Fußball ist Ergebnissport, das steht fest. Nur führt ein und dasselbe Ergebnis oft zu komplett unterschiedlichen Reaktionen. Die Bewertung hängt ganz entscheidend von der Gesamtsituation und dem Gegner ab.
So kam es dann auch, dass am Dienstagabend die Zuschauer in der Mercedes-Benz-Arena nach dem Schlusspfiff begeistert und regelrecht euphorisiert von ihren Sitzen sprangen und ihre Mannschaft zujubelten. Der VfB Stuttgart hatte gerade ein 1:1 gegen den FC Barcelona geholt, die im Moment wahrscheinlich beste Vereinsmannschaft der Welt.
Blanker Hass in Stuttgart
Am 5. Dezember 2009 spielte der VfB Stuttgart ebenfalls 1:1. Auch damals sprang ein Teil der Fans wie wild geworden durch die Arena und drum herum. Enthusiasmus war aber nicht zu spüren, dafür blanker Hass.
Einige Hundert Fans hatten sich vor den Katakomben versammelt und die Spieler bedroht. Der VfB Stuttgart hatte gerade 1:1 gegen den VfL Bochum gespielt, sicher nicht die beste, aber auch nicht die schlechteste Vereinsmannschaft der Welt. Die Situation eskalierte und Trainer Markus Babbel wurde entlassen.
Zweifellos strahlt ein Auftritt in der Champions League gegen Barcelona eine andere Aura aus als ein Bundesligaspiel gegen biedere Bochumer. Aber die Partie gegen Barca zeigt auch, dass sich in den letzten zehn Wochen etwas verändert hat in Stuttgart.
Seitdem Christian Gross auf der Trainerbank sitzt, hat sich der VfB aus dem Tabellenkeller der Bundesliga verabschiedet und ein neues Selbstverständnis entwickelt.
Die Chelsea-Taktik
Der Schweizer kennt keine Angst vor großen Namen, seine Ansprüche sind immer hoch. Gross war davon überzeugt, dass sein Team eine gute Möglichkeit hat, Barca zu schlagen, weil er wusste, mit welcher Taktik er den Katalanen zusetzen kann.
Wie der FC Chelsea im Halbfinale des vergangenen Jahres kamen die Schwaben dem Titelverteidiger mit taktischer Disziplin, hohem Laufaufwand und enormerer Aggressivität bei. Der VfB überrannte die Blaugrana eine Halbzeit dermaßen, dass diese sogar bei ihrer für gewöhnlich sicheren Ballzirkulation Fehler unterliefen und den Stuttgartern so Möglichkeiten zu schnellen Gegenstößen ermöglichten.
Allein die Effizienz im Abschluss fehlte. Mehr als Cacaus Führungstreffer (25.) sprang nicht heraus. Ein fataler Mangel, wie sich hinterher herausstellen sollte.
Jens Lehmann unzufrieden
Das 1:1 sei zwar ein "gutes und ehrenvolles Resultat, aber nicht optimal", meinte Gross. Seinen bedingungslosen Ehrgeiz hat er auch schon auf seine Spieler übertragen. "Mit dem Unentschieden kann man gut leben, aber das kann nicht unser Anspruchsdenken sein. Wenn wir schon im Achtelfinale sind, wollen wir das auch überstehen", sagte Sami Khedira.
Anders als Barca war der VfB zwar mit seinem Auftritt, nicht aber mit dem Resultat zufrieden. "Es ist enttäuschend, weil wir Barcelona hätten schlagen können", sagte Jens Lehmann. Doe Stuttgarter haderten mit der Chancenverwertung in der ersten Halbzeit und mit der mit der Fehlerkette vor dem Ausgleich nach der Pause.
"Das schlechteste Barca des Jahres" ("AS") brauchte einen langen Ball auf den knapp im Abseits stehenden Gerard Pique, der sich dann auch noch zweifelhaft auf Serdar Tasci abstützte, um Zlatan Ibrahimovic in Schussposition zu bringen. "Wenn man gegen Barca ein Tor bekommt, dann sollte es schon herausgespielt sein", sagte Cacau.
"Er muss das Spiel seines Lebens abliefern"
Bei normalem Verlauf kann der Nationalspieler solche Tore im Rückspiel bewundern. Die Partie im Camp Nou wird eine andere werden. Einen Vorgeschmack gab es in der Schlussphase des Hinspiels, als Barca sicherer im Passspiel wurde und die Stuttgarter nicht mehr in die Zweikämpfe kamen.
"Wenn man die Jungs in den letzten 20 Minuten hat kombinieren sehen, dann weiß man, dass es für uns auf dem breiten Platz in Barcelona ganz schön schwierig werden wird", sagte Lehmann, der im Rückspiel in drei Wochen besonders gefordert sein wird. "Ich habe Jens Lehmann gesagt: Er muss das Spiel seines Lebens abliefern", sagte Gross.
Barca ist eine Dampfwalze
Und nicht nur er. Denn trotz des starken Spiels sind die Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale für den VfB minimal. Barca ist zu Hause eine Dampfwalze. Zwar kassierten die Katalanen sowohl in dieser als auch in der letzten Saison im Camp Nou eine Niederlage, aber nur in der Gruppenphase.
Die letzte Mannschaft, die sich in der Europapokal-K.o.-Runde im Rückspiel in Barcelona durchsetzen konnte, war Celtic Glasgow 2004. Die Schotten ermauerten sich ein 0:0. Ein Ergebnis, das den Schwaben nicht helfen würde.
Sportdirektor Horst Heldt hat deshalb schon mal ein simples Rechenbeispiel aufgestellt: "Wir müssen nur 1:0 gewinnen, dann sind wir weiter." Fußball ist eben ein Ergebnissport.
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