Der Unmögliche

Florian Schimak
14. April 201513:56
Evra bestritt bislang 25 Spiele für die Alte Damegetty
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Patrice Evra stand bereits 2004 mit dem AS Monaco im Champions-League-Finale. Über zehn Jahre danach gehört er bei Juventus Turin vor dem Viertelfinale (Di., 20.45 im LIVE-TICKER) immer noch zu Europas besten Außenverteidigern. Fast unbemerkt verließ er im Sommer Manchester United und wechselte in die Serie A, wo ihm die Eingewöhnung nicht schwer fiel. Doch in seiner Karriere gab es auch einige dunkle Kapitel.

Antonio Valencia setzt sich auf der rechten Angriffsseite gegen David Alaba durch. Die Flanke kommt nicht gut, sie ist in den Rücken der Angreifer gespielt. Doch am zweiten Pfosten kommt Patrice Evra angerauscht und jagt den Ball vom linken Strafraumrand in den rechten Winkel. Manuel Neuer ist machtlos und schaut lediglich hinterher. Evra ist nach dem Treffer von den Mannschaftskollegen nicht mehr einzufangen.

Es sollte der vorerst letzte Treffer für Evra im Trikot von Manchester United sein. Die Red Devils verloren am Ende mit 1:3 gegen die Bayern und schieden im Viertelfinale der letztjährigen CL-Saison aus. Es war somit auch das letzte Tor von United in der Königsklasse bislang. Für die aktuelle Saison qualifizierte sich der Champion von 2008 nicht.

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Evra hingegen hat die Chance, in einem Viertelfinale abermals einen fulminanten Treffer zu erzielen. Mit Juventus Turin trifft der Linksverteidiger auf den AS Monaco (Di., 20.45 im LIVE-TICKER). Ausgerechnet auf den Verein, bei dem ihm der internationale Durchbruch gelang.

Über Paris, Monza und Nizza wechselte der im senegalesischen Dakar geborene Evra 2002 ins Fürstentum. Zwei Jahre später erreichte er mit Monaco völlig überraschend das Finale der Königsklasse, unterlag dort aber dem FC Porto klar mit 0:3. Im Januar 2006 lockte dann die Insel.

Rebell ohne Grund

Sir Alex Ferguson verpflichtete den 1,73 Meter großen Linksfuß und formte ihn zu einem der weltbesten Außenverteidiger. 2008 gewann er mit United den CL-Titel. 2009 und 2011 stand er jeweils im Finale, wurde zudem fünfmal englischer Meister.

Fußballerisch über jeden Zweifel erhaben, sorgte Evra aber immer wieder für negative Schlagzeilen. 2010 sollte er die Equipe Tricolore als Kapitän zum WM-Titel in Südafrika führen. Nach dem Eklat von Bloemfontein, als Nicolas Anelka Trainer Raimond Domenech beleidigt haben soll und nach Hause geschickt wurde, lieferte sich Evra im WM-Quartier eine Auseinandersetzung mit dem Fitnesscoach. Die Mannschaft streikte anschließend, Evra wurde mit Franck Ribery als Rädelsführer des Streiks ausgemacht und im Zuge dessen intern für fünf Länderspiele vom französischen Fußballverband gesperrt.

Im Jahr darauf beschuldigte er seinen Gegenspieler Luiz Suarez im Spiel gegen den FC Liverpool, dass dieser ihn rassistisch beleidigt haben soll. Im Rückspiel nach dem Eklat zwischen United und den Reds verweigerte der Uruguayer Evra den Handschlag. Bis heute sind die Vorfälle zwischen den beiden nicht geklärt.

Kaum erreichtes Level

Neben all den Skandalen hatte sich Evra in den Jahren bei United fast unverzichtbar gemacht. Er galt als Außenverteidiger der neuen Schule, verkörperte den offensiven Part in der Viererkette wie kaum ein Zweiter. Es gab in den letzten Jahren wenig Spieler, die sich so konstant auf einem ähnlichen Level bewegten, wie der Franzose.

SPOXIm Mai 2014 verlängerte er seinen auslaufenden Vertrag im Old Trafford um ein Jahr. Im Sommer des selben Jahres aber folgte der überraschende Abschied. Evra wechselte für läppische 1,5 Millionen Euro nach Italien in die Serie A zu Rekordmeister Juventus Turin.

"Louis van Gaal war über meinen Abschied sehr enttäuscht. Er wollte mich zum Kapitän machen", sagte Evra im Nachhinein über seinen Abschied, der für viele überraschend kam. Heimlich, still und leise verließ er Manchester: "Es war wirklich schwer, United zu verlassen, aber ich traf die Entscheidung bewusst und bereue sie bisher nicht."

Neue Position in Turin? Kein Problem

Gegenüber der englischen Presse gab er vor einigen Wochen an, dass er "persönliche Probleme" bei United hatte und deswegen den Verein nach 379 Spielen verließ. Eigentlich ging man davon aus, dass er seine Karriere in Manchester irgendwann beenden würde. In Turin ist er nun wieder glücklich. Auch wenn Antonio Conte, der ihn nach Turin lockte, nicht mehr Trainer der Bianconeri ist.

"Ich war wirklich überrascht, als Conte im Sommer ging. Er bemühte sich sehr um mich, deswegen wollte ich nur zu Juve. Aber ich bin nicht böse auf ihn, es war seine Entscheidung diesen großartigen Klub zu verlassen. Ich bin hier sehr glücklich hier", sagte Evra.

Die Opta-Heatmap von Patrice Evra im CL-Vorundenspiel gegen Atletico Madrid

Bei Juve spielt Evra nicht selten den linken Part in der Fünferkette. Eine Position, die durchaus anspruchsvoll ist. Gerade für einen bald 34-Jährigen, der in seiner langen Karriere fast ausschließlich in einer Viererkette agiert hat, ist diese Umstellung bemerkenswert.

Unter Massimiliano Allegri hatte Evra zwar in Turin einige Starschwierigkeiten, im Herbst bremste ihn zudem eine Oberschenkelverletzung für mehrere Wochen aus, doch inzwischen ist er uneingeschränkter Stammspieler und Leistungsträger bei der Alten Dame. Der Switch vom englischen Power-Fußball hin zum italienischen Taktik-Calcio fiel ihm nicht schwer. Evra bewegt sich nach über zehn Jahren noch immer auf europäischem Topniveau.

Immer wieder Viertelfinale

Auch in der Equipe Tricolore fand er nach dem Eklat von Südafrika wieder den Weg zurück in den Kader. 2014 scheiterte er in Brasilien im Viertelfinale am DFB-Team. Evra beweist auf seine alten Tage, dass er noch kein Auslaufmodell ist, sondern auch mit seiner Erfahrung helfen kann. Spieler von seinem Format gab es in den letzten Jahren wenige.

Mit der Rückkehr nach Monaco, wo einst seine ruhmreiche internationale Karriere begann, schließt sich der Kreis. Vielleicht gelingt ihm wieder ein ähnlich sehenswerter Treffer, wie gegen den deutschen Rekordmeister vor fast genau einem Jahr - nur mit einem positiveren Ausgang für seine Mannschaft.

Dann wäre der Weg in sein fünftes CL-Finale nicht mehr weit. Und irgendwie wäre Evra dieses auch zuzutrauen.

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