Uli Hoeneß war im Attacke-Modus. Bei der Meisterfeier im Rathaus am Marienplatz stärkte sich der Ehrenpräsident noch kurz mit einer Bratwurst, dann ging's los.
Lewandowski, der BVB, Niklas Süle, selbst Oliver Kahn und Herbert Hainer - in einer Medienrunde, an der auch SPOX und GOAL teilnahmen, bekamen von Hoeneß alle ihr Fett weg. Nur einer nicht: Hasan Salihamidzic. Hoeneß warf sich vor den Sportvorstand wie sonst nur eine Bärenmutter vor ihr frisch geborenes Baby.
Am Abend zuvor war Salihamidzic beim Empfang der Mannschaft im Paulaner-Biergarten am Nockherberg von einem großen Anteil der knapp 1000 anwesenden FCB-Fans ausgebuht worden. Als Stadionsprecher Stephan Lehmann den Namen "Brazzo Salihamidzic" gegen Ende der traditionellen Schalen-Präsentation erwähnt hatte, waren Pfiffe ertönt. Wenige Augenblicke zuvor waren noch Thomas Müller, Manuel Neuer und Co. lautstark begrüßt worden.
Als SPOX und GOAL Hoeneß darauf ansprachen, platzte es regelrecht aus ihm heraus: "Wenn man jeden Tag die Bild-Zeitung liest, braucht man sich nicht wundern. Das ist eine Hetzjagd. Für die Transferpolitik ist der ganze Verein verantwortlich, der Vorstand und der Aufsichtsrat. Es wird immer nur einer rausgepickt. Als wir sechs Titel gewonnen haben, habe ich keinen gehört, der 'Hasan, Hasan' gerufen hat. Jetzt soll er allein verantwortlich sein, dass wir die Champions League nicht gewonnen haben. Das kann nicht sein."
FCB: Hoeneß hält zu Salihamidzic - doch wie lange noch?
Spannend: Als Hoeneß zur Verteidigung des Sportvorstandes ansetzte, stand Salihamidzic nur wenige Meter entfernt, beobachtete aus sicherer Entfernung auffällig interessiert die Gesprächssituation.
Auch der Sportvorstand weiß, dass die Kritik - aufgehängt an den gescheiterten Vertragsverhandlungen mit Robert Lewandowski - an seiner Person wächst.
Die Frage ist: Wie gefährlich wird ihm die Causa Lewandowski?
Salihamidzics Vertrag beim FC Bayern läuft am 30. Juni 2023 aus. Früher oder später werden sich die Aufsichtsräte auch mit ihm beschäftigen und sich darüber beraten, ob sein Arbeitspapier verlängert werden soll oder nicht.
Analysiert werden dann unter anderem diese Punkte:
Hasan Salihamidzic: Kaderqualität und Transferbilanz
Was ihm viele Kritiker vorhalten: Spieler wie Thiago, Alaba oder Boateng konnten nicht gleichwertig ersetzt werden. "Seine" neuen Spieler wie Michael Cuisance (acht Millionen Euro Ablöse), Fiete Arp (drei Millionen Euro Ablöse und angeblich fünf Millionen Euro Jahresgehalt) oder Bouna Sarr (neun Millionen Euro Ablöse) sind allesamt beim FC Bayern gescheitert. Das Gefälle zwischen Stamm- und Ersatzspielern wuchs in den vergangenen Jahren stetig. Wie Ex-Trainer Hansi Flick ist auch Julian Nagelsmann mit der Breite des Kaders unzufrieden, wünscht sich Verstärkungen.
Blickt man auf die Transferbilanz seit Sommer 2018, verschlechtert sich das Bild sogar noch. Laut transfermarkt.de gab Salihamidzic 284 Millionen Euro für neue Spieler aus, nahm aber nur 164 Millionen Euro durch Verkäufe wieder ein. Das ergibt ein Transferminus in Höhe von 120 Millionen Euro - in Zeiten finanzieller Einbußen durch die Corona-Pandemie besonders bemerkenswert. Während Spieler wie Alaba, Boateng oder Süle (und bald auch Lewandowski?) den Verein ablösefrei verließen, überzeugen selbst die Top-Neuzugänge Lucas Hernandez (80 Millionen Euro), Leroy Sane (60 Millionen Euro) und Dayot Upamecano (42,5 Millionen Euro) bis heute nicht ohne jeden Zweifel.
Richtig ist aber auch: Mit Jamal Musiala, Leon Goretzka oder Alphonso Davies lag Salihamidzic nicht daneben. Und mit Joshua Kimmich, Goretzka, Kingsley Coman und Thomas Müller band er wichtige Leistungsträger langfristig an den Verein.
Hasan Salihamidzic: Titel und Erfolge
Seit Beginn seiner Amtszeit (2017) schwimmt der FC Bayern auf einer Welle des Erfolgs. Doch die Triumphe werden weniger. Fünfmal gewannen die Münchener mit Salihamidzic die Meisterschaft, zweimal den DFB-Pokal, einmal die Champions League und die FIFA-Klub-Weltmeisterschaft.
Doch der Trend ist negativ: In der Königsklasse schied der FCB zuletzt zweimal im Viertelfinale aus, in dieser Saison konnte der Klub mit der Meisterschaft nur einen Titel feiern.
Hasan Salihamidzic: Zusammenarbeit mit den Trainern
Auch in diesem Bereich dürfte Salihamidzic auf dem Prüfstand stehen. Nach dem Zwist mit Hansi Flick im Vorjahr berichtete die Sport Bild Mitte der Woche, dass es nun auch zwischen Salihamidzic und Nagelsmann Unstimmigkeiten geben soll. SPOX und GOAL wissen aber: Ein gewisses Konfliktpotential besteht zwar, doch die Situation ist anders gelagert als damals mit Flick. Nagelsmann geht es um rein inhaltliche Themen (Stichwort: Kaderplanung), während es zwischen dem aktuellen Bundestrainer und Salihamidzic auch und vor allem auf persönlicher Ebene krachte.
Sprechen wollte Salihamidzic über all die möglichen Themen im Rathaus übrigens nicht. Als die Feierlichkeiten gegen 14.48 Uhr beendet waren, gab es aber immerhin eine kurze Umarmung mit Uli Hoeneß. Der hatte zu diesem Zeitpunkt bereits vom Attacke- in den Herzl-Modus geschaltet.