SPOX: Gelitten haben Sie unter den Nachwehen des Phantomtors von Hoffenheim, das nun bald ein Jahr her ist. Sie haben im Sommer Ihre offizielle Facebook-Seite aus dem Netz genommen, was sicherlich auch damit zusammenhängt. Was hat Sie diese Zeit gelehrt?
Kießling: Der Einfluss des Internets ist enorm. Das mag nicht ständig so sein, aber ich habe gesehen, wie extrem das bei einem entsprechenden Anlass werden kann. Es verstecken sich viele Leute hinter ihrem Computer und sind nicht zu kontrollieren. Das war letztlich auch der Grund, weswegen ich mich vor ein paar Monaten entschlossen habe, die Facebook-Seite zu schließen.
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SPOX: Waren Sie von der Wucht der Diskussionen und den Anfeindungen überrascht?
Kießling: Natürlich. Es war hart für mich zu sehen, dass mir die alleinige Schuld für das, was in Hoffenheim passiert ist, gegeben wurde. Das ist eine unangenehme Situation, zumal ich es ja einfach nicht gesehen habe. Das habe ich ja ständig betont, die Sachlage hat das aber in keiner Weise verändert. Mich hat es daher schon sehr erstaunt, dass mir niemand geglaubt hat und man so auf die Barrikaden ging.
SPOX: Glauben Sie, dass ein deutlich unerfahrener und jüngerer Spieler an so etwas hätte seelisch kaputt gehen können?
Kießling: Das ist durchaus möglich. Man sollte aber nicht glauben, dass diese Sache spurlos an mir vorüber ging, nur weil ich kein junger und unerfahrener Spieler mehr bin. Ich musste auch einen Weg finden, um damit fertig zu werden. Das war ja nach zwei, drei Tagen längst nicht gegessen.
SPOX: Welche Auswirkungen hatte das Tor und seine Folgen denn auf Sie als Privatmensch?
Kießling: Der psychische Druck war gewaltig. Meine Familie war letztlich auch davon betroffen und wurde damit konfrontiert. Es kamen viele Dinge zusammen, die absolut unschön für uns waren - Beschimpfungen, Medienberichte, ständige Nachfragen. Es ging einfach unter die Gürtellinie und hat mich nachdenklich gemacht.
SPOX: Wie beurteilen Sie heute den Stellenwert von Social Media im Vergleich zu früher?
Kießling: Grundsätzlich ist das natürlich keine schlechte Sache. Meine Seite wurde vom Großteil ja auch gut angenommen. Man ist nah an den Fans dran und kann auch mal Dinge von sich preisgeben, die zuvor nicht schon bekannt waren. Es besteht aber immer die Möglichkeit, dass sich der Wind schnell dreht und die Sache in die Hose geht. Social Media ist in beide Richtungen sehr beeinflussbar.
SPOX: Lassen wir mal Vergangenheit und Gegenwart beiseite und blicken in die Zukunft: Sie hat es nie weggezogen aus Leverkusen. Ihr Vertrag läuft noch bis 2017, dann sind Sie 33. Schon mal an Katar oder die USA gedacht?
Kießling: Nein (lacht). Ich bin nicht der Typ, der so weit voraus denkt. Ich fühle mich aktuell noch total fit, so dass das Thema Karriereende noch überhaupt nicht auf der Agenda steht. Ich werde meinen Vertrag auf alle Fälle erfüllen und denke, dass ich dann mit 33 in einem Alter sein werde, in dem man ja auch noch zwei, drei Jahre kicken könnte.
SPOX: Irgendwelche Gedanken werden Sie sich doch aber sicherlich schon gemacht haben?
Kießling: Nur mal theoretisch gesprochen: Dass ich irgendwie dem Fußball erhalten bleiben werde, ist genauso wahrscheinlich wie dass ich erst einmal ein paar Monate gar nichts machen werde. Ich glaube daran, dass alles kommt, wie es kommt - von alleine. Vielleicht spiele ich die letzte Zeit meiner Laufbahn noch für einen anderen Verein. Oder aber Leverkusen sagt: 'Wir brauchen dich als Sekretär.' Ich werde auf jeden Fall eine Idee von meiner Zukunft haben, wenn es sich dem Ende zuneigt (lacht).
SPOX: Bis dahin haben Sie noch die Möglichkeit, Ihren ersten Titel mit einer Profimannschaft zu gewinnen. Bislang hat das noch nicht funktioniert. Wie sehr im positiven Sinne nagt das an Ihnen?
Kießling: Ich bin noch brutal ehrgeizig. Ich will das mit Leverkusen noch schaffen.
SPOX: Wenn man Ihnen prognostizieren würde, Sie gewännen noch einen einzigen Titel in Ihrer Karriere und könnten sich ihn heraussuchen, welcher wäre es dann?
Kießling: Die deutsche Meisterschaft. Dann ließe sich sagen, dass wir über eine gesamte Saison hinweg die beste deutsche Mannschaft waren. Das wäre eine große Auszeichnung dafür, den Alltag über eine solch lange Zeit hinweg gemeistert zu haben. Diesen Traum trage ich weiterhin in mir.
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