Wenn man zurzeit über Frankreich spricht, kommt man an einem Thema nicht vorbei: die Terroranschläge vom 13. November. Christian Karembeu war an diesem Abend im Stade de France. Zum ersten Mal in seinem Leben habe er in einem Stadion Angst gehabt, sagte der ehemalige Nationalspieler.
Frankreich ist in der Folge zusammengerückt, die Marseillaise wurde plötzlich zur Hymne der Freiheit, die selbst im Londoner Wembleystadion von Engländern gesungen wurde. Mit allzu ausgeprägtem Nationalismus konnte Karembeu aber noch nie etwas anfangen. Die Rechten in Frankreich und in Europa versuchten auch gleich, mit ihren erwartbaren Reaktionen die Angst der Menschen zu instrumentalisieren.
Auch Karembeu wurde 1996 schon selbst Opfer rechtsnationalistischer Pöbeleien des Front-National-Chefs Jean-Marie Le Pen, weil er wie manch anderer seiner Kollegen die Hymne nicht sang. Karembeu hat aufgrund seiner Geschichte auch durchaus ein zwiespältiges Verhältnis zu Frankreich und der Marseillaise.
Mit 17 über Nacht erwachsen
Karembeu wurde 1970 in Neukaledonien geboren. Mit 17 Geschwistern wuchs er auf der zu Frankreich gehörenden Inselgruppe im Pazifik auf. Er selbst bezeichnet sich als "Kind der Insel", hat sich aber entgegen aller Anfeindungen auch immer klar zu Frankreich bekannt. "Auch wenn die Beziehungen zum Mutterland nicht immer reibungslos verliefen, sind wir alle mit Frankreich verbunden. Wir gehören zu Frankreich, sind Franzosen", sagt Karembeu.
Mit 17 Jahren schickten ihn seine Eltern nach Frankreich. Die Bestrebungen nach Unabhängigkeit hatten auf der Insel zu Unruhen geführt und Karembeu bot sich durch seine Qualität als Fußballer die Möglichkeit, in Nantes ein neues Leben zu beginnen.
72 Stunden dauerte die Reise. 20.000 Kilometer von seiner Familie entfernt musste er quasi über Nacht erwachsen werden. "Ich musste Verantwortung übernehmen - mit 17 wurde ich zum Mann", sagt der heute 44-Jährige.
Gesellschaft im Blick
Karembeu hat es gepackt. Er wurde beim FC Nantes zum Profi, kam über Sampdoria Genua zu Real Madrid und gewann mit den Königlichen 2000 und 2002 zwei Mal die Champions League. Mit Frankreich wurde er 1998 Weltmeister und 2000 Europameister. Er spielte auch noch für Olympiakos, Servette Genf und den SC Bastia, ehe er 2006 seine aktive Karriere beendete.
Karembeu hat viel gewonnen in seinem Leben, das Wichtigste waren die Pokale aber nicht. "Neben meinem Fußballerdasein war ich vor allem Mensch", sagt er.
Gesellschaftliche Themen haben ihn schon immer bewegt. Den Sport und den Fußball hat Karembeu bei all seinen Bemühungen stets als integrative Kraft verstanden. Auch als Frankreich nach den Anschlägen von Paris am Dienstag drauf in Wembley spielte, zitierte er im Fernsehen Nelson Mandela und pries die vereinigende Wirkung des Fußballs.
"Fußball ist ein einfaches Spiegelbild der Gesellschaft. Aber er bietet auch eine einzigartige Plattform, um zu erleben, wie die Vielfalt gefördert wird", sagt Karembeu. "Fußball ist der populärste Sport der Welt, in dem Leistung der Schlüsselfaktor ist, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Nationalität, sexueller Orientierung oder Religion."
Vorfahren bei Kolonialausstellung vorgeführt
Wie entwürdigend Rassismus ist, haben Karembeu und seine Familie am eigenen Leib gespürt.Seine beiden Urgroßväter wurden mit über 100 weiteren Bewohnern Neukaledoniens auf der Pariser Kolonialausstellung 1931 in einem menschlichen Zoo zur Schau gestellt.
Danach wurden sie "im Tausch gegen Krokodile nach Deutschland gebracht, wo sie wie Tiere im Käfig gehalten wurden und die Menge als angebliche Menschenfresser zu belustigen hatten", wie er 2012 im SPOX-Interview verriet.
Trotz dieser Erfahrungen ist Karembeu zu einem sozialen Vordenker der Branche gereift, der über die Jahre hinweg als Botschafter verschiedener Wohltätigkeitsorganisationen aufgetreten ist und für eine gerechte, friedliche Welt ohne Rassismus kämpft.
Ehe mit Adriana zerbrochen
Dem Menschen Karembeu ist beileibe nicht alles gelungen in seinem Leben. Anfang 2011 ging seine Ehe mit dem slowakischen Supermodel Adriana in die Brüche. Beide hätten sich nach dem Ende seiner Fußballerkarriere auseinandergelebt, ließ Adriana Karembeu wissen.
Aber Christian Karembeu hat früh gelernt, Höhen und Tiefen in seinem Leben zu akzeptieren und damit umzugehen. Die Trennung von seiner Frau war zwar auch in den Klatschspalten zu finden, aber ein schmutziges Boulevardthema ist nicht daraus geworden. Die Karembeus waren kein Glamourpärchen wie die Beckhams.
Neue Rolle bei Olympiakos
Im Juni 2013 hat Karembeu dann auch wieder eine Rolle im Profi-Fußball übernommen und wurde Strategischer Berater bei seinem ehemaligen Klub Olympiakos Piräus. Dort steht er der Führungsriege mit seinem Rat zur Seite und soll auch die internationalen Beziehungen des Klubs unterhalten.
Dass auch in dieser Rolle die Menschlichkeit ein zentraler Aspekt ist, zeigte die Verpflichtung von Eric Abidal im Juli 2014. Als dieser dann Anfang des Jahres seine Karriere beendete, sagte Karembeu, ihm stehe die Tür jederzeit offen.
Außerdem setzt er sich dafür ein, dem Nachwuchs im eigenen Verein eine größere Rolle zu geben. "Wir müssen die jungen Spieler gut ausbilden und im Scouting klug vorgehen, dann kann das für uns ein Segen sein", sagt Karembeu. "Unser Ziel ist es, das Projekt nachhaltig und erfolgreich zu betreiben."
Olympiakos: Kader, Termine, Ergebnisse