Am 5. Spieltag der Königsklasse gibt es gleich dreimal das Duell Bundesliga gegen Premier League. Während die deutschen Vertreter recht souverän durch die Gruppenphase marschieren, kriselt es bei den Klubs von der Insel. Die Engländer wackeln in der Fünfjahreswertung - und haben auch taktisch den Anschluss verloren. Doch es gibt eine Ausnahme. Die Opta-Daten-Analyse.
Bundesliga auf der Überholspur
Der Vorsprung auf die Serie A ist mittlerweile riesig, bald könnte die Liga der Weltmeister sogar an der Premier League vorbeiziehen - zumindest, was die Fünfjahreswertung angeht. 1,977 Punkte sind es noch auf England, denen im internationalen Ranking aber nicht nur die aktuelle Spielzeit zu schaffen macht.
Genau 7,000 Zähler sammelten die Klubs von der Insel heuer auf internationalem Parkett, die deutschen kommen auf den momentanen Europapokal-Höchstwert von 8,285. Zudem wird in der kommenden Saison die Spielzeit 2010/11 in der Rechnung eliminiert, in der Deutschland 15,666 Punkte, die Engländer hingegen 18,357 sammelten. Ist die Bundesliga schon am Mutterland des Fußballs vorbeigezogen?
Wenn es am 4. Spieltag in der Königsklasse zu gleich drei deutsch-englischen Duellen kommt, ist die Ausgangslage klar: Meister Bayern ist bei Meister Manchester City genauso Favorit wie der BVB im Spiel gegen den FC Arsenal. Lediglich Schalke gilt gegen Chelsea als Außenseiter, doch auch die Knappen dürfen sich nach dem 1:1 im Hinspiel an der Stamford Bridge berechtigte Hoffnungen auf Punkte machen.
Ein Blick auf die nackten Zahlen aus der Opta-Datenbank bestätigt die auseinander klaffenden Formkurven eindrucksvoll. In den 16 Spielen der jeweiligen Länder haben Bayern, Dortmund und Co. bei zwölf Siegen, zwei Remis und zwei Niederlagen 38 Punkte geholt. Das sind im Schnitt 1,1 Zähler pro Partie (2,4 zu 1,3) mehr als die englischen Klubs, die bei fünf Siegen, fünf Unentschieden und sechs Niederlagen sogar eine negative Bilanz aufweisen. Nach Beendigung der Gruppenphase war das erst einmal der Fall: In der Spielzeit 1995/96 sorgten die Blackburn Rovers mit vier Pleiten bei nur einem Sieg für den Negativ-Rekord.
Auch in Sachen Tore haben die Bundesliga-Klubs deutlich die Nase vorne. 39 Mal brachten sie das Leder im gegnerischen Gehäuse unter - pro Partie sind das durchschnittlich 0,9 Tore mehr als auf englischer Seite (24 Treffer). Stellt man eine Tabelle nur mit deutschen und englischen Mannschaft für die laufende Saison auf, stehen drei Buli-Klubs an der Spitze, nur Schalke liegt in der schweren Gruppe mit Chelsea und Sporting etwas zurück.
Deutsche und englische Teams im direkten Vergleich: Bayern, der BVB und Leverkusen führen die deutsch-englische Rangliste an Duell an. Gefettet sind die Topwerte der jeweiligen Kategorie vermerkt, kursiv die Negativwerte.
Team | Siege | Remis | Niederlagen | Punkte | Tore | Gegentore | Zu Null |
Borussia Dortmund | 4 | 0 | 0 | 12 | 13 | 1 | 3 |
FC Bayern | 4 | 0 | 0 | 12 | 11 | 1 | 3 |
Bayer Leverkusen | 3 | 0 | 1 | 9 | 7 | 3 | 1 |
FC Chelsea | 2 | 2 | 0 | 8 | 9 | 2 | 2 |
FC Arsenal | 2 | 1 | 1 | 7 | 9 | 7 | 0 |
FC Schalke | 1 | 2 | 1 | 5 | 8 | 9 | 0 |
FC Liverpool | 1 | 0 | 3 | 3 | 2 | 6 | 0 |
Manchester City | 0 | 2 | 2 | 2 | 4 | 6 | 0 |
Was direkte Duelle anbetrifft, sind deutsche Teams sogar seit sieben Spielen gegen Mannschaften von der Insel ungeschlagen (vier Siege, drei Remis). Die letzte deutsche Pleite mussten die Münchner im letztjährigen Vorrundenspiel gegen Manchester City einstecken, die Bayern waren da aber bereits qualifiziert. Von da an erzielten die Engländer in den Aufeinandertreffen nur noch maximal einen Treffer. Vor allem Arsenal, das die letzten vier Heimspiele gegen deutsche Teams verlor, scheint ein dankbarer Gegner zu sein.
Die Glanzzeiten der Premier League, als 2008/09 gleich drei englische Klubs im Halbfinale der Champions League standen, scheinen - zumindest vorerst - vorbei. Nimmt man die Spielzeiten ab 2009/10 gab es mit sechs doppelt so viele deutsche Semifinal-Teilnahmen (4 x Bayern, 1 x BVB, 1 x Schalke) wie englische (2 x Chelsea, 1 x Manchester United).
Aber wie kam es zu dieser Entwicklung in den letzten Jahren? Haben sich die deutschen Klubs so signifikant verbessert - oder liegt es an den Verfehlungen der Engländer?
Fünfjahreswertung: Bundesliga auf der Überholspur
Taktische Mängel: Storm Trooper mit Dynamit in der Hose
Läuferische Mängel: Nur Chelsea glänzt
Storm Trooper mit Dynamit in der Hose
"Das grundlegende Problem liegt schon am Spielertyp, den wir produzieren. Es sind die Früchte einer langen und hartnäckigen Anti-Moderne: Der fuchtelnde Mittelfeld-Storm-Trooper mit Dynamit in der Unterhose und einem Außenbord-Motor zwischen den Ohren. Der sich auftürmende Innenverteidiger-Schrank. Der Mittelstürmer vom Typ mittelalterlicher Belagerungsturm, den man auf seinen Platz gerollt hat, als Ziel für das bevorstehende Bombardement an flammenden Pfeilen, Ochsen-Kadavern, langen Einwürfen - und für Scharmützel am kurzen Pfosten."
Die englischen Medien sind alles andere als zimperlich im Umgang mit dem Fußball auf der Insel. Und der renommierte "Guardian"-Journalist Barney Ronay ist bei Weitem nicht der Einzige, der dem englischen Fußball unterstellt, sich in den letzten Jahren Entwicklungen und Neuerungen verschlossen zu haben - und deswegen ins Hintertreffen geraten zu sein.
"England hat schon zu Beginn die Isolation vorgezogen", schreibt Ronay über die Abschottung gegenüber Ideen von außen. "Zunächst war es irrelevant, dann störend - und mittlerweile beängstigend: Ausländer haben den englischen Fußball immer gestört, der sich die zaghaft heldenhafte Überzeugung bewahrt hat, dass dieser ganze Schnickschnack vorbeigehen wird. Dass die Leute nur Unfug treiben mit ihren weichen Hightech-Bällen, dem Passen und der Taktik."
Zweifelsohne sind es gerade die Verfehlungen im taktischen Bereich, die die Engländer im internationalen Vergleich zurückwerfen. Die Premier League an sich ist spektakulär, das Spiel dynamisch und intensiv. Die Defizite werden aber deutlich, wenn die individuell so gut besetzten Engländer im Vergleich mit den strukturierten und disziplinierten Spitzenteams vom Kontinent ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. "Sie wissen nicht, wie man zusammenarbeitet. Es ist wenig Verständnis für das komplette Spiel da", holte erst kürzlich Uniteds Verteidiger-Legende Gary Neville im "Telegraph" zum Rundumschlag aus.
Als bestes Beispiel dient das mannschaftstaktische Verhalten, vor allem in der Arbeit gegen den Ball und dem (spärlich vorhandenen) Gegen-Pressing. Daten über Dinge wie Tacklings, abgefangene Bälle, Zweikämpfe oder Orte der Fouls zeigen die Unterscheide zwischen deutschen und englischen Teams auch in den Zahlen.
Nimmt man das erste Gruppenspiel des BVB gegen den FC Arsenal, mussten die Gunners am eigenen Leib die Effektivität des frühen Störens erfahren. 87,5 Prozent der BVB-Tacklings waren erfolgreich, von den acht direkten Ballverlusten für die Londoner, die daraus resultierten, fanden fünf noch in deren Hälfte statt. Zum Vergleich: Kein einziges Duell der Londoner (19, 57 Prozent Erfolgsquote) wurde in der Hälfte des BVB geführt.
Fünf von 24 abgefangenen Bällen waren die einzigen Defensiv-Aktionen Arsenals im Borussen-Territorium. Auch in Sachen Fouls machen sich die unterschiedlichen Ausrichtungen klar bemerkbar. Zwölf von 16 Vergehen Arsenals waren in der eigenen Hälfte, der BVB hatte am Ende zehn Vergehen auf dem Konto - sechs davon in Arsenals Hälfte, teilweise direkt am Strafraum.
16. September, Borussia Dortmund - FC Arsenal 2:0: Die Taktiktafel aus dem ersten Gruppenspiel mit Arsenals geführten Tacklings (grün), abgefangenen Bällen (blau) und Fouls (rot). Arsenals Spielrichtung von unten nach oben.
Die Münchner Bayern taten es dem BVB am Folgetag gegen den amtierenden englischen Meister Manchester City gleich. Während die Sky Blues in der Liga mit ihrer physischen Spielweise und der individuellen Klasse dominieren und in den letzten drei Jahren zwei Meistertitel einstrichen, waren sie gegen Peps Pressingmaschine in der Allianz Arena hilflos unterlegen.
Weder konnten die Citizens selbst Akzente in der frühen Arbeit gegen den Ball setzen (nur zwei von zehn Tacklings und einer von 14 abgefangenen Bällen in der FCB-Hälfte), noch kamen die Engländer mit dem frühen Stören der kompletten Mannschaft des deutschen Rekordmeisters zurecht. Der schnappte sich den Ballbesitz in genau der Hälfte der Fälle noch in der City-Hälfte wieder. Alleine in den letzten zwanzig Minuten, in denen die lange glücklosen Münchner auf den Sieg drängten, verlor City den Ball drei Mal direkt in der Gefahrenzone am eigenen Sechzehner.
Legt man in der Taktiktafel die Defensivaktionen beider Mannschaften direkt übereinander, ist gut zu erkennen, dass sich die Tacklings und abgefangenen Bälle der Bayern weiter über den Platz streuen und viel höher angesetzt sind als die der Citizens. Deren Aktionen spielen sich zu einem Großteil Mitte der eigenen Hälfte ab.
Das Argument, dieses Verhalten sei lediglich der erdrückenden Dominanz der Münchner geschuldet, kann dabei auch nur bedingt gelten. Schließlich führte City beispielsweise auch beim wenig ruhmhaften 2:2 gegen ZSKA Moskau nur zwei seiner 19 Attacken auf den Gegner in dessen Hälfte aus.
17. September, FC Bayern - Manchester City 1:0: Davon ausgehend, dass die Spielrichtung beider Teams von unten nach oben geht, ist die deutlich offensivere Ausrichtung der Bayern (weiß) gegenüber Manchesters (grau) zu erkennen. Gezeigt werden Tacklings (grün), abgefangene Bälle (blau) und Ballverluste (rot).
Fünfjahreswertung: Bundesliga auf der Überholspur
Taktische Mängel: Storm Trooper mit Dynamit in der Hose
Läuferische Mängel: Nur Chelsea glänzt
Einziger Hoffnungsträger Chelsea
Bemerkbar macht sich das mangelhafte Spiel gegen den Ball auch in der Laufleistung. Nur geschlagen von den zypriotischen Laufwundern von APOEL (120,22 km im Durchschnitt) stehen die fleißigsten Läufer des Vorjahres aus Dortmund im Ranking auf Rang zwei (120,002 km) und haben am 2. Spieltag gegen Anderlecht sogar die aktuelle und unangefochtene Bestmarke von 123,647 km aufgestellt.
Die Hasardeure aus Leverkusen mit ihrem wilden Überfallpressing haben sich auf Rang fünf gelaufen (118,049 km), direkt dahinter Königsblau mit einer durchschnittlichen Strecke von 117,154 km. Den ersten englischen Vertreter findet man mit dem FC Liverpool auf Platz zehn (116,127 km), Chelsea folgt knapp dahinter auf der Zwölf (114,938 km).
Die Bayern können es sich dank ihrer Dominanz leisten, etwas weniger Strecke zu machen - und dafür den Gegner laufen zu lassen. Die schon sicher als Gruppenerster qualifizierten Münchner kommen auf vergleichsweise niedrige 114,403 Kilometer (Rang 15). Ganz düster sieht's allerdings bei Arsenal und City aus. Die Londoner liegen auf Rang 23 (112,111 km), Manchester City ist das viertschwächste Team, was die Laufleistung angeht. Auf durchschnittlich 109,425 km kommen die Sky Blues pro Spiel - über zehn Kilometer (!) weniger als der BVB. Gegen die Roma liefen die Citizens sogar nur knapp über 105 Kilometer, der drittschwächste Wert der laufenden Saison.
Deutsche und englische Teams im direkten Vergleich: Die Laufleistung der Mannschaften im Durchschnitt und in allen CL-Spielen. Zusammengetragen von "uefa.com".
Rang | Verein | Durchschnitt in km | 1. Spiel | 2. Spiel | 3. Spiel | 4. Spiel |
2 | Borussia Dortmund | 120,002 | 119,813 | 123,647 | 117,533 | 119,014 |
5 | Bayer Leverkusen | 118,049 | 118,434 | 116,915 | 116,033 | 120,812 |
6 | FC Schalke | 117,154 | 119,970 | 115,264 | 116,571 | 116,811 |
10 | FC Liverpool | 116,127 | 119,593 | 109,765 | 120,850 | 114,300 |
12 | FC Chelsea | 114,938 | 117,389 | 109,528 | 119,334 | 113,501 |
15 | FC Bayern | 114,403 | 115,205 | 115,356 | 109,354 | 117,969 |
23 | FC Arsenal | 112,111 | 108,457 | 112,988 | 115,665 | 111,334 |
29 | Manchester City | 109,425 | 109,979 | 105,226 | 113,540 | 108,956 |
Als echte Spitzenmannschaft, die auch ein Wort um den Henkelpott mitreden darf, dürfen sich von der Insel nur die Blues bezeichnen. Schon in seiner ersten Amtszeit an der Stamford Bridge galt Coach Jose Mourinho als innovativ und resistent gegen den taktischen Einheitstrott der BPL. Nach seiner Rückkehr hat der Portugiese eine variable Mannschaft geschaffen, die sowohl mit dem Ball dominieren, als auch den Bus parken und gefährlich kontern kann.
Auch die Zweikampfquote der Blues von 57,1 Prozent ist mit Abstand die beste der englischen Teams, bei den Tacklings müssen sie sich nur den Citizens geschlagen geben (72 zu 81,3 Prozent).
Die Zahlen der laufenden Champions-League-Saison von FC Chelsea und Manchester City im Vergleich.
Fünfjahreswertung: Bundesliga auf der Überholspur