Bewerbungsschreiben an die Fußball-Welt

Von Für SPOX auf Schalke: Haruka Gruber
Ralf Rangnick bejubelt den 5:2-Erfolg seiner Schalker bei Inter Mailand
© Imago

Vor 32 Jahren erwachte Ralf Rangnicks Liebe für England. Nun könnte er mit einem Erfolg im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegen Manchester United (Di., 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) Begehrlichkeiten in der Premier League wecken - und etwas schaffen, an dem etliche deutsche Trainer zuvor gescheitert sind.

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Damals kam es dem Jüngling nicht in den Sinn, dass seine regelmäßigen Reisen in die Metropole mehr sein könnten als das Zeugnis seiner Passion für den Fußball. Zweimal in der Woche ging er zum Bahnhof von Brighton und stieg in den Schnellzug nach London, um sich aus Freude und Neugierde ein Spiel des FC Arsenal oder Tottenham Hotspur anzusehen.

"Es war einer der schönsten Monate meines Lebens", sagt Ralf Rangnick.

32 Jahre ist es her. Rangnick zog es 1979 aus Stuttgart in den Süden Englands, um als Gaststudent an der Sussex University sein Wissen in Englisch und den Sportwissenschaften zu vertiefen. Er lernte die Sprache fließend zu sprechen und den dortigen Fußball zu lieben.

Rangnick kann sich einen Namen in Europa machen

Eine Romanze, die am Dienstag neu entfacht wird, wenn der von Rangnick trainierte FC Schalke 04 im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals auf Manchester United trifft (Di., 20.15 Uhr im LIVE-TICKER).

Nein, er kenne Sir Alex Ferguson nicht, deswegen sei es schön, den legendären Trainer der Red Devils kennenzulernen, sagte Rangnick. Vor allem das Rückspiel sei besonders, denn in seiner Zeit in England habe er nahezu alle wichtigen Stadien besucht, "das Old Trafford war jedoch nicht dabei".

Für Rangnick geht es jedoch nicht nur um persönliche Sentimentalitäten oder Meriten für Schalke, das vor den zwei wichtigsten Spielen seiner Vereinsgeschichte steht. Mit einem überzeugenden Auftritt, vielleicht sogar mit einem sensationellen Weiterkommen könnte Rangnick seinen Marktwert erheblich steigern, sich in Europa einen Namen machen - und das Interesse aus der Premier League wecken.

Dabei sind seit seinem Einstand bei Schalke erst vier Wochen einschließlich des erstaunlichen Doppelsiegs gegen Inter Mailand vergangen.

Champions League als Türöffner

"Bisher ist Ralf Rangnick in England eher unbekannt. Einige wissen, dass er in Deutschland einen guten Ruf genießt, mehr auch nicht. Durch einen Erfolg über Manchester United würde er aber im Handumdrehen jedem ein Begriff und ein legitimer Kandidat auf eine Trainerstelle in der Premier League sein", sagt Tom Dart, Fußball-Experte der Londoner "Times".

In der Tat: Der europäische Fußball ist reich an Geschichten aufstrebender Trainer, die zwar jahrelang vorbildliche Arbeit leisteten, sich jedoch erst mit dem Erfolg in der Champions League für eine Anstellung in einer ausländischen Top-Liga qualifizierten.

Hector Cuper führte Valencia zweimal ins Finale der Königsklasse und wechselte daraufhin zu Inter Mailand, Didier Deschamps gelang mit Monaco 2004 ebenfalls der Einzug ins Endspiel und ging 2006 zu Juventus Turin, Jose Mourinhos Werdegang nach dem Champions-League-Sieg über jenes Monaco führte ihn von Porto über Chelsea und Inter zu Real Madrid.

Gerüchte um FC Liverpool

Die fehlenden Triumphe der Bundesligisten im wichtigsten internationalen Wettbewerb mögen entsprechend eine Erklärung dafür sein, warum deutsche Trainer in England, Italien und Spanien wenig beachtet werden, während in den 90er Jahren noch Namen wie Jupp Heynckes, Bernd Krauss und Ewald Lienen zumindest in der Primera Division einen guten Klang hatten.

Klaus Toppmöller erreichte mit Leverkusen 2002 zwar das Champions-League-Finale, so recht bemerkt hatte das bei den europäischen Spitzenklubs jedoch kaum jemand. Bei Rangnick könnte es etwas anders laufen. Er spricht exzellentes Englisch und mit seiner Reputation als vorzüglicher Fußball-Lehrer erfüllt er ein nicht zu unterschätzendes Kriterium.

In der Premier League ist die Ermangelung an heimischen Nachwuchs-Trainern mit nötiger Befähigung ein strukturelles Problem, weswegen der Input ausländischer Coaches unabdingbar ist.

Meldungen zu Jahresfrist, wonach der FC Liverpool Rangnicks Verpflichtung zumindest nicht für unausgeschlossen hält und dieser einem Wechsel zugeneigt wäre, erwiesen sich jedoch nur als Gerüchte.

Rangnick-Vorgänger Magath träumt von England

Dass dennoch einige englische Medien Rangnick zumindest als denkbare Lösung für Liverpool aufführten, sollte ihn ehren und zeigen, dass es vielleicht doch möglich ist, als deutscher Trainer in der Premier League eine Anstellung zu finden.

Ausgerechnet sein Vorgänger Felix Magath betonte wiederholt, dass er gerne einen englischen Klub betreuen würde, nach seiner Entlassung auf Schalke und der durchwachsenen Rückkehr nach Wolfsburg verfügt er jedoch nicht über die nötige internationale Kredibilität.

Während Magath mit Wolfsburg um den Klassenerhalt bangt, genießt Rangnick die Vorfreude auf die bevorstehenden Aufgaben gegen Manchester United, bei der Hunderte von Millionen Zuschauer auf der ganzen Welt vor dem Fernseher zugegen sein werden.

Rangnick glaubt an Siegchance

"Manchester United ist natürlich der Favorit, wir wissen das. Vor allem wenn es ins Old Trafford geht, wird es schwer. Sie sind schneller und kraftvoller als Inter - aber auch Inter war schon der Favorit gegen uns", sagt Rangnick kämpferisch.

Dass er beim letzten Bundesliga-Spiel gegen Kaiserslautern (0:1) gleich fünf Stammspieler schonte, ist ein Beweis dessen, dass er durchaus an eine Sensation glaubt. "Wenn ich alle aufgestellt hätte, hätten wir keine Chance gehabt, am Dienstag zu gewinnen."

An einem kurzen Augenblick der Ruhe wird sich Rangnick vielleicht an das letzte Spiel erinnern, das er während des Austauschsjahrs in London besucht hatte. Rangnick war an einem Sommertag 1980 Zeuge im alten Wembley-Stadion, als im FA-Cup-Finale Arsenal dem damaligen Zweitligisten und großen Außenseiter West Ham 0:1 unterlag.

Noch immer gilt dies als eines der wundersamsten Ergebnisse des englischen Fußballs. Vielleicht folgt am Dienstag die nächste Überraschung.

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