Aus der zweiten Reihe ins Rampenlicht

Von Sebastian Schuch
Craig Shakespeare wurde bei Leicester City zum ersten Mal zum Cheftrainer befördert
© getty

Craig Shakespeare legte bei Leicester City einen Bombenstart hin und wurde zum Cheftrainer befördert. Vor dem Rückspiel im Viertelfinale der Champions League gegen Atletico Madrid (Di., 20.45 Uhr im LIVETICKER) muss der Neu-Trainer seine erste kleine Ergebniskrise überwinden.

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"Es war nie unsere Erwartung, dass die Leistungen aus der abgelaufenen Saison wiederholt werden", sagte Leicesters Vizepräsident Aiyawatt Srivaddhanaprabha zur Entlassung von Meistertrainer Claudio Ranieri: "Das Verbleiben in der Premier League war unser vorrangiges und einziges Ziel. Aber das sehen wir jetzt in Gefahr."

In Gefahr war dieses Ziel nach 25 Spieltagen tatsächlich. Lediglich einen Punkt Vorsprung hatten die Foxes auf einen Abstiegsplatz und auch in der Champions League drohte nach dem 1:2 beim FC Sevilla das Aus im Viertelfinale. Im FA Cup war ebenfalls bereits im Achtelfinale Schluss - gegen Zweitligist Millwall.

Zu verlieren hatte das Team aus den englischen East Midlands mit einem Trainerwechsel also nichts. So wurde Craig Shakespeare zunächst als Interims- und wenige Wochen später als Cheftrainer installiert. Es ist sein erster dauerhafter Auftritt auf der Bühne Premier League.

Erste kleine Krise

"Wir hätten das Ergebnis vor dem Spiel unterschrieben", sagte "Shakey" nach der 0:1-Niederlage am 12. April bei Atletico Madrid. Nach dem 2:4 beim FC Everton war es die zweite Niederlage seiner noch jungen Amtszeit, nachdem er zuvor die ersten sechs Pflichtspiele allesamt gewann.

Nur drei Tage später sind die Foxes auf dem Weg in die erste Krise unter ihrem neuen Übungsleiter. Gegen Crystal Palace wurde eine Zwei-Tore-Führung aus der Hand gegeben. 2:2 hieß es am Ende, es war das dritte Spiel in Folge ohne Sieg.

Diese Phase dürfte Shakespeare trotz des überragenden Starts erwartet haben, zu lange ist der 53-Jährige schon im Geschäft.

Karriere abseits der großen Bühne

Seit 1981 ist der aus Birmingham stammende, 1,78 Meter große Shakespeare im Profi-Geschäft dabei. Über 500 Spiele hat er auf dem Buckel - die meisten davon im unterklassigen Fußball.

Seine Karriere begann er 1981 bei Walsall und er blieb den Saddlers bis 1989 treu. In acht Jahren zweite und dritte Liga stand Shakey mit Walsall nur selten im Rampenlicht. Wenn, dann aber vor allem im ältesten Pokalwettbewerb der Welt, dem FA Cup.

Zahlreiche Erstligisten, darunter auch Arsenal, wurden düpiert, 1984 fehlten nur 90 Minuten zur Qualifikation für den europäischen Wettbewerb. Dem FC Liverpool wurde im Halbfinale ein 2:2 abgerungen, das Wiederholungsspiel ging mit 0:2 verloren.

Nach einem halbjährigen Intermezzo bei Sheffield Wednesday, damals noch in der First Division, Englands höchster Spielklasse, kehrte er noch 1990 in die Zweitklassigkeit zurück - zu West Bromwich Albion. Bei den Baggies und von 1993 bis 1997 bei Grimsby Town kam der linke offensive Mittelfeldspieler auf über 200 weitere Ligaspiele.

Interims-Interims-Trainer

Nach seinem Karriereende 1999 kehrte Shakespeare nach West Brom zurück, im zweiten Glied versteht sich. Nachdem er zunächst als Community Officer in der Region für die Baggies Werbung machte, rückte er wenig später als Trainer in die Jugendabteilung auf. 2006 übernahm er schließlich die zweite Mannschaft.

Im Oktober des gleichen Jahres feierte Shakespeare sein Debüt als Premier-League-Trainer. Nach der Entlassung von Bryan Robson sowie einer vierwöchigen Interimsperiode von Nigel Pearson durfte der Reserve-Trainer für ein Spiel ran. Als Interims-Interims-Trainer sozusagen.

Diese Aufgabe bewältigte Shakey mit Bravour, gewann 2:0 bei Crystal Palace und kehrte nach der Ankunft von Tony Mowbray zur zweiten Mannschaft zurück.

Pearson-Co und Co-Nationaltrainer

2008 hatte er dann genug vom Dasein als Trainer der zweiten Mannschaft und setzte seine Laufbahn bei Leicester City fort - als Assistenztrainer von Nigel Pearson, mit dem er auch schon bei Sheffield Wednesday zusammengespielt hatte.

Gemeinsam mit Pearson führte der Weg Shakespeare 2010 zu Hull City. Nur, um ein Jahr später gemeinsam nach Leicester zurück zu kehren. Nach Pearsons Entlassung im Juli 2015 trennten sich auch die Wege der beiden. Shakespeare blieb den Foxes auch unter Ranieri treu.

Dass seine Arbeit auf der Insel große Wertschätzung erhielt, zeigt, dass er im Sommer 2016 von Neu-Nationaltrainer Sam Allardyce in dessen Trainerstab berufen wurde. Gleichzeitig blieb er aber auch Ranieris Co-Trainer.

Nach drei Monaten und nur einem Spiel mit der Nationalmannschaft konnte sich Shakespeare aber wieder voll auf die Foxes konzentrieren. Nach dem Abhörskandal um Allardyce räumte er freiwillig seinen Posten.

Der Kumpel-Typ

Seit Februar steht der Fußballlehrer nun bereits so lange im Rampenlicht, wie nie zuvor in seiner Karriere. Einen großen Anteil daran hat er selbst. Als erster neu installierter Trainer gelang es seiner Mannschaft in den ersten drei Premier-League-Auftritten mindestens drei Tore zu erzielen, mit fünf Siegen in Folge stellte er einen neuen Startrekord für englische Trainer auf. Zudem gelang durch ein 2:0 im King Power Stadium noch der Einzug ins Viertelfinale der Champions League.

Dabei war er sich gar nicht sicher, ob er den Job übernehmen sollte, wie sein ehemaliger Weggefährte Tommy Coakley verriet: "Er war sehr unsicher, ob er den Job annehmen sollte, aber als er die Reaktion der Spieler bemerkte, konnte er nicht ablehnen."

Die Art und Weise, wie er mit den Spielern umgeht, ist gleichzeitig sein Erfolgsgeheimnis. Da sind sich in England Experten und Journalisten einig. "Craig war es, der die Mannschaft auf Linie gehalten hat", befindet etwa Ken Way, Leicesters Club-Psychologe. Der klassische Kumpel-Typ eben.

Zurück auf dem "Leicester-Weg"

Trotz der anfänglichen Erfolge und der deutlich gesteigerten Stimmung in den East Midlands bleiben Zweifel an Shakeys Fähigkeiten als Trainer, weil er in erster Linie der Kumpel-Typ ist.

Aussagen über geänderte Trainingsbedingungen oder Neuheiten im System der Foxes sucht man nahezu vergebens. Aussagen über die bessere Stimmung findet man dagegen zuhauf. So auch von Christian Fuchs: "Die Aufstellung hat sich nur wenig verändert. Die Stimmung ist aber eine ganz andere. Jeder sagt, wir sind zurück auf dem 'Leicester-Weg'."

Wegen Äußerungen wie dieser drängt sich eine Vermutung förmlich auf: Shekespeare lässt die Spieler spielen, wie sie wollen.

Größtes Spiel in 133 Jahren

Solange Shakey mit dieser Spielweise Erfolg hat, wird es den Verantwortlichen in erster Linie egal sein, ob sich die Mannschaft bis Saisonende taktisch auf ein neues Level schiebt oder nicht.

Mit neun Punkten Vorsprung auf einen Abstiegsplatz scheint das "vorrangige und einzige Ziel" nahezu erreicht, ein letztes Mal dürfen die Foxes am Dienstag nun auf der großen Bühne ran.

Gegen Atletico steht auf dem heimischen Grün das wohl größte Spiel der 133-jährigen Vereinsgeschichte auf dem Plan. "Unsere Bilanz im King-Power-Stadium ist gut. Wir können es noch schaffen", gab sich Shakespeare nach dem Hinspiel selbstbewusst.

Für Leicester und Shakey ist es der letzte Auftritt im europäischen Rampenlicht, bevor es wohl für eine lange Zeit zurück ins zweite Glied geht.

Aufopfern werden sich Jamie Vardy und Co. mit Sicherheit. Denn was hat Leicester gegen die Rojiblancos in einem Champions-League-Viertelfinale schon zu verlieren?

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