Der Showdown zwischen Real Madrid und Juventus Turin (Mi., 20.45 Uhr im LIVE-TICKER) ist auch das Duell Toni Kroos gegen Andrea Pirlo. Eine Position, zwei Generationen, viele Fragen: Wer hat mehr Einfluss auf sein Team? Kann Pirlo noch auf höchstem Niveau liefern? Wie macht sich der Unterschied zwischen Königsklasse und Liga bemerkbar? SPOX nimmt die Regisseure in der Daten-Analyse unter die Lupe.
Kroos und Pirlo: Metronome unter sich
Auf der einen Seite ein 25-jähriger "Professor", wie Real-Coach Carlo Ancelotti Toni Kroos bereits im weißen Real-Dress betitelte. Der "engagierteste Spieler", den er jemals trainiert habe. Auf der anderen Seite niemand geringeres als Andrea Pirlo. Altmeister, Kultfigur - laut dem flachsenden Gigi Buffon der "Beweis der Existenz Gottes".
Am Mittwochabend geht es auf dem Rasen im Santiago Bernabeu um den Einzug ins Finale der Königsklasse. Es ist aber auch das Aufeinandertreffen zweier Weltklasse-Spieler aus zwei unterschiedlichen Generationen, die ihre Mannschaft von der gleichen Position aus nach Berlin führen wollen.
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Kroos ist einer der Dauerbrenner im weißen Ballett. Der ehemalige Münchner bestritt alleine in der Liga 34 von 36 möglichen Partien und stand auf internationalem Parkett mit Ausnahme des Spiels gegen Razgrad, als er in der Schlussphase eingewechselt wurde, in allen Königsklassen-Partien in der Startelf. Als Teil der Doppelsechs oder - vor allem nach Xabi Alonsos Abgang nach München - als defensivster Mann eines Dreiermittelfelds, zieht der 25-Jährige die Fäden im Madrider Spiel.
Toni Kroos' Spielerstatistiken in der Primera Division 2014/15
Es ist die gleiche Position, auf der sich Pirlo seit seinem Wechsel 2011 zu Juventus unverzichtbar gemacht hat. Mit seiner unnachahmlich gleichgültigen Lässigkeit gibt das fleischgewordene Metronom den Takt beim italienischen Rekordmeister vor, musste aber mit Hüft- und Wadenproblemen in der Serie A mehr als die Hälfte der Saison zuschauen.
Dennoch gilt für Pirlo dasselbe wie für Kroos: In der heimischen Liga sind die Regisseure unantastbar. Kroos gestaltet das Spiel mit einer überragenden Passquote von 92,2 Prozent, Pirlo steht seinem deutschen Gegenüber mit 88,9 Prozent nur geringfügig nach und spielt im Schnitt pro 90 Minuten sogar neun Pässe mehr als Kroos (79 zu 70).
Obwohl Pirlo mit 1502 Einsatzminuten fast nur halb so lange auf dem Platz stand wie Kroos, kommt der Weltmeister von 2006 mit vier Toren und fünf Vorlagen auf genauso viele Scorerpunkte wie sein Pendant (zwei Tore, sieben Assists). Dafür schlägt sich das Klischee, dass Pirlo dem ein oder anderen Zweikampf ganz gerne aus dem Weg geht, auch in den Zahlen nieder. Mit einer Quote von 59,5 Prozent gewonnener Duelle (Pirlo 49,6 Prozent), hat Kroos die Nase klar vorne, und auch bei der Anzahl (328 zu 133) stellt er den Italiener - sogar hochgerechnet auf die gleiche Spielzeit - in den Schatten.
Andrea Pirlos' Spielerstatistiken in der Serie A 2014/15
Doch wie sieht das Ganze auf höchstem Niveau in der Champions League aus? Aus der Sicht von Kroos: Beängstigend gut! In insgesamt elf Spielen stand Kroos auf dem Platz (879 Minuten - Pirlo acht Spiele und 618 Minuten) und erpasste sich eine Quote von 95,1 Prozent. Sogar in des Gegners Hälfte kommen noch 94 Prozent der Zuspiele an - so spät in der Saison sind das märchenhafte Werte.
Beim 35-jährigen Pirlo sinken die Werte auf höchstem Niveau allerdings merklich. Die Passquote (85,7 zu 88,9 Prozent in der Liga), Zuspiele in der Hälfte des Gegners (78,5 zu 83,7 Prozent) und Zweikampfwerte (38,7 zu 49,6 Prozent) sprechen eine deutliche Sprache.
"Das Alter kann man nicht wegtrainieren", hat Pirlo selbst gesagt, der im nicht so dominanten Juve-Spiel in der Königsklasse Fightern wie Arturo Vidal die Hauptrolle im Mittelfeld überlässt und selbst Einfluss verliert. 74 Pässe spielt der Altmeister noch pro Partie - zum einen weniger als in der Liga, zum anderen gestaltet Kroos mit 80 Zuspielen (im Schnitt zehn mehr als in der Liga pro 90 Minuten) das Spiel deutlich aktiver. Wenn auch nicht so sehr wie zu Bayern-Zeiten, als er zum Vergleich in der letzten CL-Saison 104 Pässe pro Partie schlug.
Die Champions-League-Saisons 2014/15 von Toni Kroos und Andrea Pirlo im Vergleich
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Das Hinspiel: Querpass-Toni und der Watschler
Als "letzten Schleicher in der Zeit des Tempofußballs" bezeichnete die Zeit Pirlo vor kurzem und warf die Frage auf, wie lange der "letzte Watschler" denn noch watscheln würde. Lässt man das Hinspiel im Juventus Stadium Revue passieren, drängt sich eine Antwort auf: Vermutlich nicht mehr lange.
Die Italiener hatten in der laufenden Spielzeit nicht gerade Pech, was die Auslosungen in der Königsklasse angeht. Ausgenommen Atletico Madrid in der Gruppenphase (0:1, 0:0) sind die Königlichen das erste wirkliche Schwergewicht, mit dem es die Turiner zu tun bekommen.
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Und trotz des starken Auftritts von Juve war es Pirlo, der nicht nur dem subjektiven Eindruck zufolge gegen Real der größte Unsicherheitsfaktor im italienischen Mittelfeld war. Hektisch bei Reals Gegenpressing und mit teils hanebüchenen Abspielen fiel der Oldie merklich ab - 62,1 Prozent angekommene Anspiele in der Real-Hälfte sind für einen Spieler seiner Klasse indiskutabel.
Doch auch sein Gegenüber Kroos bekam am vergangenen Dienstag wenig Zugriff auf das Spielgeschehen. Zwar fanden immer noch knapp 94 Prozent der Bälle den Mitspieler, doch dürfen sich seine Kritiker, bei denen der 25-Jährige schon zu Bayern-Zeiten als Querpass-Toni verschrien war, die Passmappe aus dem Juventus-Spiel als Beweismittel ausdrucken. Nicht einen vertikalen Ball brachte Kroos in die gefährliche Zone, was man nicht nur an der generellen Rolle als schnelle Umschaltstation und Weiterleiter von Kroos festmachen kann. Trotz der Ballkontrolle waren seine berühmten "Pässe vor dem letzten Pass" ebenfalls Mangelware.
Toni Kroos' angekommene Pässe im Hinspiel gegen Juventus Turin
"Er ist sehr wichtig, vieles von unserem Spiel läuft über ihn", hat Ancelotti über Kroos gesagt. Es war als Kompliment gedacht, doch war das Spiel in Turin die Kehrseite des Lobes. Vor allem ohne den bis Saisonende verletzten Luka Modric lahmt das Real-Spiel merklich, wenn vom Spielgestalter zu wenig Brauchbares in die Spitze kommt. Juventus hängt nicht so extrem an Pirlos Tropf, sondern hat mit Spielern wie Paul Pogba und Arturo Vidal andere Protagonisten, die situativ in die Hauptrolle schlüpfen.
Eine Statistik fällt allerdings merklich aus der Gesamtbetrachtung des alternden Pirlo: 11,895 Kilometer rannte - und watschelte - er gegen Real. Ein Wert, der an diesem Abend nur von Vidal (11,968 Kilometer) getoppt wurde und an den auch Kroos (10,718 Kilometer) nicht herankam.
Das nächste Kuriosum zeigt sich dann beim Blick auf die Heatmap. Pirlo war viel unterwegs, beackerte dabei aber fast ausschließlich den zentralen Raum zwischen eigenem Strafraum und Mittelkreis. Präsenz in der Hälfte des Gegners gab's eher von Gegenüber Kroos, der zwar über einen Kilometer weniger lief, vor allem aber über die Länge des Platzes einen bedeutend größeren Aktionsradius hatte.
Andrea Pirlos' Aktionsradius im Hinspiel gegen Real Madrid
Auf Juventus und auch Pirlo wartet am Mittwoch (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) trotz der fabelhaften Ausgangslage eine Herkules-Aufgabe. Zerlegt Kroos die Bianconeri mit seinen präzisen Pässen? Oder hält Juve dem Druck stand? Für Pirlo eigentlich kein Problem, so schreibt er doch in seiner Biographie: "Ich spüre keinen Druck, er kümmert mich nicht. Den Nachmittag des 9. Juli 2006 verbrachte ich in Berlin schlafend und an der Playstation. Am Abend ging ich raus und gewann den WM-Pokal."