Vielleicht war es nur Einbildung, aber es wirkte schon so, als hätte sich Carlos Salcedo sicherheitshalber noch einmal ganz genau umgeschaut, bevor er nach der Siegerehrung im Spielertunnel Lewandowski ansprach. Salcedo prüfte die Gegend und versicherte sich wohl, dass David Abraham nicht in Sichtweite ist - was er zu seinem Glück nicht war. Dann wechselte er ein paar Worte mit Lewandowski und bat ihn um sein Trikot. Bereitwillig händigte er es ihm aus.
Wenn Abraham das gesehen hätte, er wäre wohl mindestens pikiert gewesen - hatte er Lewandowski doch auf dem Rasen der Commerzbank Arena zu seinem Privatgegner auserkoren. Mehrmals waren Abraham und Lewandowski aneinandergeraten: vor dem 0:2 etwa, kurz vor der Halbzeitpause und schließlich noch einmal Mitte der zweiten Halbzeit. Und dann will der Abwehrkollege tatsächlich auch noch das Trikot von ihm? Was bildet der sich ein!
Beim finalen Aufeinandertreffen hatte Abraham Lewandowski mit dem Ellenbogen ins Gesicht geschlagen und war dafür mit der Gelben Karte davongekommen. Lewandowski regte sich auf und die beiden Mannschaften gingen gestenreich und im Rudel aufeinander los. "Das war komplett unnötig, das macht man nicht", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach dem Spiel über die Aktion von Abraham: "Lewy hat sich zurecht aufgeregt."
Robert Lewandowski: Dreierpack und Auswechselung
Trainer Niko Kovac jedenfalls wollte nach dieser Rudelbildung keinen weitere Ärger riskieren und beorderte Lewandowski für Sandro Wagner vom Feld. Daraufhin schlenderte Lewandowski Richtung Seitenauslinie und die Frankfurter Fans begannen zu pfeifen. Lewandowski drehte sich nochmal um und machte eine abfällige Geste in Richtung der zurückgelassenen Rudelbildung und die Fans pfiffen - was kaum für möglich gehalten wurde - noch etwas lauter.
Während er sich schließlich auf die Bank setzte, änderten die Fans ihre Herangehensweise: Sie hörten auf zu pfeifen und begannen stattdessen darüber zu singen, was sie denken, dass Lewandowskis Mutter für einen Beruf ausübt. Wer von den gegnerischen Fans so viel Ablehnung erntet, das ist klar, muss ihnen vorher wehgetan haben.
Und genau das hatte Lewandowski: Frankfurt wehgetan, indem er einen Dreierpack erzielte und das Spiel somit früh zu Gunsten seines FC Bayern entschied. In der 21. Minute entwischte Lewandowski Abraham und köpfelte eine Kimmich-Flanke zum 1:0 ins Tor, in der 26. nutzte er die schwache Strafraumbeherrschung von Keeper Frederik Rönnow bei einem Eckball aus und traf zum 2:0 und in der 54. spielte er Abraham aus und erzielte das 3:0.
Niko Kovacs Gespräche mit Robert Lewandowski
"Es war eine super Antwort von ihm auf egal welche Fragen, Attacken und sonst was", sagte Müller. Einerseits meinte er damit natürlich die Fragen, Attacken und sonst was von Abraham. Andererseits - und das ist viel wichtiger - aber die, die sich um Lewandowskis angebliche Abwanderungsgedanken drehen.
Zur Erinnerung: Im Dezember 2016 hatte Lewandowski seinen Vertrag beim FC Bayern vorzeitig bis 2021 verlängert. Ein knappes Jahr später kamen aber erstmals Gerüchte auf, denen zufolge er eher doch nicht bis 2021 beim FC Bayern bleiben wolle, sondern zum Beispiel nur bis 2018. Real Madrid, das wäre doch was! Lewandowski engagierte jedenfalls Pini Zahavi als seinen neuen Spielerberater und ließ über ihn bald ausrichten, dass er Lust auf eine Veränderung verspüre.
Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge sah das aber ganz anders. Veränderung auf der Stürmerposition? Da hatte Rummenigge gar keine Lust drauf. "Ich nehme gerne Wetten darauf an, dass er im nächsten Jahr beim FC Bayern spielt", sagte er. Stand jetzt gewinnt er diese Wetten.
Die Bayern-Verantwortlichen wissen nämlich ganz genau, dass sie einen anderen Stürmer von der Qualität Lewandowskis kaum bekommen werden. In der Vorbereitung soll Kovac deshalb zweimal länger mit ihm gesprochen, ihm diesen Umstand erklärt und ihn auf die gemeinsame Mission beim FC Bayern eingeschworen haben. Mittlerweile scheint Lewandowski zu akzeptieren, dass ob der klaren Vertragssituation nur sein Arbeitgeber über etwaige Veränderungen entscheidet.
Robert Lewandowskis Leistungsdaten beim FC Bayern (Bundesliga)
Saison | Spiele | Tore | Assists |
2014/15 | 31 | 17 | 7 |
2015/16 | 32 | 30 | 5 |
2016/17 | 33 | 30 | 7 |
2017/18 | 30 | 29 | 2 |
Thomas Müller: "Ich weiß nicht, wie es im Robert aussieht"
"Lewy ist ein Vollprofi", sagte Salihamidzic. "Ich habe mir gewünscht, dass er heute explodiert und genau das hat er gemacht." Beim Testspiel gegen Manchester United saß Lewandowski noch auf der Bank, woraufhin Müller erklärte, dass dieser "niemandem seine Klasse beweisen muss". Nach Lewandowskis Dreierpack gegen Frankfurt sah Müller aber ein: "Ich habe damals gesagt, er muss niemandem seine Klasse beweisen - und heute hat er es doch wieder bewiesen."
Salihamidzic bezeichnete Lewandowski als "einen der, wenn nicht sogar den besten Stürmer der Welt". Und Kovac sagte: "Er ist ein Weltklassestürmer. Das hat er heute wieder bewiesen." Die Bayern-Verantwortlichen wollen aber natürlich, dass er das zum Beispiel auch gegen einen Verein beweist, für den er eigentlich gerne selbst spielen würde. Am besten in einem Champions-League-Halbfinale. Weil Lewandowski das bei der letzten Gelegenheit im Frühling aber nicht getan hatte, wurde er damals hart attackiert.
Ob Gedanken daran noch durch seinen Kopf geistern? Oder welche an den (bisher) gescheiterten Transfer? Oder ob er doch gänzlich unbelastet, voller Elan und Vorfreude in seine fünfte Saison beim FC Bayern geht? Sich gar einfach nur über seinen Dreierpack freut? "Ich weiß nicht, wie es im Robert aussieht", sagte Müller stellvertretend, denn alle anderen wussten das auch nicht. Nachdem Lewandowski nämlich den Trikottausch mit Salcedo in die Wege geleitet hatte, sprach er im Spielertunnel und der Mixed Zone mit gar niemandem mehr. Er will seine Taten als Antworten verstanden wissen.