Der FC Bayern München verpflichtet mit Sadio Mane einen der besten Spieler der vergangenen Jahre. SPOX beleuchtet den Transfer aus drei Perspektiven.
Es ist vollbracht: Sadio Mane schließt sich dem FC Bayern München an. Der 30-Jährige ist am Dienstag in München gelandet und soll nach dem Medizincheck an der Säbener Straße einen Dreijahresvertrag unterschreiben. Doch wie sinnvoll ist dieser Transfer aus der Perspektive des Spielers, des FC Liverpool und der Bayern?
Sadio Mane: Der Transfer aus der Perspektive des Spielers
Bisher hat Mane eine Bilderbuchkarriere hingelegt. 2011 wechselte er mit 19 aus dem Senegal nach Frankreich, von wo es ihn 2012 zu RB Salzburg und 2014 auf die Insel zum FC Southampton zog. Dort wurde schließlich der FC Liverpool auf ihn aufmerksam. Knapp über 40 Mio. Euro legten die Reds 2016 für den Offensivspieler auf den Tisch.
Es sollte sich lohnen. In sechs Jahren absolvierte Mane 269 Pflichtspiele für Liverpool, in denen er 120 Tore erzielte und 48 Treffer vorbereitete. Unter Klopp reifte er zu einem der besten und flexibelsten Angreifer der Welt. Als unumstrittener Schlüsselspieler gewann er unter anderem die Champions League (2019), die Klub-WM (2019), den UEFA-Supercup (2019), die Premier League (2020) sowie die beiden englischen Pokale (2022).
2019 wurde er mit 22 Treffern Torschützenkönig in der englischen Liga, 2019 als Afrikas Fußballer des Jahres ausgezeichnet. Mit dem Senegal gewann er dieses Jahr die Afrikameisterschaft.
Mit Blick auf diese beeindruckende Karriere ist es nachvollziehbar, dass Mane sportlich eine neue Herausforderung sucht. Beim FC Liverpool hat er nun alles erreicht, was er erreichen kann. Im Alter von 30 Jahren ist es womöglich seine letzte Chance gewesen, zu einem weiteren europäischen Top-Klub zu wechseln - und sich finanziell womöglich nochmal deutlich zu verbessern.
Sadio Mane: Hohe Gehaltsforderung nicht nur aus Eigensinn
In seiner Heimat setzt er sich regelmäßig für ein besseres Leben für die Bevölkerung ein. Im Interview mit dem Telegraph verriet er 2019: "Das Wichtigste ist, dass man auch an seine Heimat denkt. Sie brauchen Hilfe. Und wenn ich helfen kann, tue ich es." Vor einiger Zeit stiftete der Senegalese 200.000 Pfund für die Errichtung einer Schule, 2021 traf er sich mit dem Präsidenten, um den Bau eines Krankenhauses zu planen. "Ich wollte eins bauen, um den Menschen Hoffnung zu geben", sagte er den Medien damals während seines Besuchs.
Das gilt es zu beachten, wenn über die Gehaltsforderungen diskutiert wird. Nach Informationen von Sport1 verdiente Mane beim FC Liverpool rund 12 Millionen Euro brutto - obwohl er zu den besten Spielern der Welt zählt. Die Gründe dafür sind unklar. Ex-Liverpool-Profi El-Hadji Diouf sagtebeIN Sports einst über Mane-Kollege Mohamed Salah: "Er muss erkennen, dass er Afrikaner ist, also werden sie ihn nicht wie einen Europäer behandeln, und sie werden ihm nicht wie den anderen den besten Vertrag geben."
Ist die fehlende Wertschätzung ein Grund für den Wechsel? Wie gut ein etwaiges Angebot für eine Vertragsverlängerung gewesen wäre, ist unklar. Die Forderungen des Spielers sollen verschiedenen Medienberichten zu Folge bei bis zu 24 Millionen Euro pro Saison gelegen haben, was den Reds zu viel war.
Ob an diesen Gerüchten etwas dran war, ist aber fraglich. Schließlich sollen die Bayern laut aktuellen Medienberichten rund 15 Mio. Euro Gehalt an den Spieler zahlen. Sportlich konnte sich Mane mit einem Wechsel nicht mehr verbessern, zählt Liverpool doch zu den zwei oder drei besten Teams der Welt. Aber das finanzielle Gesamtpaket sowie die Perspektive, Bayern als Führungsspieler zurück in die europäische Spitze zu führen, haben wohl den Ausschlag gegeben.
FC Liverpool: Der Transfer aus der Perspektive der Reds
Wenn einer der besten Spieler der Welt geht, hinterlässt er ein großes Loch. Das sollte man als Beobachterin oder Beobachter zumindest annehmen. Beim FC Liverpool ist der Fall aber ein wenig anders gelagert. Dass sie nicht bereit waren, Mane ein Grundgehalt jenseits der 20 Millionen Euro zu bezahlen, hatte wohl mehrere Gründe.
Zunächst ist der Spieler mit 30 Jahren gerade auf seinem Höhepunkt des Schaffens. "Er ist in der Form seines Lebens. Es macht Spaß, ihm zuzusehen", sagte Jürgen Klopp noch vor dem Champions-League-Finale gegen Real Madrid. Klingt zunächst wie ein Argument dafür, mit Mane zu verlängern. Liverpool ist trotz seines emotionalen Images aber ein sehr rational geführter Klub geworden. In den vergangenen Jahren haben die Reds ihren Umgang mit Daten beispielsweise intensiviert und konsequent weiterentwickelt.
Auch in der Transferpolitik spielen objektive Faktoren eine wesentliche Rolle. Wie wahrscheinlich ist es, dass Mane dieses Level noch über mehrere Jahre halten kann? Welche Alternativen gibt es auf dem Transfermarkt, um den Spieler bei einem Abgang zu ersetzen? Wann ist der beste Zeitpunkt, um ihn gegen einen oder mehrere Spieler auszutauschen? Sowohl wirtschaftlich als auch sportlich macht der Klub sich viele Gedanken, was sich in einer in der jüngeren Vergangenheit sehr klugen Transferpolitik widerspiegelt.
imago imagesFC Liverpool: Abgang von Sadio Mane Teil des großen Plans?
Bei Mane kämpften die Reds nicht sonderlich gegen einen Wechsel an. Die letzte Chance, den 30-Jährigen mit einer hoch dotierten Ablösesumme zu verkaufen und dieses Geld sofort zu reinvestieren, wurde ergriffen. Mit Darwin Nunez kommt ein 22-jähriger Stürmer von Benfica, der rein analytisch betrachtet gut zur Spielweise von Jürgen Klopp passt - und mit seiner Physis sogar nochmal Fähigkeiten mitbringt, die dem Liverpool-Angriff zuletzt häufig fehlten. Durch den Mane-Abgang kann die hohe Ablösesumme von mindestens 75 Millionen Euro aufgefangen werden.
Nunez ist schnell, sehr athletisch, technisch begabt und abschlussstark. Auf dem Papier kommen beide Transfers exakt zum richtigen Zeitpunkt. In der Praxis muss sich das zwar erst noch als strategisch klug beweisen, nur ist es nicht unwahrscheinlich, dass Liverpool abermals einen Volltreffer gelandet hat.
Es spricht für die Reds, dass sie keine Angst davor haben, selbst auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Andere Klubs wären wohl überraschter gewesen, wenn einer ihrer wichtigsten Spieler so öffentlich mit einem Wechsel liebäugelt. Der Klub hat eine derart schnelle Lösung präsentiert, dass es zumindest für den Moment so wirkt, als wäre der vermeintliche Mane-Verlust sogar ein Gewinn.
FC Bayern: Der Transfer aus der Perspektive der Münchner
Der FC Bayern München ist, was das strategische Handeln anbelangt, das Gegenteil vom FC Liverpool. In München wurde in den vergangenen Jahren deutlich häufiger reagiert als agiert. Anhand der Transfers lässt sich im Vergleich zu den Reds keine so klare Linie ziehen. Auch in München wird gescoutet und auch in München gibt es Datenanalysten und Kaderplaner, die bestimmte Rollen definieren. Nur spielen Gefühl und Subjektivität nach wie vor eine viel größere Rolle, wenn es schließlich zur Entscheidung kommt.
Sadio Mane ist kein Transfer, der auf strategisches Handeln schließen lässt. Die offensichtliche Handlungskette ist, dass Robert Lewandowski und womöglich auch Serge Gnabry den Klub spätestens 2023 verlassen werden. Nachdem sich die Bayern sehr lange mit Erling Haaland beschäftigten und realisieren mussten, dass sie sich das Finanzpaket nicht leisten wollen, war Mane der nächste Top-Spieler, der verfügbar war. Es geht ein Stück weit auch darum, dem Verlust eines großen Namens durch einen neuen großen Namen vorzubeugen.
Das muss nicht bedeuten, dass dieser Transfer keinen Sinn ergibt. Der FC Bayern handelt einfach anders als Liverpool - und war damit ebenfalls erfolgreich. Gerade weil Mane ein Spieler ist, der in den letzten Jahren konstant auf Weltklasseniveau performte, ist nicht davon auszugehen, dass er innerhalb kürzester Zeit einbricht.
Im Gegenteil: Bayern kann mit ihm sogar eine kleine Baustelle im Kader schließen, die selten thematisiert wurde. Serge Gnabry, Leroy Sane und Kingsley Coman sind aus unterschiedlichen Gründen zu inkonstant. Sie alle können Weltklasseleistungen bringen, wenn sie fit und in Form sind - nur sind sie das zu selten.
Sadio Mane: Der neue Anführer des FC Bayern?
Mane könnte der Anführer einer neu aufgestellten Bayern-Offensive werden. Seine Flexibilität und Dynamik werden Julian Nagelsmann entgegenkommen, der sich bisweilen schwer damit tat, seine taktischen Grundideen auf Robert Lewandowski zuzuspitzen.
Ohne den Superstar wird sich die Verantwortung des Toreschießens auf mehrere Schultern verteilen - und das Angriffsspiel der Bayern vielleicht vielseitiger.
Nach zehn Meistertiteln in Serie, einem immer noch kuriosen Sechs-Titel-Jahr mit Hansi Flick und einer eher enttäuschenden ersten Saison unter Nagelsmann könnte der sich nun anbahnende kleine Umbruch ein Glücksfall für den Rekordmeister werden - auch wenn er eher zufällig daher kommt.
Mane wird Lewandowski nicht allein ersetzen können. Dafür ist seine bisherige Torquote von einem Treffer pro 180 Minuten nicht ausreichend. Aber als Teillösung kann er mit seinem Tempo und seiner Dynamik neue Elemente einbringen.
FC Bayern: Mane-Transfer entscheidend für Salihamidzic-Zukunft?
Und doch bleiben zumindest kleine Fragezeichen stehen. Es sind abermals tiefgreifende Veränderungen, die beim FC Bayern aus dem Bauch heraus getroffen werden und keiner rationalen Linie entspringen. Mit Mane haben die Münchner womöglich gut auf den sich andeutenden Lewandowski-Wechsel reagiert - aber eben nur reagiert.
Unterschiedliche Medienberichte gehen von einer Sockelablöse von 32 Millionen Euro aus, die sich durch Boni noch auf 41 Millionen Euro erhöhen kann. Für einen 30-Jährigen, bei dem es zumindest fraglich ist, ob er nochmal besser wird, ist das viel Geld. Für einen Top-Spieler, der Mane gleichzeitig eben auch ist, ist es ein sehr guter Preis. Zumal es durchaus ein Statement des FC Bayern ist, einen Weltklassespieler in die Bundesliga zu holen, der gerade die beste Phase seiner Karriere durchläuft. Es ist vor allem ein Prestigetransfer.
Funktioniert dieser aber nicht, könnte das Hasan Salihamidzic, dessen Vertrag 2023 ausläuft, auf die Füße fallen. Auch wenn er Zugänge und Abgänge nicht allein zu verantworten hat, so ist er das Gesicht der Transferpolitik des FC Bayern. Der Mane-Wechsel ist für ihn also Chance und Risiko zugleich. Wobei die Chancen angesichts der Argumente wohl überwiegen. Denn ehrlicherweise kann man mit einem Spieler wie Mane nur sehr wenig falsch machen.
Sadio Mane: Seine Leistungsdaten beim FC Liverpool
Saison | Spiele | Tore | Assists |
2016/17 | 29 | 13 | 8 |
2017/18 | 44 | 20 | 9 |
2018/19 | 50 | 26 | 5 |
2019/20 | 47 | 22 | 12 |
2020/21 | 48 | 16 | 9 |
2021/22 | 51 | 23 | 5 |