Atletico Madrid hatte extra den großen VIP-Raum hinter der Haupttribüne freigeräumt. An den Wänden spiegelte sich am 113. Geburtstag des Klubs die Vergangenheit in Schwarz-weiß-Fotos und die Zukunft mit einer Grafik des neuen Stadions wider.
Atletico hatte sich vorbereitet auf den großen Ansturm, den ein Halbfinale in der Champions League nun mal mit sich bringt. Allerdings wurde der viele Platz nur unzureichend genutzt, so dass der Großteil der knapp 200 anwesenden Personen die Pressekonferenz stehend verfolgte.
Zu dieser nicht optimalen Raumgestaltung gesellte sich auch eine nicht optimale Dolmetscherin, die nicht immer adäquat übersetzte, von Fußball offenbar nur bedingt Ahnung hatte und damit für den einen oder anderen Lacher sorgte. Grundkenntnisse in Spanisch waren von Vorteil, um das Wichtigste der Aussagen nicht zu verpassen.
Ansonsten war es wie immer, wenn Pep Guardiola nach Spanien zurückkehrte. Die Kameras standen dicht beieinander, die Fotografen kämpften um die besten Plätze und die spanischen Journalisten wollten Guardiola Aussagen zu einem Kampf der Kulturen entlocken. Es war weniger emotional als bei seiner Heimkehr nach Barcelona vor einem Jahr, aber nicht minder aufschlussreich. Guardiola strahlte große Entschlossenheit und Lust auf das Spiel am Mittwoch aus.
Drei Mal Spanien, drei Mal CL-Aus?
Das Schicksal hat ja seine perfide Lust in den letzten Spielzeiten der Champions League besonders gern an Guardiola ausprobiert. Zuerst schickte es den Katalanen zum ungeliebten Erzrivalen Real Madrid, was mit einer 0:1-Niederlage endete. Dann folgte die emotional aufgeladene Rückkehr nach Barcelona, wo Guardiolas Team ein bitteres 0:3 kassierte.
Und jetzt Atletico. Diese Mannschaft, die sich in den letzten Jahren zum unangenehmsten Team des Kontinents aufgeschwungen hat und aus unzähligen Duellen mit Barca und Real Geduldsspiele auf höchstem Niveau gewohnt ist.
"Atletico macht viele Sachen gut, sie können nicht nur verteidigen", zeigte Guardiola am Dienstag großen Respekt. "Mal attackieren sie früh, mal verteidigen sie tief, sie haben eine gute Struktur, spielen mit großer Intensität und sind schnell in ihren Kontern."
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Dass den FC Bayern eine hitzige Atmosphäre und eine Mannschaft, die mit allen Tricks arbeitet, erwartet, spielte für Guardiola keine große Rolle. "Wir haben in der Vorbereitung nur über Fußball gesprochen und darüber, was wir tun müssen, um das Spiel zu gewinnen. Alles andere können wir nicht kontrollieren und dafür ist der Schiedsrichter da." Wichtig sei es, in jeder Situation die Ruhe zu bewahren.
Gute Bilanz gegen Atletico
Persönlich hat Guardiola eine mehr als ordentliche Bilanz gegen die Colchoneros. In 18 Spielen als Aktiver feierte er elf Siege bei nur drei Niederlagen. Als Trainer gewann er acht seiner zehn Partien und verlor nur zwei. Das einzige Trainerduell zwischen Guardiola und Diego Simeone gewann der Katalane ebenfalls. Im Februar 2012 siegte Barca im Vicente Calderon mit 2:1.
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Ein Sieg im letzten europäischen Spiel im Calderon, bevor Atletico im kommenden Sommer ins Estadio de La Peineta im Osten Madrids umzieht, würde den Bayern auch dieses Mal gut in den Kram passen.
Allerdings bleibt Guardiolas Auswärtsbilanz mit dem FC Bayern ein großes Rätsel. In K.o.-Runden sind die Münchner seit sieben Spielen auf fremdem Platz ohne Sieg (vier Remis, drei Niederlagen), in den letzten vier Auswärtspartien setzte es sogar zehn Gegentore. Und selbst wenn man die Gruppenphase mit einbezieht, ist die Auswärtsbilanz zuletzt negativ: Von den letzten 13 Auswärtsspielen gewann der FCB nur vier und verlor fünf (vier Remis).
Große Pointe im Finale?
In beiden Halbfinals in Madrid und Barcelona blieb der FC Bayern jeweils ohne eigenen Treffer. Beide Niederlagen waren große Rückschläge im Projekt Guardiola und wirken bis heute nach. Der Auftritt bei Atletico dient sowohl der Mannschaft als auch dem Trainer als Chance, um sich auf spanischem Boden zu rehabilitieren und den Ruf wieder geradezurücken.
Denn nicht nur Guardiola begegnen die Menschen in Spanien mit großer Ehrfurcht, auch der Klub hatte sich über Jahre hinweg das Image der bestia negra sorgfältig mit Siegen im Camp Nou und im Estadio Santiago Bernabeu aufgebaut. "Wir wissen, was in den letzten beiden Halbfinals passiert ist und dass wir jeweils kein Tor erzielt haben", sagte Kapitän Philipp Lahm. "Unsere Aufgabe wird es sein, ein Auswärtstor zu erzielen. Dann haben wir zuhause bessere Möglichkeiten, ins Finale einzuziehen."
Sollten die Bayern ihren ersten Auftritt im berüchtigten Vicente Calderon unbeschadet überstehen und im Rückspiel den Einzug ins Finale klarmachen können, würde die größte Pointe dieses Wettbewerbs aber noch warten. Denn egal, wer sich in der anderen Begegnung durchsetzt: Guardiola verbindet sowohl mit Real Madrid als auch mit seinem künftigen Arbeitgeber Manchester City eine spannende Geschichte. Das Schicksal treibt es mit dem Katalanen auf die Spitze.
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