Die signifikanten Statistiken des Endspiels im Überblick:
Das Doppel-Sechs-Desaster
Das Champions-League-Finale war das Duell der Extreme: Barcelona gegen ManUnited, die offensivstärkste gegen die defensivstärkste Mannschaft Europas. Und es war ein Duell, das die abgenutzte Weisheit von der titelbringenden Verteidigung widerlegte.
Nachdem United in den zwölf CL-Partien zuvor lediglich vier Gegentore zugelassen hatte, waren es gegen Barca gleich drei. Eine Ursache für die plötzlich poröse Deckung: die Fehlbesetzung des defensiven Mittelfelds.
Statt die Zentrale mit einem dritten Sechser zu stärken, bot Alex Ferguson mit Ryan Giggs und Michael Carrick lediglich zwei Spieler auf, um die Kreise von Xavi und Andres Iniesta zu stören. Ein folgenschwerer Denkfehler, der sich auch statistisch belegen lässt.
Giggs mag zwar spielstark und mit Übersicht gesegnet sein, doch ihm fehlte schlichtweg die Härte in der Balleroberung: Von 25 Zweikämpfen gewann er nur 28 Prozent. Carrick wiederum entschied überraschend gute 80 Prozent der Zweikämpfe für sich, die entscheidende Einschränkung jedoch: Er bestritt in seinen 77 Spielminuten nur klägliche zehn. Und das als Abräumer.
Sprich: Barca gelang es, das Mittelfeld-Spiel immer so zu verlagern, dass der zweikampfschwache Sechser dreimal mehr Zweikämpfe zu bestreiten hatte als der zweikampfstarke Sechser.
Was die Aufgabe für Giggs und Carrick zudem erschwerte: Xavi und Iniesta passten sich derart zügig den Ball zu, dass Eins-gegen-eins-Situationen überhaupt nur selten entstanden. So war es Uniteds Doppel-Sechs nicht einmal möglich, den Barca-Fluss mit Fouls zu stören. Zusammen foulten Giggs (2) und Carrick (1) nur dreimal.
Im Vergleich zum miserablen Spiel gegen den Ball gestalteten sich die Offensivbemühungen der beiden sogar recht manierlich. Giggs und Carrick wiesen mit 80 Prozent erfolgreichen Pässen (je 28 von 35) eine ordentliche Quote auf, zumal sie weitestgehend auf Rückpässe verzichteten. Doch angesichts der spanischen Dominanz geht dieses Detail zu Recht völlig unter.
Barcas Champions-League-Triumph: Mehr als ein Sieg
Eine empirische Ode an Lionel Messi
Auch ohne Tiefenanalyse kann man nicht anders urteilen: Xavi und Iniesta spielten brillant und vor allem effektiv. Doch erst der Blick in die Statistiken zeigt die wahre Güte der beiden: Für Xavi wurden 164 Ballkontakte, 3 Torschüsse, 5 Torschussvorlagen und eine Torvorlage gezählt, außerdem lag seine Fehlpassquote beinahe im Promillebereich: Von 143 Pässen verfehlten nur 5 das Ziel (3,5 Prozent).
Ähnlich bemerkenswert Iniesta: 126 Ballkontakte, 5 Torschüsse, 5 Torschussvorlagen, eine Torvorlage und eine Fehlpassquote von 6 Prozent (7 von 112).
Allesamt Fabelzahlen, doch an einem kamen selbst Xavi und Iniesta nicht heran: Lionel Messi. 121 Ballkontakte und 61 Prozent gewonnene Zweikämpfe sind für sich genommen herausragend, für einen Stürmer jedoch schier überirdisch.
Der 23-Jährige gab 4 Torschüsse ab und bereitete drei weitere vor. Er ging in 18 Dribblings und gestaltete seine Bilanz gegen jeden Defensivspieler (!) ausgeglichen oder positiv. Manchesters Rechtsaußen Antonio Valencia scheiterte sogar bei allen 6 Versuchen, Messi aufzuhalten.
Fast nur eine Randnotiz: Mit seinem 2:1, dem 12. CL-Tor der Saison, egalisierte Messi auch den All-Time-Rekord von Ruud van Nistelrooy, der 2002/2003 ebenfalls zwölf Mal getroffen hatte. Für Manchester United.
BLOGTaktikecke: So hat Barca das Spiel gewonnen
Die Mär vom unermüdlichen Koreaner
Es war eine mutige, im Nachhinein törichte Idee Fergusons, Messi kontrollieren zu wollen: Er gab seinem Linksaußen Ji-Sung Park die Anweisung, so oft wie möglich von der Seite ins Zentrum zu sprinten, um dort den ballführenden Messi zu stören.
Der Grundgedanke ist durchaus nachvollziehbar, immerhin weist der Koreaner eine ähnliche Physiognomie auf und weiß sich im Zweikampf gut zu behaupten. Aber warum wurde er nicht als Messis Sonderbewacher abgestellt, sondern musste gleichzeitig den linken Flügel mitbearbeiten?
Nachdem er anfangs die Zweifach-Aufgabe recht gut ausfüllte und Messi bissig bekämpft hatte (4 Zweikämpfe, 2 gewonnen), war der sonst Unermüdliche nach der Pause sichtlich erschöpft und weniger spritzig, worunter seine sonst so ausgeprägte Bissigkeit litt.
Park wechselte mit Giggs die Position und war fortan im defensiven Mittelfeld verortet, wegen des fehlenden ersten Schritts kam er jedoch nicht mehr in die Zweikämpfe, deutlich sichtbar vor Barcelonas 2:1 (siehe Video). Fatal: In der zweiten Halbzeit bestritt er insgesamt nur einen Zweikampf gegen den Torschützen Messi.
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Pressestimmen: "Gott ist aus dem Himmel herabgestiegen"
Rooney - nicht falsch, sondern faul
Weil Messi zwar nominell im Angriffszentrum aufläuft, sich aber immer wieder fallen lässt, wird er auch als "falscher Mittelstürmer" bezeichnet.
Uniteds Superstar-Äquivalent Wayne Rooney hätte seine Rolle ähnlich interpretieren müssen, um einerseits im Offensivspiel besser eingebunden zu sein, andererseits im Defensivspiel Giggs und Carrick beizustehen.
Gut, Uniteds Offensivspiel fand aufgrund fehlenden Ballbesitzes kaum statt. Kein Vorwurf an Rooney. Doch dass er sich auch kaum am Spiel gegen den Ball beteiligte, war grob fahrlässig.
Mit etwas mehr Hingabe seitens Rooney wäre United im Zentrum womöglich nicht derart dominiert worden. Aber er beließ es bei alibihaftem Zustellen der Passwege zwischen Barcas Mittelfeld und der Abwehr - was ohnehin schon wenig erfolgsversprechend ist, weil Xavi, Iniesta und Busquets den Ball fast immer nach vorne oder zur Seite spielen.
Der Beleg für diese These: Rooney ging lediglich in 21 Zweikämpfe. Ein unbefriedigender, aber kein desolater Wert für einen Stürmer. Aber: Er verweigerte sich ausgerechnet einem Duell mit Barcas Schaltzentrale. Er störte praktisch nie Busquets (nur 4 direkte Zweikämpfe), Xavi (1) und Iniesta (0) beim Aufbau, so dass sich die ohnehin überforderten Carrick und Giggs (später Park) zu zweit der Barca-Wucht gegenübersahen. Ein auswegloses Unterfangen.
FC Barcelona - Manchester United: Daten zum Spiel