Selbst mit Waffengewalt unbezwingbar

Leonardo Bonucci wechselte 2010 von Bari zu Juventus Turin
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Leonardo Bonucci gilt als einer der besten Innenverteidiger der Welt. Pep Guardiola nennt ihn Lieblingsspieler und umgarnt ihn heftig, aber Bonucci selbst will lieber eine Juventus-Legende werden. Mit grimmigem Blick und weichem Kern macht sich der 30-Jährige auf die Jagd nach dem Henkelpott. Beim Rückspiel gegen Monaco (20.45 im LIVETICKER) will er mit Juventus Turin das Champions-League-Finale erreichen.

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Leonardo Bonucci ist schon seit Jahren bekannt für sein hervorragendes Stellungsspiel, oft gerät er deshalb nicht in brenzlige Eins-gegen-eins-Situationen. Aber wenn doch, dann ist er kompromisslos und eiskalt wie kein Zweiter. Eines der letzten Male, als es tatsächlich so weit gekommen ist, ist schon über fünf Jahre her. Es war im Oktober 2012 und nicht auf einem Fußball-, sondern einem Parkplatz. Vor einem Ferrari-Händler in Turin.

Ob Bonucci seinen Wagen reparieren oder umtauschen lassen wollte, gar einen neuen kaufen oder einfach nur ein nur bisschen das aktuelle Sortiment anschauen wollte, ist nicht überliefert. Dafür aber, dass er vor dem Laden von einem maskierten und bewaffneten Mann angesprochen wurde. Wenig freundlich, eher fordernd und mit einer auf Bonucci gerichteten Pistole in der Hand soll er nach dessen Uhr gefragt haben.

Bonucci war aber nicht danach, seine Uhr einfach abzugeben und streckte den Räuber stattdessen mit einem Faustschlag nieder. "Bist du wahnsinnig? Ich erschieße dich", soll der Räuber laut der Gazzetta dello Sport Bonucci dann zugerufen haben. Ob wahnsinnig, oder nicht - Bonucci jedenfalls half erst Frau und Kind ins Auto und nahm dann die Verfolgung des Räubers auf. Vergeblich aber, denn er entkam. Bonucci erstattete Anzeige und durfte Uhr und Leben behalten.

Paralleles Wachstum

Zwei Tage später entkam ihm aber keiner. Juventus besiegte den SSC Neapel mit 2:0 und zog somit an der Tabellenspitze der Serie A davon. Am Ende der Saison holte Bonucci seinen zweiten Meistertitel mit Juventus, drei weitere folgten seitdem und der insgesamt sechste ist nur mehr Formsache.

Für Bonucci persönlich wäre es bereits der siebte, einen holte er 2006 mit seinem Jugendverein Inter Mailand. Über Treviso, Pisa, Genua und Bari kam er dann 2010 nach Turin und wurde dort seitdem von Saison zu Saison wichtiger. "Bonuccis persönlicher Stellenwert wuchs parallel mit dem von Juventus", sagt Oliver Birkner, Journalist und Experte für den italienischen Fußball, im Gespräch mit SPOX.

In seinem ersten Jahr in Turin wurde Juve nur Siebter und Bonucci leistete sich etliche Patzer. "Er wurde von vielen Fans für das dürftige Abschneiden der Mannschaft verantwortlich gemacht", erinnert sich Birkner, "aber mittlerweile ist er ein absoluter Führungsspieler, hat eine überragende Selbstsicherheit und nur mehr ganz, ganz wenige Unsicherheiten in seinem Spiel." Zurückzuführen ist das auch auf einen Motivationstrainer, mit dem Bonucci einige Jahre lang zusammenarbeitete.

Seit knapp einer Woche ist Bonucci 30 Jahre alt - ein gutes Alter, um schließlich in der Riege der besten Innenverteidiger überhaupt aufgestiegen zu sein. "Es gibt weltweit nur wenige auf seiner Position, die sowohl defensiv als auch offensiv so überragend agieren", sagt Birkner.

Auf der Jagd

Bonucci führt mittlerweile die gefürchtetste Defensive der Welt an. Neben ihm verteidigt Giorgio Chiellini und meist (etwa beim 2:0-Sieg beim Hinspiel des Champions-League-Halbfinals in Monaco) als zusätzliche Absicherung dazu noch Andrea Barzagli, hinter ihm Gianluigi Buffon. Auch ihnen ist es ohne Weiteres zuzutrauen, Räuber - bewaffnet oder nicht - in die Flucht zu schlagen. Sie hätten das auch schon im vergangenen Jahrzehnt, wenn nicht sogar Jahrtausend machen können, so erfahren sind sie.

In dieser Saison sind sie aber alle zusammen selbst auf der Jagd - jedoch nicht nach einem Räuber, sondern nach dem Henkelpott, der ihre Karrieren als gefürchtete Defensiv-Recken krönen würde. Viele Fehler unterliefen ihnen dabei bisher noch nicht, erst zwei Gegentore kassierte Juventus in der laufenden Champions-League-Saison, das letzte datiert vom 22. November 2016.

Bonuccis Wert geht aber weit über das defensive Fehler-Vermeiden und Ball-Erobern hinaus. Wie kaum ein anderer Innenverteidiger beherrscht er das offensive Akzente-Setzen und Ball-Verteilen. "Leo ist mit der gottgegebenen Gabe eines süßen Fußes geboren worden", sagt Buffon.

Während der EM im vergangenen Sommer soll Italiens Nationaltrainer Antonio Conte deshalb sogar überlegt haben, Bonucci im Mittelfeld aufzubieten. Die Zeitung La Repubblica nannte ihn wahlweise "Beckenbonucci" und "Il nostro Kaiser". Elegant wie der deutsche Fußball-Adelige Franz Beckenbauer agiert Bonucci.

Pasta für alle und gut ist es

Und während er mit seinen Füßen so elegant passt, schaut er meist so grimmig, als wäre er selbst ein Räuber. Die Augenbrauen leicht hochgezogen, die Stirn in Falten geworfen und den Blick in die Ferne gerichtet, wirkt Bonucci unnahbar. "Nach Außen ist er bedacht, ausgeglichen, ruhig und sachlich", sagt Birkner. In ihm selbst lodert es aber. "Ich bin hitzköpfig", sagt Bonucci über sich und hin und wieder übermannen ihn die Emotionen und er trägt sie auch nach außen. Dann legt er sich mit jedem an, sogar mit seinem Trainer.

Beim Serie-A-Spiel gegen Palermo im Februar lieferten sich Bonucci und Massimiliano Allegri auf dem Platz ein gehässiges wie schimpfwortträchtiges Verbalduell. Es ging um Auswechslungen des Trainers, die der Innenverteidiger nicht nachvollziehen konnte. Für das folgende Champions-League-Spiel beim FC Porto wurde Bonucci aus dem Kader verbannt, dann organisierte er ein Mannschaftsessen und die Sache war geklärt, wie man so etwas in Italien halt klärt: Pasta für alle und gut ist es.

Womöglich muss sich Bonucci bald damit auseinandersetzen, wie sich so etwas in England klären lässt. Von Transferphase zu Transferphase wird er hartnäckiger gelockt, von Transferphase zu Transferphase werden die Geldkoffer, die ihm versprochen werden, schwerer. Sein Ex-Nationaltrainer Conte will ihn wohl zu Chelsea holen und Pep Guardiola zu Manchester City.

"Er ist seit jeher ein Lieblingsspieler von mir", schmeichelte ihm Guardiola jüngst und das beschäftigte Bonucci schon ein bisschen. So sehr, dass über sein grimmiges Gesicht sogar ein kurzes Lächeln huschte. "Wenn der beste Trainer der Welt sagt, dass du einer seiner Lieblingsspieler bist, verhältst du dich so, als wäre es nichts Besonderes. Das Lächeln auf den Lippen kannst du dir trotzdem nicht verkneifen", sagte Bonucci in einem Interview mit So Foot.

Dem Schicksal ausgeliefert

Bonucci sieht seine Zukunft aber in Turin, denn zumindest für ein inneres Lächeln sorgt bei ihm auch die Tatsache, Woche für Woche das schwarz-weiße Trikot von Juventus überstreifen zu dürfen. "Jedes Mal wenn ich es anziehe, gibt es mir eine enorme Energie", sagte Bonucci kürzlich und wurde dann noch pathetischer. So pathetisch, dass es den einen oder anderen antiken römischen Dichter nur so jubeln ließe. "Ich hoffe, ich kann für Juventus so wichtig werden, wie Juventus für mich", erklärte Bonucci und seine Entscheidung gegen einen Wechsel nach England sei "eine Sache von Herz und Haut" gewesen und "mein Herz sagte: 'Juventus'".

Ist Bonucci verletzt oder gesperrt, steht er gerne hinter dem Tor bei den Fans, "denn mit ihnen bin ich am glücklichsten". Aufgewachsen in einer Familie voller Inter-Anhänger war Bonucci schon immer für Juventus. Bis 2021 steht er in Turin noch unter Vertrag und "was mich motiviert, ist die Aussicht, eine Juventus-Legende zu werden".

Diese Aussicht nahm sich Bonucci im vergangenen Sommer beinahe selbst, als der grimmige, unnahbare Innenverteidiger mit einer Situation konfrontiert wurde, die er nicht mit einer Grätsche gegen einen heranstürmenden Angreifer oder einem Fausthieb gegen einen bewaffneten Räuber regeln konnte. Er und sein Familienglück waren dem Schicksal ausgeliefert. Der Gesundheitszustand einer seiner beiden Söhne war kritisch, er musste sich einer komplizierten Operation unterziehen.

"Ich setzte mich in eine Ecke und sprach zu Gott. 'Dein Wille geschehe', sagte ich zu ihm, 'aber denke daran, dass er noch ein Kind ist'", erzählte Bonucci später. "In diesen Wochen dachte ich darüber nach, meine Laufbahn zu beenden." Entwaffnend. Diesmal mit ehrlichen Worten, nicht mit körperlicher Gewalt. Seine Gebete wurden jedenfalls erhört, die Operation glückte und Bonucci machte sich mit grimmigem Blick und weichem Kern auf die Jagd nach seinem siebten Meistertitel und ersten Henkelpott.

Leonardo Bonucci im Steckbrief

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