Wie die Demokratische Republik Kongo

Florian Bogner
08. Dezember 201117:59
Da half selbst das Nikolaus-Outfit nichts: Manchester City verpasste den Einzug ins CL-AchtelfinaleImago
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Die Champions-League-Gruppenphase lässt ein konsterniertes Manchester und feiernde Zyprer zurück. Olympique Lyon brach mehrere Rekordmarken, andere wie Dortmund, Villarreal, Porto und Co. bekleckerten sich überhaupt nicht mit Ruhm. Trabzonspor wäre beinahe Unmögliches gelungen und Milan schraubt weiter am Bad-Boy-Image. Fehlt eigentlich nur noch ein Achtelfinale wie Nikosia gegen Basel... Das Gruppenfazit.

1. Wer zuletzt lacht...: FC Porto? Europa-League-Sieger 2011. Schachtjor Donezk? UEFA-Cup-Sieger 2009. Zenit St. Petersburg? UEFA-Cup-Sieger 2008. APOEL Nikosia? Klarer Gruppenletzter.

So jedenfalls dachte man nach der Auslosung, schließlich lagen die Zyprer im UEFA-Team-Ranking vor der Saison nur auf Platz 125 im näheren Umfeld von Größen wie Mlada Boleslav oder Pacos de Ferreira. Am Ende war Nikosia aber der lachende Vierte, spielte nicht schön, aber effizient und zog mit nur einer Niederlage im letzten Spiel gegen Donezk (0:2) als Gruppensieger ins Achtelfinale ein.

Das ist in etwa so, wie wenn der 125. der FIFA-Weltrangliste, die Demokratische Republik Kongo, bei der WM die Großen aufmischen würde. Zypern jedenfalls feiert Athlitikos Podosfairikos Omilos Ellinon Lefkosias (so heißt APOEL nämlich ausgeschrieben) als ersten CL-Achtelfinalisten des Landes.

2. Das Manchester-Drama: Was München, Mailand (2x), Madrid, Moskau und Marseille vergönnt war, schaffte Manchester nicht - ein Team im Achtelfinale der Champions League.

Wobei man sagen muss: Manchester Citys Premiere in der Königsklasse verlief allem Hohn zum Trotz schon ein bisschen unglücklich. Mit ihren zehn Punkten wären die Citizens in den Gruppen B und G schließlich Erster gewesen und in jeder anderen außer der United-Gruppe weitergekommen. Die Gruppe A jedoch war hart - zu hart für ManCity.

Letztlich war es das eine Tor von Edinson Cavani in Neapel, das Citys Aus besiegelte. Da konnte sich die Mancini-Truppe gegen den FCB noch so anstrengen. Warum Jens Lehmann den City-Auftritt in diesem Spiel mit einer Freizeitmannschaft verglich, bleibt rätselhaft.

Richtig albern war allerdings, was Stadtrivale Manchester United in einer Gruppe mit Benfica, Basel und irgendwas mit Ozelot ablieferte. Nur zwei Siege gegen die Newbies von Galati waren wenig, ein Remis in Basel hätte trotzdem zum Weiterkommen gereicht.

Sir Alex Fergusons Kaugummi litt im letzten Gruppenspiel in Basel Höllenqualen, seine Spieler dagegen gingen den Zweikämpfen weitestgehend aus dem Weg und verloren verdient. Unterm Strich: Nach drei Finalteilnahmen in den letzten vier Jahren ist United erstmals seit 2005 wieder in der Vorrunde gescheitert. Witzig: Auch damals war Benfica Spielverderber.

3. Die anderen Enttäuschten: Der FC Villarreal versprühte in der "Mega-Hammer-Chuck-Norris-Todes"-Gruppe A ungefähr soviel Glamour wie Gina-Lisa Lohfink bei den Oscars - 2:14 Tore und null Punkte waren richtig mies und stellten unter Beweis, dass das gelbe U-Boot ohne Giuseppe Rossi und Nilmar nur die Hälfte wert ist.

Über Porto lässt sich von der positiven Seite betrachtet sagen, dass der Europa-League-Sieger mit sieben Treffern in sechs Spielen noch die meisten in der Gruppe G erzielte (zusammen mit Zenit) und letztlich nur um ein lausiges Tor an Platz eins vorbeischrammte.

Warum Valencia ausschied, wissen die Spanier selbst nicht so genau - letztlich wohl wegen der Nullnummer in Genk gleich am ersten Spieltag.

Richtig übel mitgespielt wurde dafür Ajax Amsterdam, das am letzten Spieltag zwei blitzsaubere Tore gegen Real erzielte, die Ajax 2:1 in Führung gebracht hätten. Weil Zagreb zeitgleich 1:0 gegen Lyon führte, hätte Amsterdam zu diesem Zeitpunkt virtuell sechs Punkte und neun Tore Vorsprung gehabt. Die Tore wurden Ajax aber wegen angeblichen Abseits' aberkannt - der Rest ist bekannt.

4. Das ewige Duell: Es bleibt dabei - die zwei spanischen Giganten Barcelona und Real setzen auch 2011/12 Maßstäbe und sind Titelfavoriten Nummer eins. Die Königlichen fuhren erstmals sechs Siege in der Gruppenphase ein (19:2 Tore). Ein Kunststück, das zuvor vier anderen Teams (Milan, PSG, Spartak Moskau, Barca) gelang, keins davon holte jedoch am Ende den Titel.

Insgesamt hat Real damit zum 15. Mal in Folge die Gruppenphase überstanden - einsamer Rekord. Barcelona hielt sich dafür Milan recht souverän vom Leib. Lionel Messi trifft weiter, wie er will (6 Tore), und defensiv passte mit null Gegentoren gegen Pilsen und Borissow auch alles.

Im Rückspiel gegen BATE konnte sich Pep Guardiola gar eine Preview auf die CL-Saison 2014/15 erlauben, indem er den weißrussischen Meister von einer Bande halbwüchsiger Cantera-Spieler herspielen ließ. Wie sich derweil die Stammspieler gemeinsam auf der Tribüne köstlich beömmelten war wohl das Bild der Gruppenphase.

5. Der deutsche Meister: Nach der Auslosung hatten kühne Optimisten Borussia Dortmund bereits 18 Punkte vorausgesagt. Arsenal befindet sich im Umbruch und kassierte in der heimischen Liga gleich mal ein 2:8 gegen ManUtd, Marseille war äußerst mies in die Saison gestartet und Piräus - ist halt Piräus.

Selbst nach dem 1:1 gegen die Gunners zum Auftakt war noch alles in Butter (dann halt 16 Punkte!), ehe sich der BVB mit haarsträubenden Fehlern en masse selbst tief in die Sch... ritt. Unrühmlicher Höhepunkt: Das 2:3 nach 2:0-Führung in Marseille, das Piräus zu einer Frage trieb: Heulen vor Enttäuschung oder vor Zorn auf den deutschen Meister?

Neue Fans hat Dortmund damit in Europa jedenfalls nur wenige gefunden - gilt übrigens auch für Dinamo Zagreb (1:7 vs. Lyon) und Inter Mailand (1:2 vs. ZSKA), die das Bild ihrer jeweiligen Gruppen durch ihre Nicht-Leistungen am letzten Spieltag doch erheblich verzerrten.

6. Die CL-Elf der lustigen Namen: Nur mal so, zwischendurch: Tasos Kissas, Rod Fanni, Vurnon Anita, Alessandro Rosina, Gilles Yapi-Yapo, Mats Rits, Anthony Limbombe, Ioannis Fetfatzidis, Ivan Trickovski, Dentinho, Walter. Wäre echt ne lustige Truppe.

Seite 2: Das beste Spiel, alle Rekorde und böse Buben

7. Das Spiel der Vorrunde: Furchtbar subjektiv eingeschätzt fand die beste, weil dramatischste Partie der Gruppenphase schon am 27. September im Old Trafford statt. United war auf einen typischen "schnell-man-den-Underdog-wegfiedeln"-Abend aus und führte gegen den FC Basel schnell mit 2:0 (Doppelpack Welbeck, 16., 17.).

Doch nach dem Seitenwechsel drehte Basel plötzlich auf, Fabian und Alexander Frei stellten binnen 19 Minuten auf 2:3. Drei Tore waren im Old Trafford zuvor nur ZSKA Moskau (2009), Real (2000, 2003), La Coruna (2001), Barcelona (1998) und Galatasaray (1993) gelungen.

Ashley Young traf in der 90. Minute zwar noch zum 3:3, im Rückspiel bekam Basel aber sein Happyend. Auch nett: Valencias - letztlich wertloses - 7:0 gegen Genk, die zwei Duelle zwischen Barca und Milan (2:2, 3:2) und das 7:1 von Lyon gegen... ja wen eigentlich? Dinamo Zagreb war ja gar nicht anwesend...

8. Apropos Happyend: Trabzonspor wäre beinahe das Kunststück gelungen, als in der Quali ausgeschiedener Verein ins Achtelfinale zu kommen. Wie das? Die Türken hatten eigentlich in Quali-Runde 3 gegen Benfica verloren (0:2, 1:1) und schon in der Holzklasse (Europa League) Platz genommen, ehe der Ausschluss von Fenerbahce Trabzon doch noch in die Gruppenphase spülte.

Dort war man bis drei Minuten vor Schluss auf Achtelfinale gebucht - bis Inter gegen Moskau versagte. Jetzt dann doch wieder Holzklasse. Zur richtigen Cinderella-Story könnte dagegen die Saison vom SSC Neapel werden. Vor 21 Jahren spielte Napoli letztmals im Landesmeistercup, vor sieben Jahren dümpelte man noch in der Serie C1 (3. Liga) rum.

Nun setzte man sich gegen Manchester City durch und das mit Leidenschaft, Esprit und einer gehörigen Portion Unverfrorenheit. Die Elf von Walter Mazzarri präsentierte sich als Fightertruppe und als ein Team, das diese Bezeichnung wirklich verdient hat. Mit dem Ritt ins Achtelfinale machte der SSC eine ganze Stadt stolz. Ballspielverein Borussia 09, so macht man das.

Kleiner Wehrmutstropfen: Mazzarris unnötiger Schubser gegen Nilmar beim Villarreal-Spiel. Mazzarri wird sich nun das Achtelfinale von der Tribüne aus ansehen müssen.

9. Stats: Lyon, Lyon und nochmals Lyon. Sechs Tore in einer Halbzeit - wie beim 7:1 in Zagreb - stellten den Rekord vom FC Liverpool ein (8:0 vs. Besiktas, 2007).

Bafetimbi Gomis' Dreierpack binnen sieben Minuten bedeuteten dagegen einen neuen Rekord. Vier Tore in einem Spiel waren zuvor schon sechs anderen gelungen (van Basten, Inzaghi, Prso, van Nistelrooy, Schewtschenko, Messi), wenn auch nicht so flott wie Gomis.

Gomis war übrigens auch der Spieler, der am öftesten im Abseits stand: ganze zwölf Mal in der Gruppenphase. Fiesling der Vorrunde war Didier Zokora mit 21 Fouls. Franck Ribery wurde dagegen am öftesten niedergestreckt (23-mal). Am öftesten am Tor vorbei schoss OSC Lille (44-mal), die meisten Gelben sackte Villarreal mit 20 ein - Barcelona schoss dafür ebenso viele Tore und stellte damit den Rekord von ManUtd (1998/99) ein.

Inter kam mal eben mit zwei Heimniederlagen als Gruppensieger weiter. Zagrebs 13 Gegentore in den aufeinanderfolgenden Spielen gegen Real und Lyon waren ebenfalls Rekord, null Punkte bei einem Torverhältnis von minus 19 auch.

Für Dinamo gilt damit dasselbe wie für die anderen punktlosen Truppen Villarreal und Galati: üben, üben, üben - und dann erst wiederkommen.

10. Pure Evil: Der AC Milan steht mit Charakteren wie Zlatan Ibrahimovic, Antonio Cassano, Kevin-Prince Boateng, Mark van Bommel, Gennaro Gattuso und Christian Abbiati nicht unbedingt im Verdacht, bei der Wahl zur sympathischsten Truppe des Erdballs in die Top 3 zu kommen. Da hilft es auch nicht, dass man einen Spieler namens Alessio Innocenti im Kader hat.

Allem Anschein nach kommt jetzt auch noch der Imperator himself, Silvio Berlusconi, zurück, um Nosferatu himself, Adriano Galliani, an der Klub-Spitze abzulösen. Als Neuzugang steht zudem der als äußerst loyal geltende Carlos Tevez in den Startlöchern. Aber zu Milans Glück zählt am Ende ja nicht der Beliebtheitsgrad, sondern nur die nackten Resultate. Bunga, Bunga und so...

11. Ausblick: Wer die 16 Achtelfinal-Teilnehmer vor dem ersten Spieltag so getippt hatte, ist nun bestimmt ein reicher Mann. Oder beißt sich in den Hintern, dass er kein Geld darauf gesetzt hatte. Nikosia und Basel konnte man nicht wirklich auf der Rechnung gehabt haben, nun würden jedoch beide gegeneinander ein wirklich adrettes Achtelfinale abgeben.

Robin Dutt irrte jedenfalls gewaltig, als er meinte, dass es bei der Achtelfinal-Auslosung für sein Team gegnertechnisch ja nur "um Nuancen" gehe. Zwischen den Truppen von Nikosia und Barca liegen ja wirklich nur ein paar Milliönchen Marktwert.

Der FC Bayern spielt dafür mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent gegen einen französischen (Lyon, Marseille) oder russischen Gegner (Zenit, ZSKA), könnte aber auch Milan oder Basel erwischen. Schöne Achtelfinals wären dann auch: Real vs. Neapel oder Inter vs. Lyon. Am 16. Dezember wissen wir mehr...

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