FC Bayern München - Fan-Sprecher Alexander Salzweger im Interview: "Wir sprachen drei, vier Abende am Stück mit den Dortmundern"

Nino Duit
10. Mai 202210:10
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Konflikt mit Dietmar Hopp, Super-League-Pläne, turbulente Jahreshauptversammlung, Rückkehr in die Südkurve nach langer Abwesenheit, zehnter Meistertitel in Folge: Im Interview mit SPOX und GOAL lässt Alexander Salzweger die turbulenten vergangenen Monate Revue passieren. Salzweger ist Sprecher des Club Nr. 12, der Vereinigung aktiver Fans des FC Bayern München.

Herr Salzweger, in den vergangenen Wochen ist in den deutschen Stadien erstmals seit Pandemie-Beginn Normalität eingekehrt. Was hat sich in der Südkurve München geändert?

Alexander Salzweger: Überraschend wenig. Der einzige echte Unterschied zu vorher sind die Corona-Tests. Wir als Club Nr. 12 empfehlen, sich vor jedem Spiel testen zu lassen. Manche Ultra-Gruppen sind da sogar noch deutlicher und erwarten das. Gerade von Mitgliedern, die Kontakt zu Positiven hatten. Damit hat kaum jemand ein Problem. Bei der Thematik herrscht eine deutlich höhere Sensibilität und Eigenverantwortung, als ich es erwartet hätte.

Erleben Sie beim Stadionbesuch irgendwelche Verschlechterungen oder Repressionen, die es vor der Pandemie nicht gab?

Salzweger: Nein. Über die Ticketpreise des FC Bayern kann man sich weiterhin nicht beschweren, vor allem die Jahreskarten sind sehr bezahlbar. Zwischenzeitlich gab es zwar eine Pflicht zur Ticket-Personalisierung, aber die ist mittlerweile wieder aufgehoben.

Ist die Fanszene des FC Bayern durch die Pandemie geschrumpft?

Salzweger: Von den 500 bis 600 aktiven Fans im harten Kern sind vielleicht zwei, drei Leute nicht mehr dabei. Bei den meisten war und ist Bayern der komplette Lebensinhalt und die Fanszene der feste Freundeskreis. Ich kann mir vorstellen, dass wir in näherer Zukunft Zulauf bekommen von Fans, die vor der Pandemie noch zu jung waren und jetzt mitmachen wollen.

Wie haben Sie die Stimmung bei den ersten Spielen mit Vollauslastung in der Allianz Arena erlebt?

Salzweger: Gegen Dortmund war die Stimmung phasenweise echt stark, gegen Villarreal sogar noch besser. Gegen Augsburg war es es dagegen eine Katastrophe. Da hatten wir leider sehr viele spontane Ausfälle wegen positiver Corona-Tests. Die Stimmung ist bei uns auf keinen Fall schlechter als vor der Pandemie.

Beim Heimspiel gegen Villarreal gab es eine Choreographie zu Ehren des im vergangenen August verstorbenen Gerd Müller. Wann haben die Planungen dafür begonnen?

Salzweger: Nach seinem Tod haben wir schnell beschlossen, irgendetwas zu machen. Das Motiv war schon monatelang vorher klar, das Material auch schon bestellt. Wir wollten die Choreo aber unbedingt bei einem großen Spiel mit Vollauslastung zeigen. Auf das Heimspiel gegen Villarreal haben wir uns ungefähr vier Wochen vorher geeinigt.

Konnten Sie die Zuschauer-Beschränkungen der vergangenen Monate nachvollziehen?

Salzweger: Dazu gab es bei uns unterschiedliche Meinungen. Im Großen und Ganzen waren wir mit den Maßnahmen aber einverstanden. Einige von uns fänden Zuschauer-Beschränkungen sogar weiterhin nachvollziehbar. Was uns dagegen gestört hat, war das inkonsequente Vorgehen der Behörden. Beispielsweise im Vergleich zwischen Kultur und Sport und zwischen verschiedenen Standorten.

Wie intensiv war der Austausch innerhalb der Fanszene während der Zuschauer-Beschränkungen?

Salzweger: Zweimal pro Jahr veranstalten wir karitative Aktionen, für die im Vorfeld viel geplant werden muss. Diesbezüglich gab es regelmäßige Online-Meetings. Die unterschiedlichen Gruppen haben sich darüber hinaus immer wieder im kleinen Kreis persönlich getroffen. Außerdem gab es natürlich viele Gespräche über bestimmende Themen wie die Super League im vergangenen Frühling.

Wie war der Umgang damit?

Salzweger: Wir haben uns damals sofort mit den anderen großen Fanszenen Deutschlands in Verbindung gesetzt, vor allem mit den Dortmundern. Drei, vier Abende am Stück haben wir uns mit ihnen besprochen, wie wir vorgehen. Am Ende gab es eine gemeinsame Pressemitteilung. Wir hätten gerne auch etwas im Stadion gemacht, aber damals waren leider keine Zuschauer zugelassen.

Ist so ein schneller, intensiver Austausch mit anderen Fanszenen wie der Dortmunder die Regel?

Salzweger: Wir kennen uns seit Jahren. Vor allem mit den Dortmundern ist der Austausch eher unproblematisch, anders als vielleicht mit den Nürnbergern oder Sechzgern. Aber selbst mit denen gab es schon gemeinsame Aktionen. Generell ist die Kommunikation zwischen den Fanszenen bei so Bomben wie der Super League vorbildlich. Das haben wir nicht nur da erlebt, sondern auch schon bei den Diskussionen über die 15.30-Uhr-Anstoßzeit und den Umgang mit Fan-Materialien wie Megaphonen in Stadien vor ein paar Jahren.

Kurz vor Ausbruch der Pandemie ist der Konflikt zwischen den meisten deutschen Fanszenen und dem Mäzen der TSG Hoffenheim, Dietmar Hopp, eskaliert. Gipfel war das Skandalspiel gegen den FC Bayern.

Salzweger: Dieses Thema hat sich in der Zwischenzeit aus mehreren Gründen entspannt. Viele Stadionverbote sind ausgelaufen, Hopp hat extrem viele Anzeigen - insbesondere gegen Dortmunder Fans - zurückgezogen und die große ZDF-Dokumentation hat auch ihren Teil dazu beigetragen. Nach der Doku haben sogar Hoffenheim-Fans und Hopps Leute im Verein zugegeben, dass das Vorgehen doof und die Anzeigen aus der Luft gegriffen waren. Ich glaube, Hopp hat das mittlerweile auch begriffen. Solange er es nicht wieder Anzeigen hageln lässt, wird das Thema nicht mehr eskalieren. Mit Leipzig haben wir außerdem eh ein viel größeres Feindbild.

Wie erleben Sie den derzeitigen Austausch mit der Klubführung des FC Bayern?

Salzweger: Aktuell gibt es auf verschiedenen Ebenen permanente Gespräche zwischen dem Verein und der Fanszene. Seit der eskalierten Jahreshauptversammlung im November habe ich den Eindruck, dass der Verein daran ein echtes Interesse hat. Das war absolut einschneidend. Vielleicht hat es diesen Schuss vor den Bug gebraucht.

Im Vorfeld der Jahreshauptversammlung war ein Antrag von Mitglied Michael Ott bezüglich des Katar-Sponsorings ignoriert worden. Bei der Veranstaltung selbst kam es zu tumultartigen Szenen, nachdem Redebeiträge von Mitgliedern nicht zugelassen worden waren. Wie haben Sie den Abend erlebt?

Salzweger: Es war für uns in jeglicher Hinsicht überraschend, wie unsouverän der Verein gehandelt und wie sich das Stimmungsbild in der Halle dargestellt hat. Bei weitem nicht nur die aktive Fanszene hat gesagt: So kann man mit seinen Mitgliedern nicht umgehen. Es ging gar nicht darum, dass Otts Antrag nicht zugelassen wurde, sondern um die Art und Weise. Ihm wochenlang nicht zu antworten, den Antrag dann abzulehnen und ihm schließlich das Wort abzuschneiden, war maximal unsouverän. Trotz allem hätten wir niemals damit gerechnet, bei irgendeiner Abstimmung eine Mehrheit zu bekommen - erst recht keine Zweidrittelmehrheit für Satzungsänderungen. Hätten wir das gewusst, hätten wir ganz andere Anträge gestellt.

Zum Beispiel?

Salzweger: Beispielsweise zur Nominierung von Präsidentschaftskandidaten. Aktuell kann lediglich der Vorstands-nahe Verwaltungsbeirat einen Kandidaten nominieren. Die Mitgliederversammlung darf dann nur ja oder nein sagen. Das sollte sich ändern.

Fans des FC Bayern München bejubeln mit Thomas Müller den zehnten Meistertitel in Folge.imago images

Wie kommt Trainer Julian Nagelsmann in der aktiven Fanszene an? Er gibt sich in seinen öffentlichen Auftritten und in den sozialen Medien bewusst nahbar.

Salzweger: Viele von uns rechnen ihm hoch an, dass er bei der Jahreshauptversammlung vor Ort war und sich das bis zum Ende angeschaut hat. Das konnte man nicht erwarten. Was er bei Social Media postet oder bei Pressekonferenzen scherzt, juckt uns dagegen nicht.

Wie beurteilen Sie die aktuelle sportliche Situation beim FC Bayern?

Salzweger: Dazu äußern wir uns als Fanszene generell nicht. Wir freuen uns einfach nur, dass wir Meister geworden sind - und machen uns gleichzeitig Sorgen, dass wir in den nächsten zehn Jahren weiterhin durchgehend Meister werden.

Hätten Sie denn gerne einen anderen Meister?

Salzweger: Zumindest hätte ich gerne mal wieder einen echten Meisterschaftskampf. So Szenen wie nach dem Meistertitel von Trabzonspor machen mich neidisch. Wir werden nach einem Sieg gegen den direkten Rivalen Dortmund Meister und am nächsten Tag sind die Emotionen weg. Aber das ist völlig nachvollziehbar: Der erste, zweite oder dritte Titel fühlt sich anders an als der zehnte. Auf lange Sicht ist das nicht gut: Noch passen die Zuschauerzahlen, aber ich habe das Gefühl, dass sich das wegen der aktuellen Langeweile bald ändern könnte. Unser finanzieller Vorsprung ist einfach zu groß.

Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern?

Salzweger: Auch wenn Uli Hoeneß das nicht gerne hören wird: Die Startgelder in den europäischen Wettbewerben und die Fernsehgelder müssen fairer verteilt werden. Und man sollte über eine Gehaltsobergrenze nachdenken.