"Ich hätte mir interne Kritik gewünscht"

Andre Schürrle bereitete beim deutschen WM-Sieg 2014 das Siegtor per Flanke vor
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SPOX: Sie kamen mit wenig Spielpraxis nach Wolfsburg, dazu wurde in England seltener trainiert. Waren Sie dennoch überrascht, dass Sie so schwer in Tritt kamen?

Schürrle: Ich hatte nicht erwartet, dass mir das so lange hinterher hängt - besonders, was die nötige Spielfitness angeht. Ich wollte in relativ kurzer Zeit viel aufholen, doch mir hat die Substanz gefehlt, diese neuen Belastungen auch sofort wegstecken zu können. Ich habe dann versucht, immer mehr zu machen, mich aber letztlich im Kreis gedreht.

SPOX: Zahlreiche deutsche Nationalspieler fielen nach der WM 2014 in ein Loch, was angesichts der kurzen Erholungspause auch nicht verwunderte. Sollte man den Rahmenterminkalender entzerren, da die Belastung der Spieler an ihre Grenzen stößt?

Schürrle: Es ist gerade für die großen Klubs, die dann auch lange im Europapokal vertreten sind und viele Nationalspieler stellen, fast schon zu viel. Es gibt kaum Pausen für die Spieler, besonders muskuläre Verletzungen häufen sich. Die Erholungszeit während der Sommerpause ist extrem eng bemessen. Da fällt es schwer, nach den monatelangen Belastungen ausreichend zu regenerieren - auch im Kopf, der eine wichtige Rolle spielt. Man sollte in Zukunft aufpassen, das Rad nicht noch immer weiter drehen zu wollen.

SPOX: Sie hatten besonders in Ihrer ersten Saison bei Chelsea sehr gute, nach der WM allerdings auch weniger gute Phasen. Woran hatten Sie in England am meisten zu knabbern?

Schürrle: Der Leistungsdruck war enorm hoch. Es gab diesen Kreislauf: Du stehst in der Startelf, machst du aber ein etwas schwächeres Spiel, dann sitzt du in der nächsten Partie fast hundertprozentig draußen und musst dich wieder herankämpfen. Zumal die Mannschaft in den meisten Fällen auch ohne dich gewinnen kann. Anfangs war es nicht ganz einfach, damit richtig umzugehen. Doch es treibt einen auch an.

SPOX: Sie haben schon viele Trainer in Ihrer Karriere erlebt, doch niemand kommt wohl an die schillernde Persönlichkeit Jose Mourinhos heran. Wie haben Sie ihn wahrgenommen?

Schürrle: Jose Mourinho ordnet dem Erfolg alles unter. Bei ihm weiß man zu jeder Zeit, was mit einem passiert. Die Rückmeldung ist super und immer transparent. Egal, was er tut: Er will aus seinen Spielern das Bestmögliche herausholen. Es ist nicht immer leicht, diesen Umgang auch für sich selbst zu nutzen, da man als Spieler in jeder Partie auflaufen möchte. Ich wusste aber schnell, dass er mich letztlich besser machen möchte.

SPOX: Er kann sicherlich auch sehr aufbrausend und bestimmend sein.

Schürrle: Natürlich, er ist der Boss und es geht nur nach seinen Regeln. Man muss seinem Weg bedingungslos folgen, aber er weiß einfach auch, wie man Spieler anzupacken hat. Das kann auch mal etwas kompliziert sein, doch man hat einen regen Austausch mit ihm und kann immer in sein Büro kommen. Ich habe mich oft mit ihm zusammengesetzt.

SPOX: Was macht denn in handwerklicher Hinsicht die Faszination des Trainers Mourinho aus?

Schürrle: Er ist sehr besessen von den taktischen Aspekten des Spiels. Wir haben ständig per Video, an der Taktiktafel oder auch auf dem Platz analysiert - sowohl unser eigenes Verhalten als auch das des nächsten Gegners. Besonders vor den großen Spielen war uns klar: Jetzt geht es rund, jetzt müssen wir zu 100 Prozent da sein, um seine Informationen aufzusaugen. Er hatte immer einen Plan, die Kontrahenten waren bis in den hintersten Winkel durchleuchtet.

SPOX: Welche Rolle spielte Mourinho denn bei Ihrem Wechsel von Leverkusen nach London?

Schürrle: Die ersten Kontakte gab es, als noch nicht klar war, dass er Trainer wird. Als das dann bestätigt war und er mich auch wollte, haben wir den Wechsel finalisiert. Aber ich wäre auch dorthin gegangen, wenn er nicht der Trainer geworden wäre.

SPOX: Welche Beziehung hatten Sie denn zu Klub-Eigentümer Roman Abramowitsch, ist er für einen Spieler überhaupt greifbar?

Schürrle: Nach den richtig wichtigen Siegen kam er in die Kabine und man hat ein bisschen Smalltalk gehalten. Er ist sympathisch und wirkt eher zurückhaltend.

SPOX: Mourinho wollte Sie eigentlich bei den Blues halten. Sie aber meinten, nicht mehr die volle Rückendeckung gespürt zu haben. Wieso?

Schürrle: Gerade gegen Ende meiner Zeit stand ich nicht häufig in der Startelf. Doch das war ja mein Anspruch. Ich habe daher die Chance gesehen, nach Deutschland in meine Heimat zu einem Verein zurückzukehren, der ein unglaublich interessantes Projekt gestartet hatte. Da wollte ich unbedingt dabei sein, zumal mir dann Chelsea auch keine Steine in den Weg gelegt hat.

SPOX: Wieso hatte sich Ihr Standing in London nach dem WM-Titel nicht derart verändert, dass Sie eine dominantere Rolle hätten einnehmen können?

Schürrle: Direkt nach der WM hat es sich schon extrem verändert. Im ersten Gespräch mit Jose Mourinho nach dem Titelgewinn meinte er, ich solle zusehen, in den nächsten zwei Wochen so fit zu werden, dass ich das erste Ligaspiel gleich von Beginn an absolvieren könne. Er hat auf mich gesetzt. Es hat dann auch super angefangen, ich habe gleich ein Tor geschossen und häufig gespielt. Ich konnte dann aber meine Leistung nicht halten. Fitness und Spritzigkeit haben gelitten, wohl auch aufgrund der kurzen Pause im Sommer. Dann trat wieder der Kreislauf ein, von dem ich vorhin gesprochen habe - und das wollte ich verändern.

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