FC Barcelona und Robert Lewandowski: El Dorado für Wechsel-Erzwinger

Nino Duit
10. Juni 202213:02
SPOXimago images
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Robert Lewandowski setzt alles daran, einen Wechsel vom FC Bayern München zum FC Barcelona zu erzwingen. Bei seinem Wunschziel passt der 33-jährige Stürmer damit durchaus ins Schema.

Seit Robert Lewandowski vor rund vier Wochen seinen Wechselwunsch trotz laufenden Vertrages bis 2023 öffentlich gemacht hat, spult er ein kräftezehrendes Programm ab. Nicht sportlich, in der Zwischenzeit kam er lediglich zweimal für die polnische Nationalmannschaft zum Einsatz.

Sondern medial: Trotz einer generellen Absage des FC Bayern München wiederholte Lewandowski in sich stetig verschärfender Tonalität seinen Wunsch beim TV-Sender Sky, bei der Streaming-Plattform Viaplay, bei der TV-Sender-Gruppe Eleven Sports, bei einer Pressekonferenz mit der polnischen Nationalmannschaft und zuletzt bei der Bild sowie dem polnischen Podcast OnetSport.

"Ich will den FC Bayern nur noch verlassen. Loyalität und Respekt sind wichtiger als Arbeit", sagte Lewandowski etwa. "Etwas ist in mir gestorben, ich will den FC Bayern verlassen für mehr Emotionen in meinem Leben." Zu finden gedenkt er diesen Emotionalitätsschub beim FC Barcelona, der vor Lewandowski schon den einen oder anderen Weltklassespieler zu radikalen Schritten animiert hat.

Den drei teuersten Verpflichtungen Barcelonas ging jeweils ein beachtliches Transfertheater mit Nebengeräuschen voraus: 2017 Ousmane Dembele von Borussia Dortmund (140 Millionen Euro), 2018 Philippe Coutinho vom FC Liverpool (135 Millionen Euro), 2019 Antoine Griezmann von Atletico Madrid (120 Millionen Euro). Vorwürfe gab es im Zuge dessen nicht nur gegen die Spieler - sondern auch gegen ihren neuen Klub.

Ousmane Dembeles Wechsel vom BVB zum FC Barcelona

Am Donnerstag, den 10. August 2017 erschien Ousmane Dembele nicht zum Training von Borussia Dortmund. Was war passiert? Dembeles Arbeitgeber hatte ein Angebot dessen Wunschklubs FC Barcelona abgelehnt, was den zum damaligen Zeitpunkt noch bis 2021 gebundenen Flügelstürmer so sehr erzürnte, dass er in den Streik trat.

Dortmund suspendierte Dembele - und attackierte Barcelona. "Da muss man sich auch mal über die Rolle des ruhmreichen FC Barcelona unterhalten", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke damals. "Am Mittwoch haben wir uns mit Vertretern von Barcelona getroffen. Die Vorstellungen waren weit auseinander. Dann kommt er ganz zufällig am Donnerstag nicht zum Training. Die zeitliche Abfolge ist schon auffällig. Das glauben sie doch selbst nicht, dass ein 20-Jähriger nicht zum Training kommt, ohne das Wohlwollen des möglicherweise aufnehmenden Klubs."

Trotzdem ging Dortmund in weitere Verhandlungsrunden mit Barcelona und verkaufte Dembele zwei Wochen später doch noch. Die Sockelablöse von 120 Millionen Euro stieg dank diverser Boni auf 140 Millionen an. Sein umstrittenes Vorgehen hatte sich für Dembele also gelohnt, Reue zeigte er im Anschluss übrigens keine. "Ich hatte den Eindruck, dass ich die Erfüllung meines Traums verpassen würde. Ich habe mich so verhalten, dazu stehe ich", sagte Dembele dem Magazin Onze Mondial.

Begonnen hatte der sommerliche Poker übrigens mit einem Wechsel-Verbot von Sportdirektor Michael Zorc: "No way, keine Chance." Eine ähnlich resolute Aussage wie das jüngste "Basta" des Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn vom FC Bayern bei Lewandowski.

Apropos FC Bayern: Selbstverständlich mischten sich beim damaligen Poker um Dembele auch die Münchner ein, die sich in Person von Präsident Uli Hoeneß auf Dortmunds Seite schlugen. "Wenn der FC Barcelona dahinter steckt, dann habe ich keine Achtung mehr vor dem Klub", sagte Hoeneß in Bezug auf Dembeles Streik. Einen Spieler zum Vertragsbruch zu animieren sei "unterste Kreisklasse".

Philippe Coutinhos Wechsel vom FC Liverpool zum FC Barcelona

Zwei Tage nach der Verkündung des Dembele-Transfers verzichtete Philippe Coutinho freiwillig auf ein Spiel seines FC Liverpool gegen den FC Arsenal. Der offizielle Grund: Rückenschmerzen und eine Erkältung. Nach wenigen Tagen gab es von den Leiden keine Spur mehr: Coutinho trainierte munter mit der brasilianischen Nationalmannschaft und schoss bei einem WM-Qualifikationsspiel gegen Ecuador sogar ein Tor.

"Alles, was bei Coutinho festzustellen ist, ist Unruhe. Er ist angespannt, aber es gibt keinerlei Beeinträchtigung oder Verletzung", hieß es von Seiten des brasilianischen Verbandes. Ursache für die Unruhe war natürlich der FC Barcelona, für den Coutinho künftig unbedingt auflaufen wollte.

Der Spieler war sich mit seinem Wunschklub längst einig, Liverpool aber verwehrte dem Regisseur trotz des verpassten Spiels und angeblichen internen Drohungen einen Transfer. "Wenn ich sage, dass er nicht zum Verkauf steht, dann steht er nicht zum Verkauf", sagte Trainer Jürgen Klopp und hielt (zumindest vorerst) sein Wort. Mitgefühl bekam Coutinho unterdessen von seinem brasilianischen Teamkollegen Neymar: "Leider können er und seine Familie nicht glücklich sein. Stattdessen ist es für ihn ein Moment der Qual, Enttäuschung und Trauer."

Nach einer Hinrunde voller Qual, Enttäuschung und Trauer erfüllte sich Coutinhos Wunsch aber doch noch: Anfang Januar wechselte er für 135 Millionen Euro nach Barcelona. Innerhalb von nur einem halben Jahr gab Barcelona somit die 222 Millionen Euro, die der Klub für Neymars Wechsel zu Paris Saint-Germain eingenommen hatte, wieder aus.

Antoine Griezmanns Wechsel von Atletico zum FC Barcelona

Ähnlich wie der Poker um Coutinho zog sich auch der um Antoine Griezmann über mehrere Monate - mit dem interessanten Randaspekt, dass dessen Ausstiegsklausel in der Zwischenzeit von 200 auf 120 Millionen Euro sank. Stichtag war der 1. Juli 2019. Wie später veröffentlichte E-Mails darlegen, stieg Barcelona mutmaßlich aber schon im Februar in Verhandlungen mit Griezmanns Beratern ein. Im März soll eine Einigung erfolgt sein, im Mai verkündete Griezmann öffentlich seinen Abschied, ehe für die Vollzugsmeldung geduldig der Stichtag abgewartet wurde.

Grundsätzlich dürfen Klubs ohne Erlaubnis des Arbeitgebers nicht in Kontakt mit Spielern treten, die einen länger als sechs Monate gültigen Vertrag haben. Griezmanns Vertrag bei Atletico galt damals aber noch bis 2023. Eine Ausstiegsklausel ermöglicht zwar Gespräche, aber nur sofern die festgelegte Summe beim abgebenden Klub hinterlegt wird - was in diesem Fall nicht geschehen sein soll.

"Atletico Madrid will hiermit seine tiefste Empörung über das Verhalten der beiden Parteien ausdrücken, insbesondere über das von Barcelona", verkündete Atletico in einem Statement. Barcelona hatte letztlich sogar Probleme, Anfang Juli die nun auf 120 Millionen Euro gesenkte Ausstiegsklausel aufzubringen. Griezmann schwänzte unterdessen den Trainingsauftakt. Am 14. Juli überwies Barcelona schließlich die Summe, woraufhin Atletico beim spanischen Verband eine Untersuchung beantragte.

Sanktionen blieben Barcelona letztlich erspart - Heldentaten von Griezmann jedoch auch. Genau wie Dembele (Vertrag läuft aus) und Coutinho (für 20 Millionen Euro an Aston Villa verkauft) überzeugte auch Griezmann nicht nachhaltig. In der vergangenen Saison spielte der Stürmer per Leihe für seinen Ex-Klub Atletico, seine Zukunft ist trotz Vertrages bei Barcelona bis 2024 völlig offen. Sollte er bleiben, könnte er demnächst einen neuen Rivalen bekommen: Robert Lewandowski.

Dembele, Coutinho, Griezmann beim FC Barcelona

ZeitraumSpieleToreAssists
Dembele2017 bis 20221503234
Coutinho01/2018 bis 2019 und 2020 bis 01/20221052413
Griezmann2019 bis 20211023517