Wenn Real Madrid zum Viertelfinal-Hinspiel der Champions League Galatasaray (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) empfängt, dann kommt es auch zum Wiedersehen zwischen Jose Mourinho und Fatih Terim. Die beiden Trainer sind Brüder im Geiste und seit vielen Jahren gut befreundet. Doch diese Freundschaft könnte Mourinho teuer zu stehen kommen.
Eigentlich sollte es ein Kurztrip wie immer werden, wenn sich Jose Mourinho zur Spielbeobachtung aufmacht. Der Trainer von Real Madrid entschloss sich nach der Champions-League-Auslosung, die seinen Madrilenen das Viertelfinal-Los Galatasaray bescherte, kurzerhand nach Kayseri zu reisen, um den türkischen Meister aus nächster Nähe zu beobachten. Hinflug, Scouting, Rückflug.
Lässt man im Nachhinein den mehrstündigen Aufenthalt des Portugiesen in der türkischen Provinz Revue passieren, hatte er eher den Charakter eines Staatsempfangs als einer Dienstreise eines Fußball-Trainers, der bloß seinen Pflichtaufgaben nachgeht.
Bevor der Privatjet in Kayseri zur Landung aufsetzte, warteten schon ein Empfangskomitee und eine gepanzerte Limousine auf dem Rollfeld. Das zeitlich strenge Protokoll gab genau vor, wie es weitergehen sollte: Wer wann wo zu sein hat, wie viele Polizisten und Sicherheitskräfte zur Eskorte bereitstehen müssen und welche Route gefahren wird.
Mourinho ist Everbody's Darling
Ähnliche Szenarien spielten sich im schmucken Kadir-Has-Stadion ab, wo bedeutsame Empfänge zuletzt zur Routine geworden sind, ist der türkische Staatspräsident Abdullah Gül doch gebürtiger Kayserianer und ob seines Interesses am Fußball nicht seltener Gast in der Arena.
Diesmal war aber Mourinho der besondere Besucher, für den ein exklusives Rahmenprogramm festgelegt wurde: Mourinho sollte nicht nur mit Notizen über Galatasaray nach Madrid zurückkehren, sondern auch mit reichlich Pastirma und Manti im Magen und im Koffer.
Mourinhos Ankunft im Stadion wurde per Durchsage bekanntgegeben, Fans feierten frenetisch den Portugiesen, der samt Filius Jose Mario und seinen Chefscouts und Analytikern von Real Madrid angereist war. Händeschütteln hier, ein Küsschen da. Mourinho war Everbody's Darling. "Sehr beeindruckend", sagte Mou später.
Sie polarisieren und ähneln sich
Kurz nachdem er sich auf seinen Platz in der Loge des Klubs-Präsidenten gesetzt hatte, sprang Mourinho aber schon wieder auf.
Fatih Terim schaute vorbei, um kurz hallo zu sagen und den prominenten Gast willkommen zu heißen. Das Fernsehen war live dabei, als sich Terim und Mourinho eine halbe Ewigkeit in den Armen lagen und gestenreich miteinander sprachen. Dazwischen immer wieder eine Umarmung.
Es war kein Austausch von Höflichkeiten unter Trainer-Kollegen, sondern der abermalige Ausdruck einer echten Männerfreundschaft. Wenn am Mittwoch (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) Real Madrid und Galatasaray aufeinandertreffen, ist es daher auch das Duell zweier Trainer-Typen, die nicht nur allerorten polarisieren und sich in vielen Aspekten ähneln, sondern auch zweier Freunde.
Keine Explosionsgefahr
Der Ursprung ihrer Freundschaft ist nicht im Detail überliefert. Der Legende nach waren Terims erste Erfolge mit Galatasaray zum Jahrtausendwechsel, als der türkische Klub den UEFA-Pokal gewann, Mourinho aufgefallen. Dass der Portugiese wiederum fast ähnlich sensationell mit dem FC Porto Europapokale gewann, fiel in Terims Radar.
Erste Kontakte knüpfte man bei den regelmäßigen UEFA-Tagungen der führenden Vereinstrainer Europas. Terim und Mourinho suchten und fanden sich.
Wer beide Charaktere kennt, weiß: Sie sind Brüder im Geiste. Extrovertiert, nicht um die ausgiebige Darstellung des eigenen Ichs verlegen und ob der manchmal sehr direkten und autoritären Art nicht überall beliebt. Treffen sich zwei derartige Charaktere, besteht schon mal Explosionsgefahr. Nicht in diesem Fall.
"Ich lege großen Wert auf die Freundschaft"
Die Special Ones haben regen Kontakt. Nach Europapokalsiegen greifen sie zu den Hörern, um sich gegenseitig zu gratulieren. Im vergangenen Jahr luden Mourinho und Real Galatasaray zur Trofeo Santiago Bernabéu ein, dem traditionellen Saisoneröffnungsspiel zu Ehren des legendären Klub-Präsidenten.
"Er ist ein sehr guter Freund", sagt Mourinho über Terim. Der Türke erwidert: "Für viele mag es schwer sein ihn einzuschätzen. Ich lege großen Wert auf seine Freundschaft, das muss ich zugeben."
Als Mourinho nach der Rückkehr aus Kayseri in Spanien über Galatasaray berichtete, sagte er: "Ich habe dort die erwartet starke Mannschaft vorgefunden. Sie hat Spieler, die ich gut kenne: Drogba, Sneijder, Eboue, Felipe Melo, Muslera. Aber das Wichtigste: Sie werden von einer starken Persönlichkeit wie Fatih Terim trainiert."
Um Mourinhos Freundschaft zu Terim zu verstehen, genügt eine Anekdote aus dem Mai des vergangenen Jahres. Mourinho war als Gastdozent zu einer Konferenz eingeladen, wo er über die Rolle von Führungskräften sprechen sollte. Veranstalter war eine der größten Baufirmen der Türkei, für die Mourinho in der Vergangenheit als Testimonial für TV-Spots zur Verfügung stand.
Das "Angebot"
Zum Ende der Veranstaltung griff Unternehmenschef Ömer Faruk Celik zum Mikrofon. "Herr Mourinho, ich schenke Ihnen ein Penthouse, wenn Sie Galatasaray-Trainer werden, wenn ich eines Tages Präsident des Klubs werde." Ein Angebot mit Augenzwinkern, doch Mourinho bügelte Celik schroff ab: "Galatasaray braucht mich nicht, es hat Fatih Terim."
Celik versuchte lächelnd die Wogen zu glätten, aber Mourinho blieb hart: "Nein. Fatih Terim ist ein Top-Trainer."
Womöglich ahnte Mourinho, was folgte, denn anschließend spekulierte man tagelang in der Türkei, ob Mourinho tatsächlich bei Galatasaray anheuern könnte, um Terim zu ersetzen, bis der türkische Klub etwas verzweifelt ein offizielles Dementi herausgeben musste. Ein Trainerwechsel war mitnichten ein Thema.
Großer Respekt
Terim schmunzelte damals über die Eigendynamik der Mourinho-Thematik, obschon er in atmosphärische Störungen mit der Vereinsführung verwickelt war. Dass er jetzt Galatasaray bis ins Viertelfinale der Champions League geführt hat, ist eine Genugtuung für ihn und im Gegensatz zu vielen Landsleuten freundet er sich mit der Herausforderung Real Madrid jeden Tag ein bisschen mehr an.
"Wir haben ein schweres Los gezogen, das ist klar", sagt Terim, um aber dann gleich Mourinho zu loben. "Ein Trainer überträgt seinen Stil auf sein Team. Real ist eine komplette Mannschaft, die in allen Bereichen große Klasse hat. Sie stehen kompakt und spielen schnell. Das ist ein Verdienst von Jose."
Man habe "großen Respekt vor Mourinho und der Real-Mannschaft. Und ich hoffe, wir spielen so, dass auch uns Respekt entgegengebracht wird". Diesen hat sich Galatasaray jetzt schon erarbeitet.
Tipps für Sneijder und Drogba
"Mourinho hat Fatih Terim sehr gern. Er hat mir viel über ihn erzählt", sagt Wesley Sneijder. Pikant: Sowohl der Niederländer, als auch Didier Drogba holten sich vor ihren winterlichen Transfers Rat bei Mourinho ein. Sneijder hatte Alternativen wie Liverpool oder Tottenham, Drogba den AC Milan. Beide Male sagte Mourinho: "Geh' zu Galatasaray." Die Spieler gehorchten. Drogba bestätigt: "Er schwärmte von der Stadt, vom Klub, aber vor allem vom Trainer. Es ist alles eingetreten."
Es hätte eine delikate Note, sollte ausgerechnet dieses Duo Real Madrid auf dem Weg ins Halbfinale ein Bein stellen. Mourinho hätte es sich möglicherweise selbst eingebrockt. Das gilt auch für Hamit Altintop, bei dessen Transfer sich Real Madrid und Galatasaray lange nicht auf eine Ablöse einigen konnten. Der Deal drohte schon zu scheitern. Ein Anruf von Terim bei Mourinho sorgte für die Wende, weil Real plötzlich mit dem Preis runterging.
Sneijder, Drogba und Altintop traf Mourinho nun bei seinem Besuch in Kayseri. "Ich durfte 20 Minuten lang in der Kabine von Galatasaray bleiben. Das hat mir Fatih Terim ermöglicht. Wer würde das machen, wenn er kein Freund wäre", fragt Mourinho.
Dass das Treffen mit Terim selbst später auf der Tribüne stattfand, lag daran, dass der Gala-Coach noch eine Sperre auszusitzen hatte. Terim hatte zuletzt einen Schiedsrichter verbal malträtiert und war für drei Spiele gesperrt worden. Mourinho hätte es nicht besser machen können.
Galatasaray vs. Real Madrid: Die Bilanz