"Warum schon wieder Müller?"

Fatih DemireliDavid KreislAndreas Lehner
07. Mai 201516:48
Typisch unkonventionell: Thomas Müller im Zweikampf mit Javier Mascheranogetty
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Der FC Bayern kassiert eine 0:3-Niederlage beim FC Barcelona und steht in der Champions League vor dem Aus. Die Partie und die Höhe der Pleite werfen natürlich auch einige Fragen auf. Die SPOX-Redakteure Fatih Demireli, David Kreisl, Andreas Lehner und mySPOX-User Schnumbi lassen das Spiel im Camp Nou Revue passieren.

Hat sich mit Pep mit der Mittelfeld-Besetzung verzockt?

Fatih Demireli (SPOX): Hätten die Bayern noch ein paar Minuten durchgehalten oder hätten sie nur knapp verloren, hätte Pep Guardiola Recht behalten. So muss er sich aber ein paar Fragen gefallen lassen. Allerdings war die Besetzung des Mittelfelds auch unabhängig von Ausgang und Verlauf des Spiels für meinen Geschmack mit zu vielen Kompromissen versehen. Thiago, Lahm, Schweinsteiger, Alonso. Das ist ein zentraler Mann zu viel. Eigentlich sogar zwei, bedenkt man, dass Lahm ganz offensichtlich nicht fit ist, Schweinsteiger und Alonso einen Tick zu langsam agieren und Thiago zumindest an diesem Abend andere Schwerpunkte gesetzt hat. Zumindest Letzteres kann man Pep aber nicht vorwerfen.

David Kreisl (SPOX): Nun gut, großartig andere Optionen hatte Pep ob der Personallage ja nicht. Letztes Jahr ließ Pep im Rückspiel gegen Real attackieren, anstatt das Spiel zu kontrollieren - die "größte Scheiße", die er als Coach jemals fabriziert hat, wie er selbst sagt. Gegen die präzisen Überfallangriffe der Katalanen vier ballsichere Spieler zu bringen, ist sicher kein verkehrter Ansatz. Bloß waren die - warum auch immer - von Anfang an komplett verunsichert, mutlos und physisch nicht wirklich auf der Höhe. Xabi Alonso vielleicht ausgenommen. Es lag für mich nicht an den Namen, es lag an deren Auftreten.

Andreas Lehner (SPOX): Das Mittelfeld hatte einen klaren Nachteil in Sachen Tempo, das wurde besonders in der Anfangsphase sichtbar. Nachdem Bayern über den ganzen Platz Mann-gegen-Mann verteidigte, war das natürlich riskant. Auf der anderen Seite bekam Bayern im Laufe des Spiels und vor allem in der zweiten Halbzeit durch die Besetzung Kontrolle im Mittelfeld. Alonso strahlte eine Sicherheit aus wie seit Wochen nicht. Auch Lahm war in der zweiten Hälfte prägend. Was fehlte, war dann die Geschwindigkeit im letzten Drittel. Das hatte Barca und das war der Unterschied.

mySPOX-user Schnumbi: Nein. Ich fand die Aufstellung von Pep sehr mutig. Allerdings gibt es aktuell auch wenige Optionen für den Trainer und somit stellt sich unsere Mannschaft zurzeit quasi von alleine auf. Man hat aber im Camp Nou auch deutlich gesehen, dass es trotz aller Erfahrung Schweinsteiger, Alonso und Lahm an der nötigen Handlungsschnelligkeit fehlte.

Hat sich mit Pep mit der Mittelfeld-Besetzung verzockt?

War die Dreierkette eine gute Idee?

Sind die Verletzungen Schuld an der Niederlage?

Hätte Götze spielen müssen?

Ist dieses Barcelona besiegbar?

War die Dreierkette eine gute Idee?

Fatih Demireli (SPOX): Sie wäre eine gute Idee gewesen, wenn sie zentral mit Javi Martinez besetzt worden wäre. So aber spielte Rafinha links in der Dreierkette und war damit total überfordert. Die Intention war nachvollziehbar, die Umsetzung war mittelmäßig: Pep wollte das Unmögliche machen und mit seinen "Giftzwergen" Rafinha und Bernat Messi die Fußballlust rauben. Geraubt hat dann Messi der gesamten Bayern-Elf die Lust auf das Rückspiel.

David Kreisl (SPOX): Mann gegen Mann gegen El Tridente verteidigen zu lassen, das war mehr als gewagt. Dass die Dreierkette keine allzu gute Idee war, hat Pep ja quasi selbst zugegeben, als er sie nach 15 Minuten und zwei Hundertprozentigen für Barca korrigiert hat. Doch davon abgesehen, dass die anfängliche taktische Ausrichtung von Pep später nicht mit der Erfindung des Rads auf eine Stufe gestellt wird: Die Münchner haben die Anfangsphase mit Dreierkette überlebt, für den Ausgang des Spiels hatte dieses misslungene Experiment keinerlei Auswirkungen.

Andreas Lehner (SPOX): Die Idee war gut, aber die Umsetzung klappte nicht. Da kommt auch wieder das Thema Geschwindigkeit in den direkten Duellen zum Tragen. Das hätte Guardiola vielleicht vorhersehen können. Aber er hat's probiert und nach 15 Minuten geändert, beim Stand von 0:0. Und alle Spieler wussten, wie sie sich nach der Umstellung zu verhalten hatten. Also alles kein Problem.

mySPOX-user Schnumbi: Generell ist das ein probates Mittel, um Überzahl im Mittelfeld zu erzeugen. Eine Dreierkette ist es eigentlich auch nur im Spielaufbau. Je nach Situation lassen sich Spieler ggf. zurückfallen und es entsteht eine Vierer- oder Fünferkette. Allerdings sollte man im Spielaufbau tunlichst Fehler in der Spieleröffnung vermeiden, sonst hat man natürlich ein Problem. Gerade dann wenn es dann ins Eins-gegen-eins gegen Messi oder Neymar geht.

Hat sich mit Pep mit der Mittelfeld-Besetzung verzockt?

War die Dreierkette eine gute Idee?

Sind die Verletzungen Schuld an der Niederlage?

Hätte Götze spielen müssen?

Ist dieses Barcelona besiegbar?

Sind die Verletzungen Schuld an der Niederlage?

Fatih Demireli (SPOX): Sicherlich haben Robben, Ribery und Alaba schmerzlich gefehlt, weil sie für ein gewisses Spieltempo stehen. Das Spieltempo, das den Bayern im Camp Nou abgegangen ist. Aber hey! Lewandowski, Müller, Thiago, Schweinsteiger und Co. - das ist keine Laufkundschaft. Das ist extrem viel Qualität, die man aber nicht sah. Vielmehr als die spielerischen Qualitäten vermisste der FC Bayern den Mut und den Siegeswillen eines Arjen Robben. Er hätte in einer Phase, in der Barcelona nach der Pause etwas nervös wurde, die Mannschaft angetrieben, um einen entscheidenden Stich zu setzen.

David Kreisl (SPOX): Die alleinige Schuld bei den Verletzten zu suchen wäre zu billig. Trotzdem kommt man bei der Einordnung der Niederlage um die Betrachtung der Personallage nicht herum. Benatia, Lahm, Schweinsteiger und Thiago waren ewig oder immer wieder verletzt. Lewandowski spielte trotz schwerer Gesichtsverletzung mit Maske. Mit Robben und Ribery fehlte eine der besten Flügelzangen der Welt und mit Alaba ein unglaublich wichtiger Spieler im Mittelfeld. Es ist, wie ich glaube, nicht verwerflich zu sagen, dass es mit voller Kapelle wohl anders geendet hätte. Doch stand da ungeachtet dessen gestern Abend so viel Qualität auf dem Platz, dass so ein Spiel nicht 0:3 ausgehen darf - trotz aller Personalsorgen.

Andreas Lehner (SPOX): Schuld sind sie nicht, Schuld sind die Fehler wie von Bernat vor dem 0:1. Oder die mangelnde Defensivbewegung von Götze und Thiago vor dem 0:2. Oder das kopflose Anrennen in der Nachspielzeit vor dem 0:3. Die Verletzten sind eine Erklärung. Zumal ja auch mit Thiago, Lahm und Schweinsteiger Spieler lange nicht dabei waren und körperlich nicht am Maximum sind. Deshalb auch bezeichnend, dass wie schon gegen Dortmund das Spiel in der Schlussphase aus der Hand gegeben wird.

mySPOX-user Schnumbi: Einen Schuldigen für diese Niederlage zu suchen, ist schwierig und im Nachhinein sinnlos. Es bringt in meinen Augen nichts darüber zu philosophieren, was gewesen wäre wenn. Wenn beispielsweise Robben und Ribery dabei gewesen wären.... Wir wissen es nicht. Vielleicht hätte dann Barcelona völlig anders gespielt. Fakt ist und das hat man gestern auch wieder deutlich gesehen, dass uns gegen Ende der Partie die Energie ausging. Gegen solch ein Team 90 Minuten die Konzentration aufrechtzuhalten, ist fast unmöglich. Matthias Sammer fand nach der Partie die passenden Worte. "Wir sind an unsere Grenzen gestoßen."

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Hätte Götze spielen müssen?

Ist dieses Barcelona besiegbar?

Die Opta-Daten aller Spieler des FC Barcelona und des FC Bayern im Vergleich

Hätte Götze spielen müssen?

Fatih Demireli (SPOX): Wenn Robben und Ribery ausfallen und Lewandowski angeschlagen ist, muss Götze eigentlich spielen. Wenn Götze unter diesen Umständen keine Option für die Startelf ist, muss er sich hinterfragen.

David Kreisl (SPOX): Es ist schon ein recht klares Statement von Guardiola, Götze bei der angespannten Personallage in so einem Spiel auf der Bank zu lassen. Andererseits: Was, außer der Name, hätte nach den Auftritten in den letzten Wochen für Götze gesprochen? Der Ex-Dortmunder hatte eine starke Hinrunde, hängt aber momentan in einem Loch. Dass ich als Trainer so jemanden nicht im Camp Nou ins CL-Halbfinale schmeiße, ist doch klar.

Andreas Lehner (SPOX): Wieso? Er hat sich in den letzten Wochen nicht aufgedrängt und Lewandowski und Müller strahlen als Angreifer mehr Torgefahr aus. Die Frage, die ich sehe: Warum hat Guardiola Götze überhaupt eingewechselt? Und warum erwischte es schon wieder Müller?

mySPOX-user Schnumbi: Das ist sicher eine berechtigte Frage. Aber ernsthaft, ich lass mich nicht auf den Abgesang eines 22-jährigen Spielers ein. Gegenfrage, wen hätte man dafür draußen lassen sollen? Guardiola ist logischerweise näher an der Mannschaft als wir alle und er wird seine Gründe gehabt haben, warum er Götze aktuell in solchen Spielen nicht von Beginn an einsetzt.

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War die Dreierkette eine gute Idee?

Sind die Verletzungen Schuld an der Niederlage?

Hätte Götze spielen müssen?

Ist dieses Barcelona besiegbar?

Ist dieses Barcelona besiegbar?

Fatih Demireli (SPOX): Derzeit? Nein! Ich muss zugeben, dass ich von der Wucht der Qualität überrascht war. Und wer diese Mannschaft nur auf Messi, Neymar und Suarez reduziert, macht einen großen Fehler. Ach ja: Seit wann spielt eigentlich Dani Alves wieder in der Form von 2007?

David Kreisl (SPOX): Barca ist in der aktuellen Verfassung klar die beste Mannschaft, die derzeit die Fußballplätze dieser Welt unsicher macht. Sind Messi & Co. deswegen unbesiegbar? Absolut nicht! So stammtischig es sich auch anhört: Wenn man von Beginn an die Hosen voll hat (wie die Bayern gestern), wenn man in keinen wichtigen Zweikampf kommt (wie die Bayern gestern) und wenn man nicht aufs Tor schießt (wie die Bayern gestern), dann wird's natürlich knifflig. Dennoch ist für die Münchner ein Sieg im Rückspiel drin. Für den Finaleinzug wird's aber definitiv nicht reichen.

Andreas Lehner (SPOX): Achtung, Phrase: Jede Mannschaft ist schlagbar. Selbst gestern war Barca schlagbar. Bayern hatte nach einer schwachen Anfangsphase das Spiel beruhigt, aber war offensiv nicht klar genug. Aber was wenn Lewandowski zum 1:0 trifft? Oder Alves Lewandowski nicht vorm Strafraum loslässt und es Elfmeter gibt? Oder Müller nicht hauchdünn im Abseits steht, als er allein aufs Tor geht. Und ganz bitter: Die Standards waren durchweg schlecht. Der Freistoß von Alonso aus 18 Metern, die Freistoßflanken und die Ecken, da kam nichts Gefährliches heraus.

mySPOX-user Schnumbi: Generell halte ich jedes Team für besiegbar, auch dieses Barcelona. Nun könnten wir wieder darüber fabulieren, was passiert wäre, wenn Lewandowski das 0:1 gemacht hätte. Natürlich und - da müssen wir nicht lange drum herumreden - ist es extrem schwer, gegen solch einen Top-Gegner zu bestehen. Gerade wenn sich ihre Offensive auch noch in Topform präsentiert. Ein gewaltiger Unterschied zu 2013 ist auch, dass sich nicht alle Last auf Messis Schultern verteilte, sondern er solche Spieler wie Neymar oder Suarez um sich weiß.

Hat sich mit Pep mit der Mittelfeld-Besetzung verzockt?

War die Dreierkette eine gute Idee?

Sind die Verletzungen Schuld an der Niederlage?

Hätte Götze spielen müssen?

Ist dieses Barcelona besiegbar?