Am Samstagabend nach dem 2:1-Sieg gegen den SC Freiburg fand sich die Führungsriege des FC Bayern München um den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und den Präsidenten Herbert Hainer in der Münchner BMW Welt ein. Anlass war die Verleihung des Bayerischen Sportpreises an Kahns Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge für dessen Lebenswerk.
Rummenigge schuf in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam mit Uli Hoeneß den sagenhaft erfolgreichen modernen FC Bayern. Im Zuge dessen gingen die beiden für hohe Geldbeträge enge Beziehungen mit dem für Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Staat Katar ein. Verwaltet wird dieses Erbe nun vom neuen Führungsduo Hainer und Kahn, die dafür mittlerweile genau wie einst Rummenigge und Hoeneß in die Kritik geraten sind.
"Für Geld waschen wir alles rein", stand Anfang der zweiten Halbzeit des Freiburg-Spiels auf einem großen Banner vor der Südkurve, das vom Klub mutmaßlich nicht genehmigt worden war. Darunter sah man Hainer und Kahn mit einer Waschmaschine namens "FCB AG", die gegen Geld blutverschmierte Shirts in blütenweiße verwandelt. Es war eine weitere Zuspitzung des lange vor sich hin lodernden Konflikts zwischen Klub und Fans.
FC Bayern und Katar: Wintertrainingslager und Sponsoring
Los ging alles vor rund elf Jahren mit dem ersten Winter-Trainingslager des FC Bayern in Katar. Statt im kalten München bereitete sich die Mannschaft im Januar 2011 bei besten Bedingungen am persischen Golf auf die Rückrunde vor. Das durch sein Ölvorkommen reich gewordene Katar hatte es sich ähnlich wie die Nachbarländer Vereinigte Arabische Emirate oder Saudi-Arabien zum Ziel gesetzt, sein zweifelhaftes Image über kostspielige Sport-Engagements aufzupolieren.
Menschenrechtsverletzungen, Schikane von Frauen und Homosexuellen, Ausbeutung von Arbeitsmigranten, Hinrichtungen? Der FC Bayern und viele andere internationale Topklubs trainieren bei uns! 2022 richten wir eine Weltmeisterschaft aus! So schlimm kann es ja nicht sein! Viele Fans und Menschenrechtsorganisationen kritisierten dieses "Sportswashing" genannte Vorgehen aber schnell. Freude dürfte in Katar dagegen aufgekommen sein, als Bayerns Ehrenpräseident Franz Beckenbauer 2013 bekannte, dort "noch keinen einzigen Sklaven" gesehen zu haben.
Sein Klub intensivierte die Beziehungen zu Katar unterdessen immer weiter. 2016 wurde der Hamad International Airport der katarischen Hauptstadt Doha Platinpartner des FC Bayern, ein Jahr später dann sogar Ärmelsponsor. 2018 eroberte die staatliche Fluggesellschaft Qatar Airways die Trikotärmel und löste gleichzeitig den langjährigen Sponsor Lufthansa ab. Der bis 2023 gültige Vertrag soll dem FC Bayern rund 20 Millionen Euro jährlich einbringen.
Der FC Bayern gewann in Doha die Klub-WM
Die Münchner Verantwortungsträger betonten stets, dass sie die Zusammenarbeit mit Katar für eine Verbesserung der dortigen Menschenrechtslage nutzen würden. "Seit Bayern München Partner von Katar ist, hat es nachweislich eine Entwicklung in Sachen Menschen- und Arbeitsrechte zum Positiven gegeben", behauptete Rummenigge auf der Jahreshauptversammlung 2019.
Die Situation hätte sich zwar tatsächlich etwas verbessert, würde aber "weiterhin viel zu wünschen übrig lassen", sagte die Katar-Expertin Regina Spöttl von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International Anfang des Jahres dem Spiegel. Zeitgleich berichtete der Guardian, dass auf Baustellen für die WM-Stadien bereits 6500 Gastarbeiter ums Leben gekommen seien.
Der FC Bayern gewann passenderweise in Doha die Klub-WM und finalisierte mit diesem sechsten Titel die erfolgreichste Saison der Klubgeschichte. Die aktiven Fans konnten diese Triumph wegen der Corona-Beschränkungen nicht im Stadion feiern und darin dementsprechend auch keine Kritik üben. Dafür brachten sie vor der Münchner Allianz Arena ein Banner an, auf dem Rummenigge und Hainer von einer Geld-Tasche gelockt eine Kutsche samt Scheich ziehen.
FC Bayern: Fans mobilisieren gegen Katar-Engagement
Diese Aktion reihte sich ein in eine Serie an kritischen Bannern und Spruchbändern in der Münchner Südkurve vor Pandemie-Beginn. Im Januar 2020 waren Fans auch an der Organisation einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Katar, Menschenrechte & der FC Bayern: Hand auf, Mund zu?" involviert.
Vielen Fans gehen die Fortschritte in Katar deutlich zu langsam, weshalb aktuell konkret wie nie zuvor eine Beendigung der Partnerschaft gefordert wird. Nach einem entsprechenden Antrag soll darüber bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern am 25. November abgestimmt werden. Bindend wäre ein entsprechendes Votum zwar nicht, es würde die Bosse aber zusätzlich unter Druck setzen.
"Wir wollen präventive Maßnahmen ergreifen, um einen neuen Abschluss zu verhindern", sagte Initiator Michael Ott dem SID. Katar stehe für massive Menschenrechtsverletzungen, zudem gebe es schwere Vorwürfe von Korruption im Sport. Der FC Bayern helfe mit der Zusammenarbeit aktiv dabei, "von den Missständen abzulenken" und "ein modernes, weltoffenes Bild von dem Land zu verbreiten".
Der 28-jährige Rechtsreferendar Ott hat übrigens nichts mit der Münchner Ultra-Szene zu tun, die für das Banner beim Freiburg-Spiel verantwortlich war. "Die Ultras haben mit dem Plakat ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht, darüber freuen wir uns sehr", sagte Ott der Bild. "Gerade weil das Präsidium bisher versucht, den Antrag totzuschweigen. Uns ist aber wichtig, zu zeigen, dass der Antrag eben nicht nur von den Ultras unterstützt wird, sondern von der gesamten Breite der Bayern-Fans."
Doppelmoral-Vorwürfe an Spieler, Scherze von Nagelsmann
Die Ernsthaftigkeit des Fan-Anliegens scheint im Klub noch nicht wirklich angekommen zu sein. Aktuelle Stellungnahmen von den Bossen zu dieser Thematik fehlen genauso wie differenzierte Äußerungen von Spielern.
Diese stehen ohnehin schon länger unter dem Verdacht der Doppelmoral. Vor einem Länderspiel gegen Island Anfang des Jahres präsentierten sich auch die Nationalspieler des FC Bayern in Einlaufshirts mit den Worten "Human Rights", gleichzeitig tragen sie bei Spielen ihres Klub das Logo von Qatar Airways am Ärmel. Einer staatlichen Einrichtung eines Landes, das nachweislich Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat.
Als Trainer Julian Nagelsmann bei der Pressekonferenz nach dem Freiburg-Spiel auf das Waschmaschinen-Banner angesprochen wurde, scherzte er erstmal: "Ich sehe, dass da irgendwas hängt und frage mich, wie die Leute dahinter was sehen."