FC Bayern, getoppt vielleicht nur von Torjäger Robert Lewandowski. Seine Leistungen pendeln zwischen herausragend und solide, wirklich schwach ist er eigentlich nie. Davies ist unter Julian Nagelsmann links hinten unumstritten gesetzt, wobei links hinten eigentlich Blödsinn ist. Die Position des Linksverteidigers hat der neue Trainer schließlich abgeschafft.
Alphonso Davies profitiert von einer taktischen Umstellung
Die Einführung einer asymmetrischen Abwehrkette war eine der größten taktischen Umstellungen Nagelsmanns im Vergleich zur Ausrichtung unter seinem Vorgänger Hansi Flick. Bei eigenem Ballbesitz hält sich der Rechtsverteidiger - meist Benjamin Pavard, Niklas Süle oder Josip Stanisic - eher zurück und bildet mit den beiden Innenverteidigern eine Dreierkette.
Diese Absicherung ermöglicht es dem sogenannten Linksverteidiger Davies wie ein linker Flügelstürmer zu agieren und sein ganzes Offensivpotenzial zu entfalten. In der realtaktischen Aufstellung liegt sein Aktionsmittelpunkt oftmals auf einer Höhe mit dem des jeweiligen Rechtsaußen. Fünf Assists hat er in dieser Saison schon geliefert. Noch viel mehr Tore hat er mit vorletzten Aktionen eingeleitet, wie etwa Lewandowskis 2:0 gegen den SC Freiburg. "Jetzt spielt er ein bisschen offensiver als in den letzten zwei Jahren", erklärt Nagelsmann. Ein bisschen? Pah!
Ein positiver Nebeneffekt dieser Umstellung war übrigens auch der beachtliche Formanstieg von Leroy Sane: Er muss auf dem linken Flügel wegen Davies' Präsenz nun nicht mehr an der Linie kleben. Stattdessen darf er dort spielen, wo es ihm gerade am besten gefällt. Sanes Filigranität und Davies Tempo und Dynamik ergänzen sich ganz fabelhaft.
Alphonso Davies und die besten Linksverteidiger
"Er hat körperlich extrem gute Voraussetzungen, um einer der besten Linksverteidiger zu sein", erklärte Nagelsmann nach dem Sieg gegen Freiburg, überlegte kurz und sagte dann: "Das ist er wahrscheinlich schon. Weil so extrem viele auf seinem Niveau gibt es nicht auf seiner Position."
Wer käme da noch in Frage? Andrew Robertson vom FC Liverpool vielleicht, Chelseas Ben Chilwell, Manchester Citys Joao Cancelo oder Lucas Hernandez' Bruder Theo vom AC Milan. Verstecken braucht sich Davies jedenfalls vor keinem dieser Kandidaten. Fast schon als Drohung betonte Nagelsmann: "Er hat immer noch extrem viel Potenzial. Wir haben jetzt schon sehr viel Freude an ihm und werden noch mehr haben."
Diese Freude bezieht sich übrigens nicht nur auf das rein Fußballerische, sondern auch auf das Zwischenmenschliche. "Er ist ein extrem lebensfroher Mensch, der sehr viel singt und lacht. Er hat eine ganz positive Ausstrahlung, ist einfach ein herzensguter Mensch", erzählte Nagelsmann.
Tatsächlich albert Davies immer gerne herum, sowohl in echt als auch in den sozialen Netzwerken. All das erinnert ein bisschen an Spaßvogel-Vorgänger wie Franck Ribery oder Thomas Müller, der diesbezüglich weiterhin die absolute Führungskraft im Klub ist.
Alphonso Davies strebt eine WM-Teilnahme mit Kanada an
Aktuell darf man davon ausgehen, dass der 21-jährige Davies dem FC Bayern als Spieler länger erhalten bleiben wird als der elf Jahre ältere Müller. "Ich genieße die Zeit und ich sehe mich hier noch eine lange Zeit", betonte er zuletzt. Sein Vertrag läuft noch bis 2025.
Mit dem FC Bayern kann Davies Triumphe künftig lediglich widerholen, er hat schließlich längst alles gewonnen. Neuland zu betreten gibt es dagegen noch mit der kanadischen Nationalmannschaft, die er zur zweiten WM-Teilnahme nach 1986 führen will. In der nordamerikanischen Qualifikationsgruppe liegt sie derzeit auf Rang drei, der einen direkten Startplatz bedeuten würde. Platz vier führt immerhin noch in die interkontinentalen Playoffs.
In der Nationalmannschaft gibt Davies übrigens nicht nur einen verkappten Linksaußen, sondern einen hochoffiziellen - und vor allem auch einen hocheffizienten. In den vergangenen vier Länderspielen war er an vier von sechs Treffern direkt beteiligt.
Nordamerikanische WM-Qualifikation: Die Tabelle
Platz | Nation | Spiele | Tordifferenz | Punkte |
1 | Mexiko | 6 | 7 | 14 |
2 | USA | 6 | 5 | 11 |
3 | Kanada | 6 | 6 | 10 |
4 | Panama | 6 | 0 | 8 |
5 | Costa Rica | 6 | -1 | 6 |
6 | Jamaika | 6 | -4 | 5 |
7 | El Salvador | 6 | -5 | 5 |
8 | Honduras | 6 | -8 | 3 |