FC Bayern München - Rico Strieder im Interview: "In der Bayern-Kabine gab es richtige Socken-Schlachten"

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2015 haben Sie unter Guardiola ihr einziges Pflichtspiel für den FC Bayern absolviert, ein 0:2 bei Bayer Leverkusen nach Fixierung des Meistertitels. Wie und wann haben Sie von Ihrem Platz in der Startelf erfahren?

Strieder: Ich habe am Donnerstag und Freitag bei den Profis mittrainiert. Danach hieß es, dass ich mit nach Leverkusen fliege. Dass ich in der Startelf stehe, habe ich bei der Mannschaftsbesprechung im Hotel zwei Stunden vor Anpfiff erfahren. Guardiola hat die Aufstellung vorgelesen. Als er meinen Namen gesagt hat, konnte ich es nicht glauben. Ich weiß noch, dass Schweinsteiger neben mir saß und mir auf den Oberschenkel geklopft hat.

Hat Guardiola bis zum Anpfiff das persönliche Gespräch mit Ihnen gesucht?

Strieder: Vor dem Aufwärmen hat er mich kurz in seine Trainerkabine geholt. Ich habe als Linksverteidiger gespielt, deshalb hat er mir auf seinem Laptop ein paar Szenen von meinem Gegenspieler Karim Bellarabi gezeigt.

Wie war die Stimmung in der Kabine vor dem Spiel?

Strieder: Für mich war das sehr überraschend. Bei der Reserve gab es unter ten Hag ein Handy-Verbot ab einer Stunde vor Beginn des Aufwärmens. Keiner durfte Späße machen, jeder musste sich fokussieren. Bei den Profis lief in der Kabine dagegen bis zuletzt auf voller Lautstärke Musik, dazu wurde getanzt. Manche schauten die Highlights der Bundesliga-Nachmittagsspiele. Für mich war die lockere Stimmung erstaunlich. Das lag aber sicher auch an der Tabellensituation sowie der enormen Erfahrung. Letztendlich gab den Spielern ihr Erfolg Recht.

Haben Sie eine vergleichbare Spielvorbereitung bei irgendeinem anderen Klub erlebt?

Strieder: Nein, in dieser Form nicht.

Das Spiel ging mit 0:2 verloren. Wie war Ihre Gefühlslage danach?

Strieder: Das Ergebnis war mir ziemlich egal. Ich war der stolzeste Mann überhaupt. Ich habe gemerkt, dass in der Bundesliga keine Übermenschen spielen. Ich habe gemerkt, dass ich mithalten kann.

Warum haben Sie den FC Bayern nach der Saison verlassen?

Strieder: Spätestens als ein Jahr zuvor Xabi Alonso verpflichtet wurde, wusste ich, dass ich bei den Profis keine richtige Chance bekommen werde. Bayern zu verlassen, war aber ein komisches Gefühl. Ich hatte zu dem Zeitpunkt immerhin die Hälfte meines Lebens für den Verein gespielt.

Rico Strieder bei seinem einzigen Pflichtspiel für den FC Bayern im Frühling 2015 mit Mario Götze.
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Rico Strieder bei seinem einzigen Pflichtspiel für den FC Bayern im Frühling 2015 mit Mario Götze.

Sie folgten Ihrem Trainer ten Hag zum FC Utrecht.

Strieder: Mein eigentlicher Plan war es, zur Polizei zu gehen. Tatsächlich war ich bei der Polizei Fürstenfeldbruck schon bei einer Infoveranstaltung. Mein Vater ist Polizist, mein Bruder mittlerweile auch. Als Kind haben wir immer gemeinsam Tatort geschaut. LKA oder BKA, das hätte mich gereizt. Dann hat mich ten Hag aber gefragt, ob ich nicht zu ihm nach Utrecht wechseln will. Wir beide hatten eine spezielle Verbindung. Ich war sein erster Ansprechpartner in der Mannschaft.

Wie kam ten Hag in Utrecht an?

Strieder: Für ihn war es von Vorteil, dass ich seine ungewöhnlichen Arbeitsweisen kannte und die Mitspieler beruhigen konnte. Die erfahrenen Spieler haben sich am Anfang beklagt, dass er mit ihnen wie mit kleinen Kindern umgeht. Auch bei Bayern hat man bei den Routiniers wie Buck oder Schweinsteiger eine gewisse Skepsis gespürt. Anders als bei Bayern sind wir mit Utrecht aber schlecht in die Saison gestartet, weshalb es brenzlig wurde. Als ten Hag Jahre später schon bei Ajax war, haben wir uns darüber unterhalten. Im Herbst gewannen wir ein Spiel gegen Zwolle dank eines Elfmetertores von Sebastien Haller in der Nachspielzeit mit 2:1. Das war der Wendepunkt. Er meinte: "Wenn wir das Spiel nicht gewonnen hätten, hätten sich die erfahrenen Spieler möglicherweise gegen mich gestellt und ich hätte entlassen werden können."

Sie haben insgesamt viereinhalb Jahre mit ten Hag zusammengearbeitet. Inwiefern hat er sich in dieser Zeit verändert?

Strieder: Das Training ist gleich geblieben, aber er ist viel lockerer und zwischenmenschlich zugänglicher geworden, hat mehr Späße gemacht. Bei Bayern konnte man mit ihm nur über Fußball reden, eher weniger über Privates. Bei Utrecht war dem nicht mehr so.

Haben Sie noch Kontakt mit ihm?

Strieder: Ja, wir schreiben uns bei Titeln oder Wechseln, aber auch einfach so zwischendurch. Neulich habe ich ihn gefragt, ob er mir mit seinen Verbindungen bei der Vereinssuche helfen kann. Bei meinem Wechsel von Utrecht zu Zwolle hat er mich bei deren damaligem Trainer empfohlen.

Ihr ehemaliger Mitspieler bei Utrecht Sebastien Haller ist diesen Sommer zu Borussia Dortmund gewechselt. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Strieder: Man hat schon beim ersten Training gesehen: Der hat einen Körper wie ein Bulle und kann trotzdem mit dem Ball umgehen. Beeindruckt hat mich bei ihm aber vor allem, dass er ein intelligenter Fußballer ist. Er hat sich einen ganz klaren Entwicklungsplan gemacht, viel extra trainiert und genau auf seine Ernährung geachtet. Abseits des Platzes war er ein ruhiger Typ, keine Spaßkanone. In der Kabine war er für die Musik zuständig. Da lief immer französischer und amerikanischer Rap.

Mit Utrecht und Zwolle haben Sie es bei Spielen gegen Ajax mit den Neuzugängen des FC Bayern Matthijs de Ligt, Ryan Gravenberch und Noussair Mazraoui zu tun bekommen. Wie haben Sie die drei erlebt?

Strieder: De Ligt war schon in jungen Jahren ein richtiger Schrank. Er hat die Mannschaft von hinten lautstark organisiert und aufgeräumt. Mazraoui ist ein rechter Verteidiger, der wie ein rechter Flügelspieler agiert. Er ist technisch perfekt ausgebildet, mit dem Ball super gefährlich. Er kommt oft über außen, lässt sich aber auch gerne ins Mittelfeld neben die Sechser fallen. Im Defensivverhalten hat er aber ein paar Schwierigkeiten. Gravenberch ist ein richtiger Straßenfußballer. Er ist zwar riesig, kann sich aber trotzdem überall durchschlängeln. In den letzten zwei Jahren hat er das Spiel bei Ajax immer mehr an sich gezogen. Auch ältere Spieler wie Blind haben ihn auf dem Platz gesucht.