Zlatan Ibrahimovic musste sich nicht viel einfallen lassen, um die Fans des FC Barcelona im Sturm zu erobern. Der obligatorische Knutscher aufs Emblem und ein paar auswendig gelernte Worte auf Catalan genügten dem 27-Jährigen, um auf seiner pompösen Vorstellung Ende Juli 60.000 Anhänger in Ekstase zu versetzen.
Nun ist ein Wappen-Küsschen noch längst kein Liebesbekenntnis für die Ewigkeit. Christian Vieri hat viel geküsst in seiner Karriere, den Empfänger aber wenig später regelmäßig sitzen lassen.
Rekord für Barca
Auch Ibrahimovic ist nicht gerade für seine Treue bekannt. Nach drei Jahren verließ er Ajax Amsterdam, nach zwei Juventus Turin und nach weiteren drei Inter Mailand. Selten hat sich der Schwede mit bosnisch-kroatischen Wurzeln ernsthaft bemüht, ein inniges Verhältnis zu seinem jeweiligen Arbeitgeber aufzubauen.
Mit Barcelona hat er seinen Hafen gefunden - so scheint es zumindest. Sein erstes öffentliches Statement als Spieler des FC Barcelona ("Ich bin der glücklichste Mensch der Welt") wiederholt Ibrahimovic bei jeder Gelegenheit und verändert es nur in Nuancen.
Fünf Tore hat Ibrakadabra in den ersten fünf Ligaspielen für den Champions-League-Sieger erzielt, in jeder Partie eins. 1950/51 gab es einen Spieler namens Cesar, dem gleiches gelang, allerdings nicht in seiner ersten Saison für Barca.
Lob vom Chef-Kritiker
Vier Mal erzielte Zlatan Ibrahimovic das 1:0. "Tore für Barca zu schießen, ist keine große Kunst. Wer Vorlagen von Iniesta, Messi und Xavi bekommt, wird schon irgendwann treffen. Aber wer regelmäßig den Führungstreffer erzielt, muss eine gewisse Qualität haben. Das können nur die besten Stürmer", sagt Johan Cruyff, Barca-Legende und Chefkritiker der Azulgrana.
50 Millionen Euro ließ sich Barcelona den Schweden im Sommer kosten, Samuel Eto'o verabschiedete sich als Gratis-Zugabe zu Inter. Der Kameruner hat in fünf Jahren viele Tore für Barca geschossen und fast ebenso viele Titel geholt. Mittlerweile weinen sie Eto'o in Barcelona aber keine Träne mehr nach. "Sammy, Sammy, who the f*** is Sammy?" ist ein Gassenhauer in der katalanischen Hafenstadt geworden.
Ibra is god, Ibra is king. An der Ecke Diagonal/Paseo de Gracia im Zentrum von Barcelona steht das Hochhaus einer Großbank, dessen Fassade - Finanzkrise hin oder her - zum x-ten Mal in den letzten Jahren restauriert wird und von einem überdimensionalen Ibrahimovic in Jubelpose verdeckt wird. Der neue Star hängt über den Dächern der Stadt.
Barca noch nicht dominant
Die Zeitung "El Mundo Deportivo" hält Ibrahimovic für den "Erlöser" und auch Pep Guardiola ist voll des Lobes.
"Ibrahimovic hilft uns in vielen kniffligen Situationen. Er ist in der Luft kaum zu bezwingen. Diese Qualität hatten wir bislang nicht. Ich bin überaus dankbar und glücklich, dass er bei uns spielt", sagte der Trainer nach dem 2:0-Sieg in Malaga, wo Ibrahimovic eigentlich für das Champions-League-Spiel gegen Dynamo Kiew geschont werden sollte, nach 29 Minuten aber den verletzten Thierry Henry ersetzen musste.
Sieht man vom 5:2 gegen Atletico Madrid und der ersten Halbzeit in Santander (4:1) ab, ist das Spiel des spanischen Meisters noch lange nicht so elegant wie in der letzten Saison. "Wir treten nicht dominant genug auf", sagt Kapitän Carles Puyol.
Wenig internationaler Glanz
Umso mehr beeindruckt Zlatan Ibrahimovic' Serie. Er ist voll integriert im Team und das Verständnis mit seinen Mitspielern klappt immer besser.
"Mit Ibrahimovic hat Barca mehr Möglichkeiten. Er reagiert ähnlich schnell auf Pässe aus dem Mittelfeld in die Tiefe wie Eto'o und hat enorme Vollstreckerqualitäten. Wenn das schnelle Passspiel nicht funktioniert, kann man den Ball einfach in die Mitte schlagen und Ibrahimovic macht dann das Tor mit dem Kopf", schreibt Santi Nolla, Chefredakteur von "El Mundo Deportivo".
Doch Ibrahimovic muss in Barcelona endlich beweisen, dass er fähig ist, auch in wichtigen internationalen Spielen entscheidende Tore zu schießen. In der Champions League traf er zuletzt im Dezember 2008 gegen Werder Bremen. Immerhin hielt er Schwedens WM-Träume durch sein Last-Second-Tor in Ungarn am Leben.
Ibra: Moggi für Inter!
Die schwierige Beziehung zu seinen Landsleuten ist aber geblieben. Viele Schweden sehen in Ibrahimovic nach wie vor einen arroganten Schnösel, der im Porsche mit 170 km/h durch seine Geburtsstadt Malmö rast. Den Text der Nationalhymne kann er immer noch nicht. Oder er hat schlichtweg keine Lust, mitzusingen. Auf die Frage eines schwedischen Reporters, woher die Kratzer in seinem Gesicht stammen, antwortete er einmal: "Fragen Sie doch mal Ihre Frau!"
Nach einer Kneipen-Tour mit Kollegen aus der Nationalmannschaft wurde er länger suspendiert als andere, weil er es nicht für nötig hielt, sich zu entschuldigen. Mit dem Mund ist Ibrahimovic oft so schnell unterwegs wie mit dem Ball am Fuß.
Als er noch für Inter spielte, kritisierte er die Personalpolitik des Vereins und meinte, dem Verein fehle ein Sportdirektor wie Luciano Moggi, der Drahtzieher des Manipulationsskandals in Italien. Er machte sich lustig über die Technik des Norwegers John Carew: "Was der mit dem Ball kann, kann ich mit der Orange."
Spaß im Rotlichtviertel
Die Fans hassen oder lieben Ibrahimovic für seine Extravaganz auf und außerhalb des Platzes. Sie lieben ihn für sein geniales Tor mit der Hacke gegen Italien bei der EM 2004 oder dafür, dass er sich im Amsterdamer Rotlichtmilieu als Zivilpolizist ausgibt und Freier verhaftet oder Autos anhält.
Aus Barcelona wurden bislang keine Anekdoten von Ibrahimovic überliefert. So lange er trifft, könnte er sich einiges erlauben. Nachteule Ronaldinho hielten die Barca-Fans so lange die Stange, so lange er gegnerische Abwehrreihen zerfetzte. Der Brasilianer steuert mittlerweile in Mailand zielsicher auf ein schlimmes Ende seiner herausragenden Karriere zu.So weit soll es bei Ibrahimovic nicht kommen. Er will lange bleiben, schließlich hat er schon als kleiner Junge vom FC Barcelona geträumt und Embleme geküsst.
Zlatan Ibrahimovic im Steckbrief