Wenn man an den FC Arsenal denkt, schießen einem normalerweise umgehend junge Talente und Filigrantechniker in den Kopf. Beispielsweise Aaron Ramsey, Jack Wilshere, Santi Cazorla und Theo Walcott oder das deutsche Trio Mesut Özil, Lukas Podolski und Per Mertesacker.
Nur die wenigsten assoziieren Mikel Arteta mit den Gunners - und das, obwohl der Spanier seit dieser Saison offiziell der Kapitän der Mannschaft ist, nachdem er bereits letztes Jahr in Abwesenheit Thomas Vermaelens zumeist die Binde trug.
Häufig wird von Arsene Wenger gefordert, den mit 32 Jahren zweitältesten Spieler des Kaders durch eine jüngere Kraft zu ersetzen. Dabei ist der Spanier ungemein wichtig für das Spiel der Londoner. Als klassischer Sechser zeigt sich Arteta im Arsenal-Trikot fast ausschließlich vor der Abwehr.
Die Offensive zählt nicht mehr zu seinen Prunkstücken, wenngleich der Baske 2011 noch als offensiver Mittelfeldspieler per Last-Minute-Transfer vom FC Everton geholt wurde. Mittlerweile hat er aber seinen Stil geändert.
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Spielverständnis macht Defizite wett
Zu seiner enormen Passstärke, die noch aus seiner Zeit in "La Masia", der Nachwuchsakademie des FC Barcelona, rührt, gesellen sich mittlerweile auch defensive Fähigkeiten. Obwohl er sich seit seiner frühen Zeit an der Merseyside körperlich verbessert hat, erobert Arteta zumeist Bälle durch das Antizipieren und das Lesen des Spiels.
Sein Spielverständnis macht dabei einige Defizite wett. Denn Arteta ist weder ein Dauerläufer noch der robusteste Spieler im Kader des FC Arsenal. Im Spielaufbau der Londoner ist er dennoch unersetzlich, schließlich wird praktisch jeder Angriff über den 1,76 Meter großen Spanier initiiert.
Währenddessen ist der Wandel seines Spiels genau so aufregend wie sein Werdegang. Geboren in San Sebastian hatte Arteta ursprünglich das Ziel, mit seinem langjährigen Jugendfreund Xabi Alonso, mit dem er erste Gehversuche im Fußball am spanischen Strand machte, bei Real Sociedad in der ersten Mannschaft zu spielen. Auch wenn das nie klappte, sollte Alonso noch eine wichtige Rolle in seiner Karriere einnehmen.
"Guardiola war mein Held"
Zunächst zog es ihn zum FC Barcelona, wo er seine außergewöhnliche Passstärke entwickelte. Sein großes Idol damals: Pep Guardiola. Ausgerechnet für den heutigen Bayern-Trainer wurde Arteta bei seinem Primera-Division-Debüt eingewechselt - mit gerade einmal 16 Jahren. "Er war mein Held", verriet Arteta wenig später.
Doch früh wurde klar, dass es auf Dauer schwer werden würde, einen der umkämpften Plätze in der ersten Mannschaft des FC Barcelona zu ergattern. Zu groß war die Konkurrenz mit Guardiola, Xavi und Iniesta. "Ich war so realistisch, zu sagen: Es muss etwas Verrücktes passieren, damit ich es ins erste Team schaffe", resümiert Arteta seine Zeit bei den Katalanen.
So zog es den damals 18-Jährigen per Leihe zu Paris Saint-Germain. Seinen Spielstil charakterisierte er selbst durch ein strenges Defensiv-Denken und verglich sich mit Claude Makelele. In Frankreich wurde er nach einer starken Saison zum "Legionär des Jahres" gewählt.
Zwischenstation Glasgow
Da beim FC Barcelona immer noch kein Durchkommen war, verschlug es Arteta auf die Insel. Die Glasgow Rangers holten ihn für acht Millionen Euro. Bei den Schotten entwickelte er sich in der ersten Saison zum Fan-Liebling und überzeugte das Publikum im Ibrox.
Doch nach diversen Verletzungen, Formverlust und Heimweh führte sein Weg zurück zu seinen Wurzeln. Der Wunsch, mit Xabi Alonso bei "La Real" zu spielen, ging allerdings nicht in Erfüllung. Alonso spielte mittlerweile beim FC Liverpool. Zudem wollte auch die "Traum-Beziehung" zwischen Arteta und San Sebastian nicht funktionieren.
Nach einem durchwachsenen halben Jahr riet ihm ausgerechnet Xabi Alonso zu einem Wechsel zum Merseyside-Rivalen FC Everton. Bei den Toffees ging Artetas Stern dann richtig auf. Von David Moyes zum Spielmacher umgeschult glänzte er wie selten zuvor.
Wahlsieg gegen Ronaldo
Mit effektiver Technik, Kreativität und einer großen Torgefahr wurde er 2006 zum "Fans Player of the Year" und zum "Player of the Season" gewählt. Bei der Wahl stach er sogar Cristiano Ronaldo aus. Arteta war endlich angekommen und fühlte sich auch sichtlich wohl, zumal er mit Xabi Alonso seinen Jugendfreund als Nachbarn hatte. Allein in seiner Premierensaison verzeichnete er neun Tore und acht Assists.
Sein technisch versiertes Spiel ließ sich in der folgenden Spielzeit auch dadurch deutlich machen, dass Arteta der meistgefoulte Spieler der Liga war. Erst ein Kreuzbandriss und die damit verbundene einjährige Auszeit konnte den Spanier stoppen, der bislang zu keinem einzigen Auftritt für die Furia Roja kam, obwohl er sämtliche Junioren-Teams durchlief.
Dabei war es das gleiche Problem, das auch ein langfristiges Engagement in Barcelona verhinderte: Die große Konkurrenz im spanischen Mittelfeld. Folglich stand sogar eine Einbürgerung in England zur Debatte, womit er für die Three Lions hätte auflaufen können.
Moyes der Macher
Unter Moyes entwickelte sich das Sprachtalent, das neben Spanisch auch Baskisch, Katalanisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch spricht, enorm weiter, sodass er 2011 seine wohl letzte Chance ergriff, zu einem großen Klub zu wechseln. Der FC Arsenal schlug in letzter Sekunde zu - auch dank Arteta, der für einen Wechsel nach Nord-London angeblich sogar Gehaltseinbußen in Kauf nahm, dies aber nie bestätigen wollte. "Das ist nichts, worüber ich gerne rede", gab er sich stets bescheiden.
Einen Transfer zu den Gunners begründete der Fußball-Ästhet durch seine eigenen Erfahrungen: "Ich habe so oft gegen sie gespielt und so oft gelitten. Außerdem wollte ich es bei einem großen Klub versuchen. Zudem spielt Arsenal einen ähnlichen Fußball wie Barcelona."
Aber in London erwartete ihn ein schweres Erbe: Der Abgang von Cesc Fabregas zu Barcelona kompensiert durch einen Ex-Barca-Spieler scheint logisch, ist von den Spielertypen allerdings nicht möglich. Arteta belegte zunächst die Doppel-Sechs mit Alex Song. Nach dem Abgang des Kameruners ist Arteta aber der einzige und spielbestimmende Mann vor der Abwehr - eine Rolle, die er jahrelang nicht gespielt hat.
Zurück zum alten Spiel
Mit der Rückkehr zum alten Spielstil - mittlerweile mit einem um einiges breiter gefächerten Repertoire - entwickelt sich Arteta zum Chef im Mittelfeld der Gunners. Bei Wenger unumstritten, wird er von den Fans zwar nicht geliebt, als Leader der Mannschaft jedoch zumindest akzeptiert.
Die großen spielerischen Akzente setzt Arteta heute nicht mehr so häufig wie zu seiner Zeit in Everton. Dagegen sorgt er für die Balance im Spiel, leitet Angriffe ein und sichert die Offensive durch sein Spielverständnis ab, da er weiß, in welchen Situationen er sich nach vorne einschalten kann und wann nicht.
So entstehen keine zu großen Lücken und kein taktisches Ungleichgewicht. Dabei profitiert er auf der einen Seite von seiner Ausbildung als defensiver Mittelfeldspieler, andererseits von seinem Werdegang unter David Moyes, der ihn zu einem spielstärkeren Strategen machte.
Wenger vertraut Micky
Ist Arteta fit, spielt er - zum Leidwesen einiger Gunners-Fans, die schon länger fordern, den alternden, unspektakulären Spanier zu ersetzen. Doch Wenger vertraut Micky.
"Ich mag Mikel wegen seiner Qualität, seiner Hingabe und seinem Siegeswillen. Er arbeitet sehr gewissenhaft und hat sicher noch ein paar Jahre als Profi übrig", erklärte der Franzose vergangene Saison. Aktuell steht daher sogar eine Vertragsverlängerung im Raum. Für Arteta eine Bestätigung durch den Trainer, die er durch die Fans nur selten erhält.
Mikel Arteta im Steckbrief