In der Pflicht

Die Mannschaft des FC Schalke 04 in der Saison 2015/2016
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Vor dem Start der 53. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der FC Schalke 04.

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Der FC Schalke 04 qualifizierte sich in der Vorsaison für einen internationalen Wettbewerb und stand in der Tabelle erstmals nach vier Jahren wieder vor Erzrivale Borussia Dortmund. Die Stimmung war dennoch im Keller, fast wie bei einem Absteiger.

Ein sportlicher Schlingerkurs mit zwei verschlissenen Trainern, Eskapaden diverser Spieler, ohne Gegenwehr verlorene Partien - die Knappen hatten ihre Anhänger zusehends verloren, das Image des Malocherklubs nahm schweren Schaden.

Letztlich überlebte nur Trainer Roberto Di Matteo die Katastrophensaison nicht. Die Stühle von Manager Horst Heldt und des omnipräsenten Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies wackelten gehörig, doch man einigte sich auf einen letzten gemeinsamen Schuss.

Dieser wird vom neuen Übungsleiter Andre Breitenreiter personifiziert, der trotz der schwierigen Lage auf Anhieb eine Aufbruchsstimmung beim so emotional aufgeladenen S04 erzeugte. Seine Mission wird aber keine leichte sein: Mannschaft und Klub stehen bei den Fans in der Pflicht. Und auch wenn es keiner aussprechen mag: Die Teilnahme an Europa sollte ebenfalls wieder drin sein.

Das ist neu:

Neben dem Austausch des Trainerteams haben die Knappen über 30 Millionen Euro für fünf Neuzugänge ausgegeben.

Dazu zählt auch der zuvor ausgeliehene Innenverteidiger Matija Nastasic, den man für fast zehn Millionen Euro fest von Manchester City verpflichtete.

Für den Abwehrverbund kamen die beiden Rechtsverteidiger Sascha Riether (ablösefrei aus Freiburg) und Junior Caicara (Ludogorets Razgrad). Hier soll vor allem der Ausfall von Atsuto Uchida aufgefangen werden, der nach Problemen mit der Patellasehne die Reha in Gelsenkirchen demnächst aufnehmen wird. Für den Start hat Brasilianer Caicara die Nase vorne.

Die beiden Königstransfers kommen aus der Bundesliga: Bei Franco Di Santo (Bremen), im Vorjahr mit 13 Toren in 26 Bundesligaspielen, zog man eine günstige Ausstiegsklausel. Der Argentinier stieß zum zweiten Trainingslager zur Mannschaft und soll im favorisierten 4-4-2 an der Seite des bisherigen Alleinunterhalters Klaas-Jan Huntelaar für Gefahr sorgen.

Eine Schlüsselrolle im neuen Schalker System fällt Sechser Johannes Geis (Mainz) zu. Der 21-Jährige wird wie schon beim FSV im Stile eines Quarterbacks Dreh- und Angelpunkt der Spieleröffnung werden und gefährliche Standardsituationen treten.

Nicht unerwähnt bleiben sollte die Rückkehr des zum Saisonende aussortierten Sidney Sam. Der gefühlte Neuzugang erlebte ein Horrorjahr, ist mittlerweile wieder fit und könnte im Idealfall eine überraschende Verstärkung darstellen.

Für das neue und alte Personal wurde zudem ein Verhaltensknigge eingeführt, der unter anderem vorschreibt, dass die Neuzugänge rund um Gelsenkirchen und nicht etwa im Rheinland wohnen sollen. Mit diesen Maßnahmen will Schalke Identifikation stiften, denn neben den Verantwortlichen hat im Vorjahr besonders das kickende Personal sein Fett für zu viel Egozentrik wegbekommen.

Die Taktik:

Das einfachste Mittel, um die Anhänger wieder hinter sich zu bringen, bleibt aber die Arbeit auf dem Platz. Breitenreiter hat in der Vorbereitung enorm hohe Umfänge trainieren lassen, die harten Einheiten aber auch mit Spaßelementen wie beispielsweise einem Fußballtennis-Wettbewerb garniert. Ihm ist es bislang gut gelungen, die in sich zerfallene Mannschaft wieder aufzufangen und ihr einen neuen Teamgeist einzuhauchen.

Der ehemalige Paderborner muss auf konditionsstarke Spieler setzen, wenn er seinen Spielstil umgesetzt sehen möchte. Breitenreiter fordert ein laufintensives (Umschalt-)Spiel mit hohem Pressing und der nötigen Power, um auch bei defensiven Ballgewinnen das Spielfeld schnell in Richtung Offensive überbrücken zu können.

Dem Coach schweben dafür mehrere Systeme vor: Ein flaches 4-4-2 mit zwei Stürmern (Di Santo, Huntelaar) sowie das 4-2-3-1 mit einem klassischen Zehner im zentralen Mittelfeld (Max Meyer, Julian Draxler) sind möglich, er testete aber genauso ein 4-1-4-1.

Zum Start dürfte es auf das 4-4-2 mit der flachen Vier im Mittelfeld hinauslaufen. Allerdings muss sich erst noch zeigen, inwieweit die beiden doch recht ähnlichen Stürmertypen Di Santo und Huntelaar wirklich zusammenpassen.

Schalke soll auf Sicht gesehen taktisch flexibel werden, auch bei Ballbesitz kreative Lösungen im Kombinationsspiel anbieten können. Beim überzeugenden Pokalauftritt in Duisburg wechselte Breitenreiter nach einer guten Stunde zwischen den Systemen (von 4-4-2 auf 4-2-3-1).

Unter dem Strich soll diese Art von aufopferungsvollem Offensivfußball das größte Faustpfand werden, um den neuen Schalker Stil nach außen zu begründen. Zwar können in der Kürze der Zeit noch nicht alle Automatismen verinnerlicht sein, doch alleine die deutliche Abkehr vom Sicherheitsfußball unter Di Matteo sorgt für eine gewollte Belebung des Umfelds.

Der Spieler im Fokus:

Julian Draxler. Der Schalker Junge plagte sich in den Vorjahren immer wieder mit Verletzungen herum und kam daher selten dazu, die auf ihn projizierten Erwartungen auch nur annähernd zu erfüllen.

Nun konnte Draxler die gesamte Vorbereitung durchziehen - doch währenddessen geriet er aufgrund des starken Interesses von Juventus Turin wieder in die Schlagzeilen. Die Italiener wollen ihr Werben noch nicht aufgeben, Draxler hat sich ein Schweigegelübde auferlegt, Ende offen.

Bleibt Draxler auf Schalke, sind nicht nur aufgrund der bevorstehenden EM in Frankreich die Augen auf ihn gerichtet. Der 21-Jährige ist bei einigen Anhängern in Ungnade gefallen und muss konstant liefern, um auch seinen eigenen Ansprüchen wieder gerecht zu werden.

Der Konkurrenzkampf im Schalker Mittelfeld ist zwar groß, doch Breitenreiter hält große Stücke auf den Nationalspieler. Die Voraussetzungen, sportlich wieder zu überzeugen, sind so gut wie lange nicht mehr - vor allem auf Schalke.

Julian Draxlers Statistiken der Saison 2014/15

Das Interview:

SPOX: Seit Breitenreiters Ankunft herrscht eine gewisse Aufbruchstimmung auf Schalke, eine neue Art von Fußball soll vor allem verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Die bisherigen Trainingseinheiten wurden von den Spielern teils als brutal hart bezeichnet.

Volkan Bulut: Unsere Herangehensweise kann eben nur dann verwirklicht werden, wenn alle Spieler sehr konditionsstark sind. Wir brauchen extreme Fitness, aber auch das Spielverständnis zu wissen, wann gepresst wird und wann es doch besser ist, sich fallen zu lassen, in der Ordnung zu stehen und den Gegner kommen zu lassen. Hinzu kommen der Wille und die Gier, der Kugel nach Ballverlust so hinterher zu jagen, dass man sie auch wirklich zurückgewinnen kann. Wir haben aber auch eine klare Vorstellung davon, wie man bei eigenem Ballbesitz agiert. Wir wollen die Kugel nicht wild nach vorne kloppen und dann darauf reagieren, sondern eine variable spielerische Linie finden, wie wir den Ball ins vordere Drittel bringen und Torabschlüsse kreieren.

Schalkes Co-Trainer Volkan Bulut exklusiv: "Ab dann wurden die Burger verspeist"

Die Prognose:

Erstmals seit Jahren haben die Knappen kein offizielles Saisonziel ausgegeben, auch Tönnies hält sich mit gewagten Prognosen derzeit wohltuend zurück.

Man will vor allem guten Fußball anbieten, um darüber den Zuschauern die verloren gegangene Identifikation mit den Herrschaften in Königsblau zurück zu geben.

Der viel kritisierte Heldt hat seinen Kopf fürs Erste überraschend unproblematisch aus der Schlinge ziehen können und auf dem Papier eine gute Arbeit auf dem Transfermarkt abgeliefert.

Anders als in den Vorjahren sollte diesmal allerdings tunlichst der Saisonstart gelingen. Ansonsten ist es nicht unwahrscheinlich, erneut von einer Negativwelle eingeholt zu werden. Zumal die Doppelbelastung durch die Europa League - für Breitenreiter noch Neuland - einen eng getakteten Terminkalender vorgibt.

Für Finanzen und Renommee ist dazu die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb Pflicht. Schalke hat definitiv das Potential dazu - und wird an den ersten vier Plätzen zumindest kratzen können. Die Champions League springt dabei letztlich aber nicht heraus.

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