Julian Nagelsmann sitzt beim FC Bayern trotz einer Ergebniskrise fest im Sattel und dennoch geistert in den Medien seit Tagen der Name von Thomas Tuchel als möglicher Nachfolger, sollten in München alle Stricke reißen. Tuchel ist beim FC Bayern kein Unbekannter und war schon mehrmals ein Thema an der Säbener Straße. Doch würde er überhaupt wollen? Und würde er zum FC Bayern passen? SPOX und GOAL beantworten die wichtigsten Fragen.
Thomas Tuchel beim FC Bayern: Warum wird spekuliert?
Das hat zwei Gründe: Der FC Bayern ist nach einem sehr vielversprechenden Start in die Saison mit ein paar eindrucksvollen Siegen bei RB Leipzig (5:3), bei Eintracht Frankfurt (6:1) und beim VfL Bochum (7:0) zuletzt in eine Ergebniskrise geraten. Der FC Bayern wartet seit vier Bundesliga-Spielen auf einen Sieg. Für die Münchner ist das die längste Sieglosserie seit über 20 Jahren, was das Abrutschen auf Platz fünf zu Folge hatte.
So wie bei jedem Topklub mit unumstößlichen Titelambitionen sorgt der Umstand auch beim FC Bayern für eine schlechte Stimmung. "Wir sind alle unzufrieden und übel gelaunt", sagte Oliver Kahn am Sonntag beim offiziellen Oktoberfest-Besuch des FC Bayern. Und auch die Münchener sind nicht von den üblichen Mechanismen gefeit, dass man über den Trainer spekuliert, auch wenn es von Vereinsseite überhaupt keine Signale gibt, dass Julian Nagelsmann in irgendeiner Weise zur Diskussion steht.
Als Thomas Tuchel ausgerechnet in dieser Phase seinen Job beim FC Chelsea verlor, begannen die Spekulationen in den sozialen Medien noch am selben Tag, obwohl die Ergebniskrise beim FC Bayern noch nicht dieses Ausmaß gewonnen hatte. Vier sieglose Spiele später ist Tuchels Arbeitslosigkeit ein willkommenes Geschenk.
"Ich bin mir sicher, dass der Name, wenn es nicht schon passiert ist, in den nächsten zwei Wochen mal auf den Tisch kommt", sagte Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann zuletzt bei Sky90 über Tuchel. Aussagen, die die Spekulationen verstärken. Immerhin gibt es vom FC Bayern ein klares Statement. "Wir beschäftigen uns jetzt nicht mit irgendwelchen anderen Trainern. Wir sind von Julian total überzeugt", erklärte Vorstandsvorsitzender Kahn. Aber auch der Ex-Profi weiß, dass nur die Ergebnisse Ruhe einkehren lassen werden.
FC Bayern: Der Spielplan der nächsten Wochen
Datum | Uhrzeit | Gegner | Ort | Wettbewerb |
30.09. | 20.30 Uhr | Bayer Leverkusen | H | Bundesliga |
04.10. | 18.45 Uhr | Viktoria Pilsen | H | Champions League |
08.10. | 18.30 Uhr | Borussia Dortmund | A | Bundesliga |
12.10. | 21 Uhr | Viktoria Pilsen | A | Champions League |
16.10. | 15.30 Uhr | SC Freiburg | H | Bundesliga |
Thomas Tuchel: War er schon mal Thema beim FC Bayern?
Ja, es gab sogar mindestens einen bestätigten Kontakt. Allerdings noch nicht 2016, als der FC Bayern einen Nachfolger für Pep Guardiola gesucht hatte. Damals fiel medial auch der Name von Thomas Tuchel. Spannend war ein Interview des damaligen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge in der FAZ.
Der Bayern-Boss holte damals aus: "Es gibt in der Bundesliga nicht viele Spieler, die dem FC Bayern noch zusätzliche Qualität geben können. Bei Trainern sehe ich das mittlerweile wieder anders. Ich finde Thomas Tuchel spannend, ohne dass das jetzt heißt, dass er der nächste Bayern-Trainer wird. Aber ich finde seine Entwicklung, seine Fußballphilosophie sehr gut, und es überrascht mich nicht, dass Borussia Dortmund mit ihm eine Wende geschafft hat. Oder auch Julian Nagelsmann in Hoffenheim - es gibt jetzt ein paar junge Trainer in Deutschland, die etwas von der Spielidee Pep Guardiolas haben: Weg vom alten Eisen, vom Medizinball, hin zu einer moderneren Trainingslehre. Diese jungen neuen Trainer kommen aus einer Generation, die ich sehr interessant finde."
Rummenigge galt schon immer als Tuchel-Befürworter - deutlich mehr als Uli Hoeneß. Eine Rollenverteilung, die auch im September 2017 wieder spannend wurde. Damals entließ der FC Bayern Carlo Ancelotti und begab sich auf die Suche nach einem Nachfolger. Man entschied sich damals auf Geheiß von Hoeneß für Jupp Heynckes, der eigentlich schon seine aktive Trainer-Laufbahn beendet hatte. Für Heynckes war aber klar, dass er den Job nur bis Saisonende machen wird, während vor allem Hoeneß auf ein längeres Engagement hoffte und drängte.
Daher zögerten die Münchener Bosse, andere geeignete Kandidaten ernsthaft in Erwägung zu ziehen, weil man offenbar davon überzeugt war, dass Heynckes noch umzustimmen ist. Aber als Heynckes absagte, stand in Thomas Tuchel die von Rummenigge favorisierte Option nicht mehr zu Verfügung, weil dieser sich mit Paris Saint-Germain auf einen Job ab Sommer 2018 einigte. "Zu Bayern gab es nur lose Kontakte, nicht mehr", sagte Tuchel damals in der L'Équipe: "Ihr Vorstoß kam zu spät, ich hatte mich bereits für PSG entschieden."
Dabei machte sich Heynckes höchstpersönlich stark für Tuchel als seinen Nachfolger. In einem Interview mit Sport-Bild sagte er im März 2018: "Ich denke, dass Thomas Tuchel die Qualität hat, auch einen FC Bayern zu trainieren." Am Ende wurde Niko Kovac neuer Bayern-Trainer, doch als der Kroate im November 2019 gehen musste, wurde Tuchel wieder zum Thema. Aber Tuchel wiegelte ab: "Ich bin nicht interessiert, weil ich Trainer von Paris Saint-Germain bin. Ich habe einen Vertrag und denke nicht an einen anderen Klub", sagte Tuchel damals. Es kam dann Hansi Flick nach München und traf auf Tuchel im Champions-League-Finale, das der FC Bayern mit 1:0 gewann.
Thomas Tuchel: Würde er zum FC Bayern passen?
Thomas Tuchel ist ein Trainer von Weltklasseformat, von daher wäre der Deutsche ein Kaliber für die Beletage des europäischen Fußballs und dazu gehört auch der FC Bayern. Als Tuchel 2018 im Gespräch als Ancelotti-Nachfolger war, gab es Spekulationen darüber, dass die Mannschaft damals keine große Lust auf Tuchel habe. Die oft thematisierte Problematik um Tuchels zwischenmenschliche Vorgehensweise schien damals auch in der Kabine des FC Bayern angekommen zu sein.
Beim BVB wurde Tuchel für sein Fachgewissen sehr geschätzt, aber es wurden insbesondere nach seinem Weggang keine Gelegenheiten ausgelassen, über Tuchels schwierige Art zu lästern. Beim FC Bayern, wo Ancelotti scheiterte, weil er mindestens fünf Topspieler gegen sich aufbrachte (und das als vielleicht bester Menschenfänger in der Trainer-Welt!), wäre Tuchel zum Dauerthema geworden. Rummenigge dachte damals nicht so, Hoeneß wohl dagegen schon und so kam es nicht zum ernsthaften Gespräch.
Aber Tuchel hat sich verändert. Beim vielleicht schwierigsten Kader der Welt hat sich Tuchel sehr beliebt gemacht: bei PSG. Er wurde von seinen Spielern nicht nur für sein Fachgewissen, sondern auch für seine Art und Weise der Kommunikation gelobt. Neymar lud Tuchel auf seine Partys ein, die Tuchels dankend annahm, er hatte Kylian Mbappé auf seiner Seite, er nahm die Ersatzspieler mit. Auch beim FC Chelsea sind keine Probleme mit der Mannschaft bekanntgeworden. Stattdessen gab es emotionale Verabschiedungen von dem Trainer, der die Champions League mit ihnen gewann.
Nimmt man auch den letzten Aspekt mit in die Rechnung, ist die Frage recht klar zu beantworten: Thomas Tuchel würde definitiv zum FC Bayern passen. Und es wäre auch eine Adresse, die sicherlich für Tuchel nicht uninteressant wäre. Ein Kader, der viele Optionen bietet, ein Umfeld, das auf Erfolg gestimmt ist und Chefs, die wissen, dass in der Startaufstellungen elf Spieler stehen.
Thomas Tuchel: Wie sehen seine Optionen aus?
Es ist zu hören, dass Thomas Tuchel nach seinem völlig überraschenden Aus beim FC Chelsea nicht allzu lange warten und bei einer guten Gelegenheit wieder ins Geschäft einsteigen will.
Für jeden europäischen Top-Trainer, der in eine Krise gerät, wird Tuchel also zu einem gefährlichen Schattenmann, weil jeder Top-Klub nun Tuchel als mögliche Option im Hinterkopf hat, wenn die sportlichen Ergebnisse nicht stimmen. Das könnte die eine oder andere Entscheidung sogar beschleunigen, um einen lukrativen Mann nicht an die Konkurrenz zu verlieren.
Juventus Turin könnte so ein Fall sein, wo Massimiliano Allegri heftig in der Kritik steht und zuletzt gar unter Polizeischutz das Stadion verlassen musste. Italienische Medien berichten übereinstimmend, dass Tuchel auf einer Liste mit möglichen Allegri-Nachfolgern stehen soll. Aber diese Spekulationen wird man - wie nun auch beim FC Bayern - zu Genüge hören und lesen.
gettyFest steht nur, dass sich Tuchel nach seinem Aus bei Chelsea keine Gedanken um seine Zukunft und um einen lukrativen Job machen muss, denn Tuchel bewies sich bei den Blues als hervorragender Krisenmanager und als Trainer, der die Champions League gewinnen kann.
In England hat er einen sehr guten Ruf und könnte jeden freien Job bekommen, in Deutschland sowieso - in Spanien wird sich wohl so schnell keine lukrative Option ergeben, die für Tuchel interessant sein könnte. PSG hat er schon durchgespielt.