Die fast perfekte Mischung

Von Benno Seelhöfer
Nelson Cabral Semedo: Stürmer oder Verteidiger?
© getty

Wenn Borussia Dortmund am Mittwoch (20.45 Uhr im LIVETICKER) die Auswärtspleite gegen Benfica wieder wettmachen will, bekommen es die Westfalen zwangsläufig auch mit ihm zu tun: Nelson Cabral Semedo. Der 23-Jährige gilt als Europas nächster Top-Außenverteidiger und wird angeblich vom FC Bayern und Manchester United umworben. Aber warum eigentlich?

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Der Außenverteidiger. Auf kaum einer anderen Position scheint die Idealbesetzung so polyvalent zu sein. Was die Vereine verlangen? Nur einen soliden Mix aus einem Innenverteidiger mit sicherem Stellungsspiel und guten Tacklings sowie einem pfeilschnellen Außenstürmer, der nach Möglichkeit nicht nur präzise Flanken schlägt, sondern dazu noch ein wenig Torgefahr versprüht. Alles klar.

Angesichts dieser Eigenschaften klingt es nur logisch, dass auch eine große Fußballnation wie Deutschland auf dieser Position eher mit Notlösungen statt Idealbesetzungen taktieren muss. Joshua Kimmich, Sebastian Rudy und Benedikt Höwedes stellen da nur die Spitze des Aushilfe-Eisbergs dar. Joachim Löws Blick wandert diesbezüglich sicherlich ein wenig neidisch ins Ausland, wo sich diese Spielergattung häufiger tummelt. Ein Exemplar treibt derzeit in Portugal sein Unwesen - noch.

Nelson Cabral Semedo, Nelsinho genannt, heißt der junge Mann in den Reihen von Benfica, der derzeit die Herzen der europäischen Top-Klubs höher schlagen lässt. Doch warum genau liefern sich der FC Bayern und Manchester United Medienberichten zufolge einen Zweikampf um die Dienste des Portugiesen? Ist der 23-Jährige prädestiniert dafür, ein außenstürmender Innenverteidiger zu sein?

Der Spätentwickler

Dass Nelsinhos Werdegang ihn innerhalb kürzester Zeit mit der Creme de la Creme des europäischen Klubfußballs in Verbindung bringen würde, war nicht direkt abzusehen. Trotz seiner erst 23 Jahre gilt Semedo heutzutage als Spätzünder. In seinem Alter kratzen andere Youngster bereits am 150. Erstligaeinsatz. Obwohl die Entwicklung des Außenverteidigers vielleicht mehr Zeit in Anspruch nahm als bei gleichaltrigen Profis, befand sie sich dennoch stets in besten Händen.

Benficas Jugendakademie gilt als eine der besten Talentschmieden Europas. David Luiz, Angel Di Maria und Renato Sanches stellen nur eine kleine Auswahl der Spieler dar, die von Lissabon aus für teures Geld hinaus in die schillernde Glitzer-Welt des Profi-Fußballs zogen.

Doch bevor es für Nelsinho so weit war, dass er sich dieser Riege von Stars und Top-Talenten anschließen konnte, musste er sich erst in der ersten Mannschaft Benficas behaupten. Über eine Leihe in die dritte Liga zu CD Fatima und Spielzeit in Benficas Reserve, empfahl sich der dynamische Außenspieler bereits letzte Saison für die Startelf des portugiesischen Top-Klubs. Dass ihm gleich bei seinem Debüt ein Treffer gelang, steht sinnbildlich für die offensive Power, die der 23-Jährige versprüht.

Durchbruch nach Verletzung

Doch nach sechs 90-minütigen Ligaeinsätzen, inklusive zweier in der Champions League, stoppte eine Knieverletzung den Aufstieg des Talents jäh, weshalb Nelsinho im Anschluss in der vergangenen Saison nur noch sporadisch zum Einsatz kam. Aber davon ließ er sich kein Stück aus der Bahn werfen.

Spätestens seit dieser Saison ist ihm der Durchbruch gelungen. Und wie. In bisher 37 Pflichtspielen bereitete der Außenverteidiger zehn Treffer vor und schoss gleich zwei selbst - unangefochtener Stammplatz inklusive. Und auch in der Nationalmannschaft Portugals gab er unlängst sein Debüt.

Wie sieht Tuchels Matchplan aus?

Die für seine Position des Rechtsverteidigers auffällig hohen Scoring-Zahlen in seiner Saison-Statistik sind alles andere als ein Zufall, sondern vielmehr das Dokument seiner Spielweise.

Nelsinhos Stärken liegen klar im Offensivbereich. Er versteht es, seine Gegner im Eins-gegen-Eins mit seiner irren Geschwindigkeit und seinen Dribbelkünsten zu vernaschen. Dass seine Flanken, die er am liebsten flach in den Strafraum spielt, dann auch Abnehmer zu finden wissen, belegt seine Statistik zu Genüge.

Aggressivität als Hindernis?

Zugegeben, die portugiesische Liga dient nicht als Maßstab für hochklassigen europäischen Spitzenfußball. Doch war es Nelsinho, der Benficas rechte Seite im Champions-League-Hinspiel gegen Dortmund in der ersten Hälfte belebte. So avancierte er neben Konstantinos Mitroglou und vor allem seinem Schlussmann Ederson zum besten Benfica-Akteur in dem Match. Ein Außenstürmer ist der Portugiese also. Aber ist er auch Innenverteidiger?

In der Defensive besteht sicherlich das größte Steigerungspotenzial. Seine Tacklings sind zwar präzise und aggressiv, doch gerade diese Aggressivität stellt ihn bisweilen vor Probleme, denn er neigt dazu, seinen abdrehenden Gegner zu verfolgen und so die rechte Flanke der Viererkette zu entblößen. Der 36-jährige Luisao, der gegen Dortmund den rechten Innenverteidiger gab, ist gegen einen in den Raum stoßenden Stürmer schon aufgrund seiner Schnelligkeits-Nachteile auf verlorenem Posten.

Nelsinho besitzt zweifellos noch jede Menge Entwicklungspotenzial. Doch wer den dynamischen und quirligen Blitz hat spielen sehen, fragt sich zurecht, ob das Talent, dass er als Außenstürmer mit sich bringt, nicht so sehr überwiegt, als dass ihn ein Klub auch ein oder gar zwei Positionen weiter vorne einplanen könnte?

Der nächste Gareth Bale?

Erinnerungen an Gareth Bale werden wach. Der Waliser begann in Tottenham auch auf der linken Verteidigerposition, rückte aber aufgrund seiner Angriffspower schon bei den Spurs ins offensive Mittelfeld, nur um letzten Endes bei Real Madrid als exaktes Gegenteil zu seiner ursprünglichen Position zu spielen - als rechter Außenstürmer.

Ein ähnlicher Werdegang scheint auch beim trickreichen Nelsinho nicht komplett abwegig. "Ich bin komplett auf Benfica fokussiert und ich hoffe, dass noch viele weitere Jahre folgen werden", beteuerte der Umworbene zwar im Oktober. Doch angesichts der angeblichen Interessenten wie Bayern München und Manchester United, wird diese Aussage im Sommer vermutlich wieder Schall und Rauch sein.

Ein Wechsel erscheint als die logische Konsequenz seiner derzeitigen Saison. Die einzige Frage, die dabei bleibt: Wechselt er als Stürmer oder als Verteidiger? Oder als beides?

Nelson Semedo im Steckbrief

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