Wer ist schuld am Wechselfehler des FC Bayern und wie geht es weiter? Ein Überblick nach den Vorkommnissen beim 4:1-Sieg der Münchner beim SC Freiburg.
Elf gegen elf, 90 Minuten: Zwei Grundregeln des Fußballs, die beim Bundesligaspiel zwischen dem SC Freiburg und dem FC Bayern München am Samstag nicht galten. Wegen eines Wechselfehlers der Gäste spielten diese kurzzeitig mit zwölf Mann, was das Spiel letztlich um 48 Stunden verlängerte. So lange - bis Montagnachmittag also - haben die Gäste nun Zeit, gegen die Wertung Einspruch einzulegen.
Freiburgs Trainer Christian Streich würde auf diese Verantwortung nach eigener Auskunft zwar gerne verzichten. Tatsächlich beschäftigt sich das DFB-Sportgericht aber nur dann mit dem Fall, wenn die Freiburger aktiv Einspruch einlegen. Damit würden sie zwar womöglich drei Punkte gewinnen, gleichzeitig aber Sympathiepunkte verspielen. Die wenigen Sekunden Überzahl beim Stand von 3:1 für den FC Bayern hatten keinen Einfluss auf das Spielgeschehen.
Freiburgs Vorstand Jochen Saier betonte direkt nach dem Spiel, dass sein Klub über mögliche Schritte "nachdenken" werde. Was passiert, wenn Freiburg das DFB-Sportgericht tatsächlich einschaltet?
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Bayerns Wechselfehler: Diese Paragraphen kommen in Frage
Laut Bild müssten zunächst 500 Euro hinterlegt werden. Erst dann würde sich der Verband mit der Frage beschäftigen, welche Bestimmungen oder Regeln überhaupt gebrochen wurden. In Frage kommen Paragraph 17, Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB und Fußball-Regel 3, Paragraph 7.
Bei ersterem geht es um den Einsatz eines "nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers". Hierbei droht dem betroffenen Klub eine Strafverifizierung des Spiels mit 0:2, so geschehen beim Wechselfehler des VfL Wolfsburg gegen Preußen Münster bei einem DFB-Pokalspiel im vergangenen August.
Zu tragen kommt dies nur, wenn dem betroffenen Klub wie damals Wolfsburg die vollumfängliche Schuld angelastet wird. Deren Trainer Mark van Bommel hatte fälschlicherweise einen sechsten Spieler eingewechselt. Verkündet wurde das Urteil übrigens rund eine Woche nach dem Einspruch.
Schon beim Wolfsburger Wechselfehler wurde auch die Fußball-Regel 3 thematisiert, vergeblich verwies darauf unter anderem Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe. In jener Regel wird das unrechtmäßige Betreten des Spielfeldes durch "einen Teamoffiziellen, einen Auswechselspieler, einen ausgewechselten oder des Feldes verwiesenen Spieler oder eine Drittperson" behandelt.
Was bei einem Freiburger Einspruch passieren könnte
Laut der Schiedsrichter-Experten von "Collinas Erben" wäre eine Bezugnahme auf diese Regel bei einem Freiburger Einspruch der wahrscheinlichste Fall. Felix Zwayer, der bei dem Spiel als VAR im Einsatz war, sieht es ähnlich. "Der Spieler, der zu viel auf dem Platz war, war ein grundsätzlich spielberechtigter Spieler", sagte Zwayer dem ZDF. "Das ist in den Fußball-Regeln und nicht in den Statuten oder Sonstiges geregelt, wie damit umzugehen ist."
Sollte es so kommen, würde dem FC Bayern keine Niederlage am grünen Tisch drohen. Für die Einhaltung der Fußball-Regeln ist der Schiedsrichter verantwortlich. Bei einem Verstoß befasst sich das Sportgericht laut "Collinas Erben" mit der Frage, welchen Einfluss dieser auf den Spielausgang hatte. In diesem Fall keinen, weshalb auch keine Konsequenzen drohen dürften. Möglich wäre beim Bruch einer Fußball-Regel ohnehin nur eine Wiederholung des Spiels, keine Strafverifizierung.
Wechselfehler: Ähnlicher Fall in der Oberliga
Einen ähnlichen Fall gab es im Oktober 2021 bei einem Oberligaspiel zwischen dem FSV 08 Bietigheim-Bissingen und dem FC Nöttingen (2:1). Damals liefen für den ausgewechselten Bissinger Konstantinos Markopoulos mit Roman Kasiar und Ibish Sejdijaj fälschlicherweise zwei neue Spieler auf das Feld. Nach 16 Sekunden wurde der Fehler bemerkt, woraufhin einer der beiden Eingewechselten den Platz wieder verließ.
Während der Überzahl hatte sich aber eine durchaus relevante Szene zugetragen, der Nöttinger Jimmy Marton flog nämlich mit Rot vom Platz. Nöttingen legte Einspruch ein, dieser wurde jedoch abgeschmettert. Die Rote Karte reichte dem Sportgericht für eine Spielwiederholung nicht aus. Dieser Präzedenzfall macht einen Freiburger Erfolg bei einem möglichen Einspruch nach der völlig bedeutungslosen Spielsequenz gegen den FC Bayern unwahrscheinlich.
Wechselfehler des FC Bayern: Die Rolle von Kathleen Krüger
Direkt nach dem Spiel hatte Schiedsrichter Dingert zumindest eine Teilschuld an den FC Bayern und deren Teammanagerin Kathleen Krüger weitergegeben. "Es war eine total konfuse Situation, da beim Doppelwechsel der Bayern eine falsche Nummer angezeigt wurde", sagte er. Krüger gab bei Comans Auswechslung statt seiner aktuellen Nummer 11 seine alte 29 an den vierten Offiziellen Arno Blos weiter, weshalb sich der Spieler nicht angesprochen fühlte.
Freiburgs einzige Chance auf Erfolg wäre es wohl, wenn das DFB-Sportgericht diesen Fehler als ähnlich schwerwiegend wie einst van Bommels sechsten Wechsel ansehen würde. Ob die falsch weitergegebene Rückennummer aber tatsächlich für eine Bezugnahme auf Paragraph 17, Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB reicht, erscheint äußerst fraglich.
Als Coman im vergangenen Sommer von der 29 auf die 11 wechselte, befand sich Krüger übrigens in einer Baby-Pause. Nach knapp halbjähriger Auszeit feierte sie erst zum Rückrundenauftakt ihr Comeback an der Seitenlinie des FC Bayern - und leitete seitdem schon den einen oder anderen Coman-Wechsel korrekt ein.
"Was passiert ist, passierte als Folge mehrerer unglücklicher Umstände. Was Kathleen Krüger betrifft, sind wir alle froh, dass sie seit Jahren unsere Teammanagerin ist", sagte Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic am Sonntag der Mediengruppe Münchner Merkur/tz.
DFB: Keine Konsequenzen für Schiedsrichter Dingert
Letztlich verantwortlich für die Durchführung eines Wechsels ist aber ohnehin der Schiedsrichter, wie VAR Zwayer erklärte: "Tatsächlich liegt es immer in der Verantwortung des Schiedsrichterteams, einen Wechsel regelkonform durchzuführen. Das ist in der Praxis dann die Aufgabe des Vierten Offiziellen. Der sorgt dafür, dass der auszuwechselnde Spieler das Feld verlässt, der beobachtet es und lässt den Einwechselspieler eintreten."
Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich kündigte bei Sport1 entsprechend eine "interne Aufarbeitung" an. "Es hat etwas mit Konzentration und mit Übersicht zu tun. Darüber müssen wir mit den Schiedsrichtern intern nochmal sprechen." Dingert war mit seinem Schiedsrichterteam auch schon beim Wolfsburger Wechselfehler in Münster im Einsatz.
Am Montag stand dann fest: Konsequenzen muss Dingert nicht fürchten. "Ich fände es als Botschaft fatal", sagte Fröhlich bei einem Medien-Workshop am Montag. "Man muss jetzt feststellen: Da ist ein Fehler passiert, da hat jeder so einen Anteil daran." Allerdings habe es Fehler gegeben, "die auf der Schiedsrichterseite gelegen haben. Man muss das in Ruhe aufarbeiten."
Und zwar ohne jegliche Verzögerung: Derzeit findet ein Trainingslehrgang der besten DFB-Schiedsrichter in Potsdam statt. Auch Dingert ist vertreten.