Von Louis van Gaal, dem früheren Trainer des FC Bayern München und aktuellen Chefcoach von Manchester United, ist die Botschaft überliefert, er habe einen Körper wie Gott. Paris Saint-Germains Weltklassestürmer Zlatan Ibrahimovic reduziert sich nicht nur auf den Körper - ein Zlatan reduziert sich grundsätzlich auf Nichts - und sieht sich im Ganzen als eine Art Allmächtiger. Real Madrids Ausnahmefigur Cristiano Ronaldo tut schon seit jeher so, als wäre er alles, bloß kein Normalsterblicher.
Von Medhi Benatia ist dergleichen nichts bekannt. Zum einen ist es der Kultur seines familiären Ursprungs fremd, sich mit Gott zu vergleichen. Zum anderen liegt es dem 28 Jahre alten Marokkaner fern, große Töne zu spucken.
Dabei haben ihm seine Eltern den Namen Medhi mit auf dem Weg des Lebens gegeben. Ein Medhi, oder ein Mehdi, ist nach Glauben des Islams ein Gottgesandter, der die Menschheit zum rechten Weg weisen, irgendwann die Gerechtigkeit herstellen wird. In der arabischen Welt ist der Name weitverbreitet. Die Auswahl des Namens hat in diesen Fällen aber zumeist nicht die Intention, dass der Nachwuchs durch die Namensgebung irgendwann nachhaltig die Welt verändern soll.
Benatia oder nix
Bei Benatias Eltern war es nicht anders, zumal der Sohn eines Marokkaners und einer Algerierin in Courcouronnes, einem Städtchen südlich von Paris, geboren wurde. In der 13.000-Seelen-Gemeinde leben zwar Einwanderer aus Marokko, Algerien, der Türkei oder aus Portugal, jedoch ist es kein klassischer Pariser Vorort mit hohem Migrantenanteil. Benatia wuchs relativ französisch auf - auch bedingt durch die frühe Ausbildung in der Centre technique national Fernand-Sastre, dem Leistungszentrum des Französischen Fußballverbandes. Bis zu seinem 15. Lebensjahr lernte er dort.
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Auch der FC Bayern holte Benatia im Sommer nicht vom AS Rom, damit er übermenschliche Wunder vollbringt. Der 28-Jährige war ein Wunschspieler des Trainers, der besonders nach dem Ausfall Javi Martinez' und der Fragezeichen um Holger Badstubers Fitness noch einen Innenverteidiger suchte und wie schon einst im Fall Thiago Alcantara die klare Forderung stellte: Benatia oder nix.
Wie bei Thiago zahlte der FC Bayern fast 30 Millionen Euro Ablöse. Ein Zeichen der Wertschätzung. Benatia war auf dem Markt zwar ein gehandelter Spieler, die Transfersumme erschien dem einen oder anderen dennoch zu hoch. Guardiola war der Preis egal. Der Katalane war über den Transfer so glücklich, dass er sich auf einer Pressekonferenz im Sommer öffentlich beim Vorstand bedankte, dass man den Wechsel realisieren konnte.
Wenn es wichtig wird, spielt Benatia
Welche Wichtigkeit Benatia für Pep hat, zeigt das Arbeitszeugnis des 1,94-Meter-Mannes. Immer, wenn es wichtig wurde und Benatia gerade fit war, spielte er bisher. Ohne Wenn und Aber. Trotz der vielen Wehwehchen und Verletzungen, die den Kapitän Marokkos in seiner ersten Bayern-Saison begleiteten.
"Dass er mich nach nur zwei Trainingstagen spielen lässt, freut mich sehr", sagt Benatia über das Vertrauen seines Trainers. Zuletzt spielte er im Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund von Beginn an, obwohl es vorher unrealistisch schien, dass Benatia überhaupt im Kader steht. "Das Vertrauen ist da", sagt Benatia voller Stolz.
Von den bedeutenden Spielen in dieser Saison verpasste er als fitter Spieler nur das Gastspiel beim VfL Wolfsburg (1:4), weil er vorher die Winter-Vorbereitung nicht absolvieren konnte. Ansonsten spielte er.
Wichtige Rolle
Benatia wird auch am Mittwochabend im Camp Nou auf dem Platz stehen, wenn der FC Bayern im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals beim FC Barcelona gastiert.
Benatia nimmt eine wichtige Rolle ein, die er ohne Glamour, aber mit Erfolg ausführt. Guardiola braucht Jerome Boateng, damit dieser die Bälle hinten sauber heraus spielt und den Aufbau früh forciert. Benatia ist dafür da, die Bälle für Boatengs Aufbauspiel zu erobern und weiterzubearbeiten.
Benatia gelingt der Ballgewinn nicht nur durch eine sehr körperliche Spielweise, indem er seine mächtige Statur einsetzt, sondern auch dank einer verblüffenden Sicherheit am Ball. Selbst in widrigsten Situationen gewinnt Benatia viele Zweikämpfe, schafft es zumeist ohne Foul, den Ball seinem Gegner wegzunehmen. Matthias Sammer bezeichnete ihn deswegen schon mal als "Feger".
"Er ist robust, er ist aggressiv und er ist spielstark", lobt Sammer den früheren Römer und legt dann nochmal nach: "Er hat das Kopfballspiel, das Passspiel, das Antizipieren und die Schnelligkeit inne. Ein super Spieler."
Tiki Taka auf marokkanische Art
Auffällig ist, wie schnell Benatia Guardiolas Fußball verstanden hat. Obwohl er erst nach der Sommervorbereitung kam und oft verletzt war, brauchte er keine sonderliche Eingewöhnungszeit. "Es ist nicht leicht für ihn und es ist nicht selbstverständlich, dass er uns sofort so geholfen hat", sagte Guardiola vor geraumer Zeit. Der Katalane setzt viel voraus, justiert und schraubt an jedem seiner Spieler - auch während der 90 Minuten.
Der neue Mann spielt so pragmatisch, dass man da nicht mehr viel eingreifen muss. Benatia spielt keinen Pique-Pass in die Tiefe, er spielt die einfachen Bälle, die seine Mitspieler ohne Mühe nutzen können. Er gewinnt Bälle und gibt sie sofort weiter. Tiki Taka auf marokkanische Art.
Stärken, die der FC Bayern vor allem in den beiden Spielen gegen den FC Barcelona brauchen wird. Es gibt sicher einfachere Aufgaben auf dieser Welt, als Luis Suarez, Neymar und Lionel Messi den Ball wegzunehmen, einfachere Jobs als die Balleroberung gegen die womöglich spielstärksten Angreifer der Welt. "Wenn Messi so spielt, wie ich es erwarte, wird es unmöglich sein", sagt gar Trainer Guardiola.
Das Unmögliche ist dann vornehmlich die Aufgabe Benatias, der sich auf das dreifache Duell schon mal mental einstellt: "Persönlich respektiere ich alle drei Spieler. Aber auf dem Platz werde ich ihnen 90 Minuten keinen Respekt zeigen." Der Feger aus Courcouronnes hat eine große Aufgabe vor sich. Aber es ist nun mal nicht leicht, ein Medhi zu sein.
Medhi Benatia im Steckbrief