"Wie ein Messias, der über Wasser läuft", sei Harry Kane laut RB Leipzigs Geschäftsführer Max Eberl in München empfangen worden - und das ist nicht nur seiner Meinung nach unter Umständen gefährlich. Stichwort: übertriebene Erwartungshaltung. Tatsächlich ruhten wohl auf keinem Neuzugang in der Geschichte des FC Bayern größere Hoffnungen als auf dem 100 Millionen Euro teuren Kapitän der englischen Nationalmannschaft.
Thomas Tuchel reichte das aber offensichtlich noch nicht. Also sagte der Trainer bei der Pressekonferenz nach Kanes unglücklichem Debüt sicherheitshalber: "Wir müssen von ihm lernen, nicht er von uns." Nun soll Kane also nicht nur Robert-Lewandowski-artig Torjäger sein, sondern seinen neuen Kollegen nebenbei gleich noch ein bisschen Fußball beibringen.
Für das erste Bundesligaspiel am Freitag gegen Werder Bremen gab ihm Tuchel kurzerhand eine Startelf-Garantie, und überhaupt: "Er spielt jedes Spiel." Mit dieser Aussage lud der Trainer einerseits ziemlich unnötig noch mehr Druck auf Kane - wer weiß schon, wie schnell dessen Anpassung an die neue Mannschaft und Stadt funktioniert? Gleichzeitig dürfte Tuchel damit Rivalen wie beispielsweise Mathys Tel verwundert haben. Selbstverständlich muss sich Tel weit hinter Kane anstellen, aber in einem normalen Konkurrenzkampf sollte es keine langfristigen Startelf-Garantien geben.
FCB-Noten: Kater schon während der Party - auch Kane von der Rolle
FC Bayern: Thomas Tuchel gibt sich einmal mehr ratlos
Während sich Tuchel zu dieser Thematik unnötig klar äußerte, zeigte er sich bei Fragen nach der generell desolaten Leistung seiner Mannschaft erschütternd ratlos. "Unerklärlich" und "erschreckend" sei der Auftritt gewesen. Mit diesen unnötig drastischen Worten machte er den traurigen Abend, der eigentlich zur großen Kane-Show hätte werden sollen, nur noch schlimmer.
So früh in der Saison bereits diese rhetorische Stufe zu erklimmen ist mindestens fragwürdig: Was soll da nach wirklich wichtigen Spielen noch kommen? Auf ähnliche Art und Weise hatte Tuchel Ende der vergangenen Saison bereits verheerende Niederlagen gegen den FSV Mainz 05 und abermals Leipzig analysiert beziehungsweise nicht analysiert. Irgendwann nutzt sich diese offen und ehrlich zur Schau gestellte Ratlosigkeit ab.
Inhaltlich zog damals immerhin noch die Ausrede, dass es sich nicht um seine Mannschaft handelt. Tuchel übernahm bekanntlich erst tief in der Rückrunde von Julian Nagelsmann. Nun hatte er eine komplette Vorbereitung Zeit, der Mannschaft ausführlich seine Ideen zu vermitteln. Das Resultat? Tuchel: "Es fühlt sich an, als hätten wir vier Wochen gar nichts gemacht. Als hätten wir uns gerade erst getroffen und so weitergemacht."
Obwohl in der Vorbereitung durchaus Fortschritte zu beobachten waren, traten beim Supercup viele aus der vergangenen Saison leidig bekannte Probleme auf: Schnitzer in der Abwehr, fehlende Ordnung im Mittelfeld, Chancenwucher im Angriff. Zu Recht kritisiert Tuchel dafür seine Spieler, die schon unter Nagelsmann reihenweise nicht funktioniert haben.
Mittlerweile wächst aber auch der Druck auf Tuchel, mittlerweile muss er sich in verschiedener Hinsicht selbst hinterfragen. Stichhaltige Analysen sowie die Hoffnung auf Besserung lässt er vermissen, einzelne Aussagen wirken unbedacht, eine entscheidende Weiterentwicklung der Mannschaft ist nicht zu erkennen und außerdem verwundern diverse Personalentscheidungen.
FC Bayern: Tuchels fragwürdige Personalentscheidungen
Warum ließ er in der Vorbereitung beispielsweise keine Viererkette einspielen? Im Vergleich zur Generalprobe gegen die AS Monaco stellte er auf drei von vier Positionen um, nachdem er schon bei den Testspielen zuvor munter gewechselt hatte. "Für einen Verteidiger ist es immer schön, wenn man eine gute Connection hat mit den anderen", übte Matthijs de Ligt diesbezüglich leise Kritik. "Es ist natürlich einfacher, wenn man immer zusammen spielt."
Fragwürdig war unabhängig davon auch die Startelf-Nominierung von Benjamin Pavard: Er will den Klub verlassen, Manchester United hatte in den vergangenen Tagen Interesse angemeldet. Nach einer beachtlich schwachen Halbzeit musste Pavard für Noussair Mazraoui weichen. Der verschuldete zwar den Elfmeter, hinterließ ansonsten aber einen deutlich engagierteren Eindruck. Und warum saß Kingsley Coman zunächst draußen? Gegen Monaco hatte er noch zu den besten Offensivspielern gezählt.
Ein großes Problemfeld bleibt die Doppelsechs, die in der Rückwärtsbewegung einmal mehr riesige Löcher offenbarte. In der ersten Halbzeit agierten dort wie fast immer in der Vorbereitung Joshua Kimmich und Konrad Laimer - wobei der Neuzugang anders als in den Testspielen diesmal nicht den klar absichernden Sechser gab. Zur Pause nahm Tuchel Laimer aus dem Spiel, wodurch Kimmich als alleinige Sechs noch verlorener war.
Es wirkte fast, als wolle Tuchel mit dieser Maßnahme seinem schon mehrfach geäußerten Wunsch nach einem neuen Sechser weiteren Nachdruck verleihen.
Supercup 2023: Die vergangenen zehn Finals
Jahr | Heim | Gast | Ergebnis |
2022 | RB Leipzig | FC Bayern München | 3:5 |
2021 | Borussia Dortmund | FC Bayern München | 1:3 |
2020 | FC Bayern München | Borussia Dortmund | 3:2 |
2019 | Borussia Dortmund | FC Bayern München | 2:0 |
2018 | Eintracht Frankfurt | FC Bayern München | 0:5 |
2017 | Borussia Dortmund | FC Bayern München | 4:5 n.E. |
2016 | Borussia Dortmund | FC Bayern München | 0:2 |
2015 | VfL Wolfsburg | FC Bayern München | 5:4 n.E. |
2014 | Borussia Dortmund | FC Bayern München | 2:0 |
2013 | Borussia Dortmund | FC Bayern München | 4:2 |