"Die Bayern brauchen mehr Anarchie"

Fatih DemireliThomas GaberAndreas Lehner
29. April 201410:42
Thomas Müller (r.) wurde im Hinspiel in Madrid in der zweiten Halbzeit eingewechseltgetty
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Der FC Bayern München muss auf dem Weg zur Titelverteidigung der Champions League im Halbfinal-Rückspiel ein 0:1 gegen Real Madrid aufholen (Di., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Sollte Guardiola dafür seine Spielidee überdenken? Hilft den Bayern die falsche Neun? Im Panel geben die SPOX-Redakteure Fatih Demireli, Thomas Gaber, Andreas Lehner und mySPOX-User RoyRudolphusAnton ihre Meinung ab.

Muss der FC Bayern seine Spielweise ändern?

Fatih Demireli (SPOX): Nicht ändern, sondern optimieren! Die Bayern brauchen mehr Anarchie in ihrer Vorgehensweise. Ich finde es wunderbar, wie Pep Guardiola alles durchplant und für jede Situation einen Plan erarbeitet. Aber irgendwann wird man vielleicht durchsichtig und berechenbar. Die Bayern haben genug Spieler, die diese Anarchie ausleben können: Ribery, Robben, Götze, Müller und viele andere. Nur muss man sie auch mal unerwartet einsetzen.

Thomas Gaber (SPOX): Nein. Bis zum Gegentor lief das Spiel in Madrid perfekt für die Bayern. Pepe und Xabi Alonso ruderten in der Anfangsphase permanent mit den Armen, weil Real nicht in der Lage war, die Bayern am Kombinieren zu hindern, obwohl alle Spieler hinter dem Ball waren. Es wäre das falsche Signal, im Rückspiel plötzlich einen anderen, eher abwartenden Stil zu praktizieren. Die grundsätzliche Spielidee kann auch nicht für ein Spiel verändert werden. Was die Bayern aber dringend brauchen, ist mehr Aggressivität im letzten Drittel. Sie müssen den Ballbesitz mit Torchancen ergänzen. Das ist ihnen über weite Strecken in dieser Saison sehr gut gelungen.

Andreas Lehner (SPOX): Die Bayern können ihr Spiel nicht ändern. Ihr Spiel ist Ballbesitz, daran glauben sie und damit sind sie auch erfolgreich. Was sie aber in Madrid nicht gut gemacht haben: die (wenigen) Ballgewinne in aussichtsreicher Position haben sie nicht für eine Umschaltaktion genutzt.

mySPOX-User RoyRudolphusAnton: Jein. Ich gehöre zu denjenigen, die es nicht verstehen, warum Bayern sich selbst Rosen über die Hinspiel-Leistung gestreut hat. Klar waren sie dominant wie nie im Bernabeu. Dennoch war Real bei Kontern deutlich effektiver, während Bayern stumpf anrannte. Quintessenz: Die Münchner dürfen sich nicht an ihrem Ballbesitz laben, sie müssen das Tempo forcieren, wenn es zu forcieren ist, sie müssen in den Strafraum und häufiger zum Abschluss kommen - auch aus der Distanz. Planlose Flanken und miserable Ecken sind kein Mittel gegen Madrid. Die Balance zwischen dosierter Offensive und halbwegs kompakter Vorwärtsverteidigung zu finden, wird hochanspruchsvoll für Bayern und hochinteressant für uns Zuschauer.

Frage 1: Muss der FC Bayern seine Spielweise ändern?

Frage 2: Muss Franck Ribery trotz Leistungssteigerung auf die Bank?

Frage 3: Auf welcher Position sollte Philipp Lahm spielen?

Frage 4: Braucht der FC Bayern die falsche Neun?

Frage 5: Wäre Bales Einsatz ein Risiko für Real Madrid?

Muss Franck Ribery trotz Leistungssteigerung auf die Bank?

Fatih Demireli (SPOX): Ich sehe bei Ribery noch keine Leistungssteigerung. Die 45 Minuten gegen Bremen waren okay, aber der Gegner war - seid mir nicht böse - immer noch Werder, ausgestattet mit der anfälligsten Abwehr der Bundesliga. Ich würde Ribery aber dennoch nicht rausnehmen, auch wenn man das in einer Leistungsgesellschaft kaum erklären kann, wenn man Götze, Müller und Co. noch als Backup in der Hinterhand hat. Es wäre aber das falsche Signal und außerdem hat Ribery die Gabe, mit einer brillanten Szene sich für ein Spiel zu begeistern und dann zu zaubern. Zu hoffen ist, dass ihm diese Aktion früh genug gelingt.

Thomas Gaber (SPOX): Alleine die Diskussion, ob Europas Fußballer des Jahres bzw. der Dritte der Weltfußballerwahl für ein CL-Halbfinale überhaupt gut genug ist, ist eigentlich Wahnsinn. Allerdings hat sich Ribery mit seinen lustlosen Auftritten selbst in diese Situation gebracht. Sein mitunter divenhaftes Verhalten auf dem Platz ist kein neues Phänomen; hier sei vor allem an die Bayern-Zeit unter Louis van Gaal erinnert. Auf der anderen Seite kann auch der FC Bayern nicht auf die Begabung seiner kreativen Einzelkönner verzichten. Ribery hat ja das Fußballspielen nicht verlernt. Er wird sich zerreißen gegen Real, weil er auch etwas gutzumachen hat. Ribery muss spielen und er wird die Bayern nicht enttäuschen.

Andreas Lehner (SPOX): Ribery hat die Kritik der letzten Tage mitbekommen, er ist heiß und angestachelt. Es ist aber auch seine letzte Chance in dieser Saison. Er muss spielen - und liefern. Sonst haben Müller und Götze das Recht, richtig sauer zu sein und Guardiola hätte ein Problem.

mySPOX-User RoyRudolphusAnton: Ribery durchlebt zweifellos eine schwierige Phase. Ich persönlich fand allerdings nicht, dass er im Hinspiel erschreckend abgefallen wäre. Da waren andere nicht viel besser. Überhaupt ist eine Tendenz auffällig: Ribery hat großen Spielen höchst selten seinen Stempel aufdrücken können. In den Dortmunder Meisterjahren setzte er gegen den BVB regelmäßig keinen Stich, international entpuppte er sich in den entscheidenden Momenten eher als Mitläufer denn als Führungsfigur - ohne jetzt überkritisch sein zu wollen. Ribery ist inzwischen 31, lebt als Sprinter von seinem Antritt. Schneller wird er nicht mehr, deshalb sollte er zusehen, sein Leistungsniveau noch möglichst lange zu konservieren. Am Besten schon gegen Real.

Frage 1: Muss der FC Bayern seine Spielweise ändern?

Frage 2: Muss Franck Ribery trotz Leistungssteigerung auf die Bank?

Frage 3: Auf welcher Position sollte Philipp Lahm spielen?

Frage 4: Braucht der FC Bayern die falsche Neun?

Frage 5: Wäre Bales Einsatz ein Risiko für Real Madrid?

Auf welcher Position sollte Philipp Lahm spielen?

Fatih Demireli (SPOX): Rechts hinten. Aus einem einzigen Grund: Damit Pep Platz für Javi Martinez hat. Martinez muss spielen, wenn die Bayern weiterkommen wollen.

Thomas Gaber (SPOX): Auf der Rechtsverteidigerposition. Gerade gegen die brutalen Konter von Real ist es unabdingbar, auf den Außenpositionen der Viererkette Spieler zu haben, die das Gefühl für die jeweilige Situation haben. Die richtige Balance finden zwischen Abwehr und Angriff und wissen, wann es Sinn macht, offensiv Meter zu machen. All das kann Lahm ein Stück besser als Rafinha. Außerdem gibt es im Mittelfeld genügend Alternativen. Je nachdem, ob Guardiola Lahm eins-zu-eins ersetzen würde, würde sich Javi Martinez aufgrund seiner Zweikampfstärke und der Fähigkeit, Spielzüge des Gegners zu antizipieren, anbieten.

Andreas Lehner (SPOX): Rafinha ist ein solider Rechtsverteidiger, mehr nicht. In diesen Spielen auf diesem Niveau hat er Probleme. Deshalb muss Lahm rechts hinten spielen. Für die Spielkontrolle wäre Lahms Versetzung auf die Außenbahn nicht zwingend förderlich, aber das geringere Übel.

mySPOX-User RoyRudolphusAnton: Ganz klar: Als Rechtsverteidiger! Bei allem Respekt vor Rafinha merkt man, dass die europäische Elite seine Luft dünn werden lässt - zu dünn. Auch Lahm besitzt derzeit nicht die allerbeste Form, unersetzlich ist er trotzdem. Ich würde dringend empfehlen, ihn auf rechts und Martinez ins defensive Zentrum an Schweinsteigers Seite zu stellen. Kroos ist in meinen Augen der falsche Spielertypus für Real. Er verschleppt die Geschwindigkeit zu oft, wirkt phlegmatisch.

Frage 1: Muss der FC Bayern seine Spielweise ändern?

Frage 2: Muss Franck Ribery trotz Leistungssteigerung auf die Bank?

Frage 3: Auf welcher Position sollte Philipp Lahm spielen?

Frage 4: Braucht der FC Bayern die falsche Neun?

Frage 5: Wäre Bales Einsatz ein Risiko für Real Madrid?

Braucht der FC Bayern die falsche Neun?

Fatih Demireli (SPOX): Nein, es gibt keine Argumente dafür, wenn deine echte Neun 25 Tore in 44 Pflichtspielen erzielt. Mario Mandzukic hat sich an die Spielweise Guardiolas angepasst und dennoch seine Stärken nicht verloren. Daher sehe ich keine Notwendigkeit, eine taktische Alternative zu kreieren, wenn man sie gar nicht braucht.

Thomas Gaber (SPOX): Nein. Mario Mandzukic führt nicht nur die Torschützenliste der Bundesliga mit 18 Toren an, er hat die Bayern auch gegen Manchester United nach dem 0:1 postwendend wieder auf Kurs gebracht. Pepe und Sergio Ramos hatten Mandzukic im Hinspiel gut im Griff, doch die Bayern brauchen seine körperliche Präsenz und seine Stärke im Kopfball. Mandzukic ist immer in der Lage, auch aus dem Nichts zu treffen, wie gegen Manchester. Ich plädiere aber für ein leicht verändertes System mit Thomas Müller als zentralem Spieler hinter Mandzukic, um das Spiel der Bayern weniger ausrechenbar zu machen. Die Münchner brauchen mehr Dynamik und ein größeres Repertoire im Angriffsspiel. Für beides ist Müller die Idealbesetzung. Er hat in großen Spielen häufig überzeugt.

Andreas Lehner (SPOX): Der Verzicht auf den klassischen Mittelstürmer hat sich in dieser Saison kaum bewährt. Außerdem habe ich Mandzukic in Madrid nicht so schlecht gesehen. Er hat mit seinen Kopfballablagen die Möglichkeiten von Kroos und Müller (vor der Elfmeterszene) eingeleitet und brutale Wege nach hinten gemacht.

mySPOX-User RoyRudolphusAnton: Hierzu vertrete ich ebenfalls eine klare Meinung, unabhängig von Konstellation und Gegner. Ich denke, es war in dieser Saison offensichtlich, dass die Experimente mit Götze als verkapptem Stürmer nicht aufgegangen sind. Am Ehesten könnte ich mir Müller in dieser Position vorstellen, doch grundsätzlich bin ich überzeugter Anhänger des Stoßstürmers. Es braucht eine fortwährende Anspielstation, einen physisch starken "Wandspieler" in der gefährlichen Zone. Daher sagte mir die Rolle von Mandzukic im Hinspiel nicht vollends zu: Sein häufiges Ausweichen auf die Flügel war löblich, aber nicht zielführend. Es fehlte der Fixpunkt im Strafraum.

Frage 1: Muss der FC Bayern seine Spielweise ändern?

Frage 2: Muss Franck Ribery trotz Leistungssteigerung auf die Bank?

Frage 3: Auf welcher Position sollte Philipp Lahm spielen?

Frage 4: Braucht der FC Bayern die falsche Neun?

Frage 5: Wäre Bales Einsatz ein Risiko für Real Madrid?

Wäre Bales Einsatz in der Startelf ein Risiko für Real Madrid?

Fatih Demireli (SPOX): Nein, Gareth Bale ist ein taktisch bestens geschulter Spieler, dessen Ursprung ohnehin in der Defensive liegt. Daher wäre es sogar die richtige Lösung. Das Risiko ist eher auf der anderen Seite, wenn Bale spielt. Bayerns Defensive ist derzeit anfällig, weil Dante und Boateng weit unter Normalform agieren. Dadurch kommt das gesamte taktische Konstrukt ins Wanken. Bale ist ein Spieler, der das nutzen kann. Fragt mal nach bei Marc Bartra...

Thomas Gaber (SPOX): Ancelotti hat angekündigt, Benzema, Ronaldo und Bale zu bringen, weil es Reals oberstes Ziel sei, ein Tor zu schießen. In diesem Fall würde der Real-Coach Isco opfern. Ein Einsatz von Bale ist kein großes Risiko, weil sich an der Ausrichtung der Königlichen nichts ändern wird und Reals Konterstärke mit dem Waliser noch schwieriger zu verteidigen ist. Eine Gefahr für Real mit Bale besteht nur dann, wenn er nicht richtig fit ist. Aber so naiv wird Ancelotti nicht sein.

Andreas Lehner (SPOX): Die Statik in Madrids Spiel wird sich nicht verändern, auch wenn Bale für Isco kommt. Bale war früher Linksverteidiger und hat keine Probleme beim Verteidigen. Mit seiner Geschwindigkeit wäre er im Konter für Real eher eine Waffe als Isco. Das Duell mit Alaba würde ich gerne sehen.

mySPOX-User RoyRudolphusAnton: Ich glaube und fürchte, er wäre ein Risiko für Bayern... Die Vorzüge von Bale muss man nicht gesondert herausstreichen. Ein unfassbar dynamischer Spieler, der im Grunde all jene Facetten im Repertoire hat, die ein Außenstürmer verkörpern sollte. Als Waffe für die Real-Konter - und die wird es geben - kann ich mir (leider) keine geeignetere Besetzung vorstellen. Nun ist es eine Frage der Gesundheit.

Frage 1: Muss der FC Bayern seine Spielweise ändern?

Frage 2: Muss Franck Ribery trotz Leistungssteigerung auf die Bank?

Frage 3: Auf welcher Position sollte Philipp Lahm spielen?

Frage 4: Braucht der FC Bayern die falsche Neun?

Frage 5: Wäre Bales Einsatz ein Risiko für Real Madrid?

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