Borussia Dortmund ist immer noch bekannt dafür, Transfers im stillen Kämmerlein abzuwickeln. Die Öffentlichkeit erfährt in den meisten Fällen erst am Tag der Pressemitteilung von einer personellen Veränderung im Kader.
Wie man weiß, ist dies beim Transfer von Mario Götze nicht gelungen. Die Begleitumstände waren vielschichtig und werden bis heute diskutiert. Eine für den BVB völlig neue Dimension hat sich dabei aber vor allem durch den vereinsinternen Donnerhall, den diese geplatzte Bombe auslöste, ergeben.
BVB muss die Götze-Kröte schlucken
Dass sich Mario Götze, das große Dortmunder Ausnahmetalent aus der eigenen Jugend, den BVB-Stil abschaut, im stillen Kämmerlein mit dem FC Bayern Einigkeit erzielt und mit der anschließenden Meldung seines Wechsels an die Isar die ganze Welt überrascht, hat die Westfalen in Mark und Bein erschüttert.
Dortmund ist dabei weniger sauer auf Götze selbst, als auf das Geschäftsgebaren der Bayern. Wissen- und hilflos musste man diese Kröte - etwas früher als die Öffentlichkeit - schlucken. Durch die Ausstiegsklausel in Götzes Vertrag hat der Rekordmeister rechtlich korrekt darüber hinweggesehen, die Borussia über das Interesse am Spieler zu informieren.
Nun steht der BVB also auch nach Götzes Verletzung, die einen Einsatz im bisherigen Spiel seines Lebens am kommenden Samstag verhindert, ohne einen der weltweit besten Fußballer da.
"...sie wollten doch zusammen gewinnen"
Dortmund wird bis zum Sommer darauf personell reagiert haben und wie Trainer Jürgen Klopp bereits durchblicken ließ, sein Spiel verändern (müssen). Doch die Angestellten, die nicht wechseln und sich in dieser Saison auch dank Götze bis ins Champions-League-Finale gespielt haben, bleiben zurück. An sie stellt der Weggang des 20-Jährigen eine psychische Herausforderung, die - und das ist für den Klub das Gefährliche daran - individuell verschieden ausgelegt werden kann.
"Der Wechsel von Mario ist ein Zeichen, denke ich, dass wir es noch nicht auf das Ansehen der Top 4 oder 5 der Welt geschafft haben. Es gibt entweder die Möglichkeit, selber dazu beitragen, dass es dazu kommt oder man wechselt", sagte Mats Hummels. Er ist einer derjenigen "sechs oder sieben Spieler" (Klopp), die die Nacht im Wachzustand verbracht haben, nachdem sie von Götzes Wechsel erfuhren.
"Ich wusste, dass sie am Boden zerstört waren. Sie dachten, sie wären nicht gut genug - und sie wollten doch zusammen gewinnen. Deshalb hat es ihnen so weh getan", erklärt Klopp. Und Hummels ergänzt: "Das war für uns ein Schock, eine ganz schwierige Sache. Einen zu verlieren, der genau weiß, wie wir denken, der auch aus dem Verein kommt und trotzdem einen anderen Verein vorzieht, macht es so schwierig für uns."
Guardiola als Hauptgrund
Provokant ausgedrückt klingt das, als ob Götze Mitspieler, Klub und vor allem die "Idee BVB" verraten habe. Doch natürlich ist es nun auch nicht so, dass der Verein Gefahr läuft, ohne Götze sportlich vor die Hunde zu gehen. Der Abgang könnte allerdings durchaus einen Effekt auf andere begehrte Spieler - und davon gibt es in Dortmund genug - haben, sie ins Abwägen bringen, ein anderweitiges Angebot doch früher als vorhergesehen anzunehmen.
Mario Götze wäre möglicherweise zwar der Auslöser, hätte selbst aber wiederum auch keine Schuld, wenn Dortmund bald mehr als wie zuletzt nur ein wichtiger Spieler pro Saison verloren gehen würde.
Auch wenn die sportliche Perspektive in München ungemein glanzvoll erscheint, war sie für Götze weniger der ausschlaggebende Punkt für seine Entscheidung gegen den BVB, als vielmehr die Aussicht, unter Pep Guardiola trainieren zu können.
Peps nächster Messi
Der "Zocker Mario Götze" (Bundestrainer Joachim Löw) hat das Zeug dazu, in nicht allzu weiter Ferne in die Riege eines Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo vorzustoßen - sowohl in sportlicher, als auch in wirtschaftlicher und vermarktungstechnischer Hinsicht. Und damit dies geschieht, sieht Götze in der künftigen Zusammenarbeit mit dem neuen Bayern-Trainer die derzeit vielversprechendste Konstellation.
"Ich denke nicht, dass er zu den Bayern möchte, sondern zu Herrn Guardiola", sagte Neven Subotic.
Doch bei diesem Unterfangen wird Götze ein medialer Hype begleiten, den er so noch nicht kennt. Er soll Guardiolas nächster Messi werden und wird dabei ständig unter dem Brennglas der Öffentlichkeit stehen. Nicht nur, weil er ein begnadeter und dazu der teuerste Fußballspieler Deutschlands ist, sondern auch noch vom Rivalen kommt und diesen erheblich schwächt.
Abgang mit Nebengeräuschen
Götzes letztes Spiel im schwarzgelben Dress endete nach zehn Ballkontakten und 13 Minuten im Santiago Bernabeu gegen Real Madrid. Zehn Tage zuvor gehörte er beim 2:0-Heimsieg gegen Mainz in seiner letzten Bundesligapartie zu den schwächsten Dortmundern. In Wembley verpasst er nach zwölf Jahren beim BVB das Highlight seiner Karriere. Ein Abgang mit zahlreichen Nebengeräuschen.
"Mario war von der Wucht der Reaktionen überrascht. Auch ein Mario Götze hält sich nicht für den Aller-Allergrößten. Er ist ein ganz junger Bursche und hat diese Entscheidung getroffen", sagt Klopp.
Um im Rasensport den Sprung zu den Aller-Allergrößten zu meistern und zugleich zu zeigen, dass die derzeitigen turbulenten Tage ab Juli keine dauerhaften Auswirkungen auf ihn haben, muss Götze jetzt liefern. Und seinen Idealen treu bleiben.
Götze bewundert Boxer
"Ein Boxer vermittelt sehr viel Kampfgeist, Ehrgeiz und Willen. Das sind diese Eigenschaften, die man als Profifußballer und natürlich als Mensch auch braucht", spricht Götze in einem für Mercedes-Benz produzierten Porträt , in dem es um seinen Antrieb und Zukunftsaussichten geht, in die Kamera. "Man kann Parallelen zu einem Boxer ziehen, der im Ring steht und jede Sekunde aufpassen muss, dass ihm nicht irgendetwas passiert."
Beim FC Bayern München muss Mario Götze ein Boxer sein. Ob es ihm gelingt, davon wird Fußball-Deutschland über jeden Schritt informiert sein.
Mario Götze im Steckbrief