Der Chloroform-Taktiker war einmal

Von Simon Ommer
Leonardo Jardim führt mit dem AS Monaco die Ligue 1 an
© getty

Der AS Monaco spielt in der französischen Ligue 1 eine beeindruckende Saison und zeigt Woche für Woche mitreißenden Offensivfußball. Verantwortlich für diese Erfolge ist unter anderem der Trainer: Leonardo Jardim. Der 42-Jährige formte im Fürstentum die derzeit torgefährlichste Mannschaft in Europa - wovon zu Beginn seiner Amtszeit nicht viel zu sehen war.

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Als Leonardo Jardim 2014 an die französische Mittelmeerküste wechselte, war das Aufsehen der Fans groß: Einige zuckten mit der Schulter, andere hoben verwundert die Augenbrauen - den Portugiesen hatte niemand auf der Rechnung. Die Anhänger hofften zuvor auf einen internationalen Star-Trainer, denn die finanziellen Mittel standen im Fürstentum zweifellos zur Verfügung. Dennoch wurde es der bis dato noch völlig unbekannte Jardim.

Dass Monaco unter dem Portugiesen inzwischen zu den heißesten Teams in Europa gehört, steht außer Frage. Doch der Coach benötigte lange Zeit, um alle Fans restlos von sich zu überzeugen. Erst in dieser Spielzeit, seiner dritten, überzeugt die Mannschaft mit schnellem und temporeichem Offensivspiel. Noch vor zwei Jahren sah das komplett anders aus: "Jardim hat eine neue Taktik entwickelt - die Chloroform-Taktik. Es ist unmöglich, der Mannschaft zuzusehen. Die Fans sterben vor Langeweile", sagte der französische Fußballexperte Pierre Menes im Januar 2015.

Das Ende der Reise

Jardim, der in Venezuela geboren wurde und auf der portugiesischen Urlaubsinsel Madeira aufgewachsen ist, startete seine Trainerlaufbahn im Jahr 2001. Beim heutigen Drittligisten AD Camacha sammelte er zwei Jahre lang erste Erfahrungen als Co-Trainer, bevor er die Mannschaft ab Sommer 2003 als Chef von der Seitenlinie aus coachte. Nach fünf Jahren verließ er den Verein 2008.

Es folgten zahlreiche Stationen innerhalb weniger Jahre: Bis 2009 betreute er den Zweitligisten GD Chaves. Nur eine Spielzeit später führte Jardim den SC Beira-Mar in die erste Liga, verließ den Verein aber im Folgejahr wieder. Der Lohn für seine Erfolge war ein erstes Engagement bei einem namhaften Klub. Mit dem SC Braga beendete er die Saison 2011/2012 auf dem dritten Rang. Doch auch im Norden Portugals hielt es den 42-Jährigen nicht lange, wieder blieb er nur eine Spielzeit.

Anschließend verließ er sein Heimatland und schloss sich dem griechischen Spitzenklub Olympiakos Piräus an. Nach 25 Spielen war auch dort Schluss, wenig später wurde er in Lissabon bei Sporting vorgestellt. Mit den Hauptstädtern wurde er Vizemeister und wechselte anschließend ins Fürstentum nach Monaco. Es soll vorerst das Ende seiner Reise sein, Jardim scheint am Ziel angekommen.

Defensive, Umschaltspiel, Offensive

Mit seiner Mannschaft verfolgt der Übungsleiter einen klaren Plan, den er in den letzten zweieinhalb Jahren nach seinen Vorstellungen durchgezogen hat. Er hat es geschafft, sein Team auf allen Ebenen zu verbessern. Im ersten Jahr legte er den Fokus auf die Defensive, die Monegassen stellten sofort die beste Defensive der Liga. Darunter litt allerdings das Offensivspiel: in 38 Spielen erzielte der Klub nur 51 Tore.

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In seiner zweiten Saison legte er das Augenmerk auf das Umschaltspiel. Dies zeigte Wirkung, der ASM wurde torgefährlicher - wenn auch nur geringfügig: Sechs Treffer mehr als in der Vorsaison verzeichnete die Mannschaft. Allerdings wurde seine Truppe in der Defensive wieder anfällig und kassierte insgesamt 50 Gegentreffer (26 im Vorjahr).

In der aktuellen Spielzeit hat es der Trainer nun geschafft, beide Stärken zu kombinieren. Die stabile Defensive mit bisher 24 Gegentreffern wird dabei aber deutlich von der Offensive in den Schatten gestellt. 76 Tore in 26 Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Als Marseille in Monaco mit 0:4 unter die Räder geriet, zeigte sich deren Trainer Rudi Garcia von der Torgefahr des Gegners beeindruckt: "Sie treffen auch mit zugebundenen Augen."

Wen er damit meint, wird schnell deutlich, wenn man einen Blick auf die Torjägerliste wirft: Die beiden erfahrenen Stürmer Radamel Falcao und Valere Germain haben schon 16 beziehungsweise acht Treffer erzielt. Doch auch die Youngster überzeugen, denn Thomas Lemar und der erst 18-Jährige Kylian Mbappe haben beide sieben Treffer auf dem Konto.

Vielseitigkeit als Trumpf

Jardim kann mit jungen Spielern arbeiten, das wusste man in Monaco bereits vor seiner Verpflichtung. In Lissabon entwickelte sich unter seiner Obhut William Carvalho zu einem der begehrtesten Spieler in Europa. Der Umgang mit jungen Spielern war sicherlich ein Faktor, den Klubchef Dmitry Rybolovlev berücksichtigte, als er Jardim ins Fürstentum holte.

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Ein weiterer Grund war zudem die neue Philosophie des Vereins. Rybolovlev wollte nicht mehr der spendable Geldgeber sein, der die Mannschaft mit umfangreichen Finanzspritzen unterstützt. Der Verein möchte nun mit weniger Geld erfolgreicher sein - und dafür wurde schließlich Jardim geholt. Der Portugiese gilt als pragmatisch und vielseitig, er leistet trotz der Einschränkungen im Budget hervorragende Arbeit.

Seine Vielseitigkeit zeigt Jardim vor allem in seinem System: Er bevorzugt zwar klar das 4-4-2 mit zwei zentralen Stoßstürmern, weicht aber bei Gelegenheit und je nach Gegner auf ein anderes System aus.

Arbeit trägt Früchte

"Ich arbeite ohne zu jammern", sagte Jardim über sich selbst. Eine wichtige Eigenschaft, musste er doch in den letzten Jahren immer wieder Abgänge von Stammspielern verkraften. Anthony Martial wechselte zu Manchester United, Yannick Carrasco schloss sich Atletico Madrid an. Jardim trotzte allen Rückschlägen.

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Mit seinem Klub hat er in dieser Saison noch große Ziele. Monaco will die Dominanz von Serienmeister Paris beenden und selbst die Trophäe in den Händen halten. Die Vorzeichen dafür stehen gut, denn die Monegassen stehen derzeit an der Spitze. Läuft die Tormaschine weiter wie bisher, ist dem Klub dieser Coup zuzutrauen.

Die Arbeit von Jardim trägt seit dieser Saison Früchte. Doch nicht nur die Mannschaft, sondern auch der Trainer rückt immer mehr in den Mittelpunkt. Auch ohne viel Geld hat er den sportlichen Glanz ins Fürstentum gebracht. Spätestens jetzt sollten alle Zweifler verstummt sein.

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