Es gibt nicht mehr viele seiner Art. Raul verließ nach 16 Jahren Real Madrid und schwitzt nun unter Felix Magath auf Schalke. Paolo Maldini sagte nach 24 Jahren im Milan-Trikot im vergangenen Jahr "Arrivederci". Alessandro Del Piero geht in seine 17. Juve-Saison, Ryan Giggs gar in seine 21. für ManUtd. Aber beide schnürten in ihrer Jugendzeit auch für andere Vereine ihre Fußballschuhe. Er nicht.
Er ist Francesco Totti. Kapitän des AS Rom, seit 1989 ein Giallorosso. Im August begann für Totti Profisaison Nummer 19 als Roma-Spieler - eine kleine Ewigkeit. Oder um es mit den Worten von "Il Romanista" - einer Tageszeitung, die sich nur mit der Roma beschäftigt - zu sagen: "Alles begann am 28. März 1993, Brescia - Roma 0:2. Seitdem trug er nur dieses Trikot, seine zweite Haut. Er ist immer noch der Bezugspunkt eine ganzen Stadt, eines Volkes, einer Mannschaft."
"Am achten Tag erschuf Gott Totti, unseren Kapitän"
Man muss wissen, dass sich die Römer immer noch als eigenständiges Volk sehen. Roma caput mundi - Rom, Hauptstadt der Welt. Auf sieben Hügeln wurde die ewige Stadt einst erbaut, sieben Könige regierten die Weltmacht des Altertums. Hügel Nummer acht gibt es nicht, den achten König allerdings schon: Francesco Totti.Kein italienischer Spieler wird so sehr verehrt wie Totti. "Am achten Tag erschuf Gott Totti, unseren Kapitän", heißt es in einem Roma-Forum.
Seine Rekorde aufzuzählen, würde zuviel Zeit und Papier in Anspruch nehmen. Keiner hat so viele Spiele für die Roma absolviert (572), keiner so oft für die Giallorossi getroffen (245). Totti hat die meisten Europacup-Spiele und -Tore auf seinem Zettel, seine 32 Derby-Teilnahmen sind ebenfalls Rekord. In den letzten acht Serie-A-Spielzeiten erzielte Totti nie weniger als zwölf Tore. Totti ist "indispensabile". Unersetzbar.
Denn Totti ist Rom. Und Rom ist Totti. Wenn der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellung der Roma verliest, erhebt sich beim Capitano das komplette Stadion. So huldigt Rom seinem letzten Gladiator.
Totti hat sein eigenes Büro in der Roma-Geschäftsstelle
Streift man durch das Klubgelände in Trigoria und kommt so in jenen Bereich der Geschäftsstelle, wo die Klubmanager ihre Büros haben, prangert an der Tür von Büro Nummer 17 Tottis Name. Ja, Totti hat ein eigenes Büro - wohl kein anderer Spieler, der noch aktiv ist, kann das vorweisen. An manchen Tagen empfängt er dort zwischen 20 und 40 Personen.
Totti ist eben kein normaler Profi: Er hat es als Comicfigur in die italienische Ausgabe des "Lustigen Taschenbuchs" geschafft, zusammen mit seiner Frau Ilary hat er zwei Figuren bei den "Simpsons" synchronisiert. Selbst ein eigenes Totti-Sticker-Album gibt es.
Seine selbstironische Seite offenbarte Totti mit der Veröffentlichung mehrerer Bücher mit den besten Witzen über ihn. Die Einnahmen ließ Totti zu 100 Prozent der Stadt Rom und der UNICEF zukommen. Nicht umsonst ist er seit 2003 ehrenamtlicher UNICEF-Botschafter.
"Die fünf besten italienischen Spieler? Totti, Totti, Totti, Totti, Totti"
Dabei sah es in ganz jungen Jahren nicht immer nach einer Bilderbuchkarriere aus. Mit dreizehn wurde Totti aufgrund seiner Größe als Gnom verspottet. "Ich aß und aß und aß, legte aber nicht zu. Deshalb war ich bei vielen Ärzten. Dann bin ich plötzlich gewachsen", erzählte Totti.
Und wie er zu wachsen begann. Bereits mit sechzehneinhalb Jahren debütierte Totti in der Serie A, seitdem schaffte er es Stück für Stück zum größten Spieler der Vereinsgeschichte.
Doch nicht nur bei der Roma setzte Totti Zeichen. Jahrelang profitierte Italiens Nationalteam von seiner Klasse. Der WM-Titel 2006 war die Krönung seiner Azzurri-Karriere. Auf die Frage, wer denn die fünf besten Fußballer Italiens seien, antwortete Ex-Roma-Coach Zdenek Zeman einst: "Totti, Totti, Totti, Totti, Totti." Zeman steht mit dieser Meinung nicht alleine da.
"Ich bin als Römer und Roma-Fan geboren und so werde ich sterben"
Doch Totti sein ist nicht immer leicht. Vor allen Dingen, wenn man sich nicht nur als Fußballprofi, sondern vielmehr als Gralshüter der "romanita" - der römischen Tugenden - sieht.
"Ich bezahle sehr oft den Fakt, Römer zu sein. Ich wollte es nicht glauben, aber es ist so. Viele reden schlecht über mich, hänseln mich meines Akzentes wegen oder wegen meiner Umgangsformen. Vielleicht passt es einigen nicht, dass ein bedeutender Fußballer in Rom spielt. Die Macht des Calcio liegt nicht mehr nur im Norden, aber der Tenor ist immer derselbe: Wir Römer sind verzogen, faul, arrogant und nachtragend", beschwerte sich Totti. Ein König steht eben für sein Volk ein.
Und ein Regent lässt sein Volk nicht im Stich. "Viele sagen, es war ein Fehler, nie den Verein gewechselt zu haben. In Wahrheit habe ich von klein auf davon geträumt, für immer für die Roma zu spielen. Hier habe ich alles, mir geht es gut. Ich habe nicht viele Titel gewonnen, aber eine Entscheidung fürs Leben getroffen. Ich bin als Römer und Roma-Fan geboren und so werde ich sterben. Ich werde diese Mannschaft und meine Stadt niemals verlassen."
Dieses Umfeld verzeiht ihm auch seine Schattenseiten: Die Spuckattacke gegen Christian Poulsen bei der EM 2004 etwa oder den üblen Tritt von hinten gegen Mario Balotelli im Coppa-Italia-Finale 2010. Und selbst seine Lazio-Vergangenheit. Denn bevor er zum Fußball kam, war er zwei Jahre lang beim Erzrivalen im Schwimmverein eingeschrieben.
Alles kein Problem. Denn wie heißt es so schön im Römischen: "Il capitano non si discute - si ama". Über den Kapitän diskutiert man nicht - man liebt ihn.
Francesco Totti im Steckbrief