Die Rückkehr der "Riesenwaffe"

Von Christian Schmidt
Gegen den FC Köln gelang Lukas Klostermann sein erstes Tor in der Bundesliga
© getty

Auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner sportlichen Entwicklung warf ein Kreuzbandriss Lukas Klostermann vor rund elf Monaten weit zurück. Mittlerweile hat der Verteidiger bei RB Leipzig wieder Fuß gefasst - und steht gegen den FC Porto (20.45 Uhr im Liveticker) vor seinem dritten Champions-League-Einsatz.

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Im Rücken von Leonardo Bittencourt startete Lukas Klostermann mit einem beherzten Sprint in den Kölner Strafraum und nahm den per Hacke weitergeleiteten Ball in vollem Lauf mit. Auch vor Timo Horn bewahrte der Rechtsverteidiger die Nerven und überraschte den Keeper mit einem trockenen Abschluss in die kurze Ecke.

"Als Verteidiger habe ich noch nicht so viele Tore geschossen, es war natürlich ein sehr schönes Gefühl, vor allem weil wir am Ende gewonnen haben", ordnete Klostermann seinen ersten Bundesligatreffer nach dem 2:1-Erfolg ein.

Auch wenn Ralf Rangnick noch Verbesserungsbedarf sieht, zählte Klostermann bei dem hart umkämpften Sieg vor gut zwei Wochen mit drei Torschüssen zu den Garanten für den Auswärtssieg. Nach seiner langwierigen Kreuzbandverletzung musste der 21-Jährige lange darauf warten, um sich in der Bundesliga als Stammspieler zu behaupten.

Wechsel zu RB Leipzig mit Nebengeräuschen

Seine ersten Schritte im Profifußball unternahm Klostermann in der Rückrunde der Saison 2013/14 beim VfL Bochum. Lediglich neun Einsätze reichten dem Verteidiger, um sich in die Notizblöcke finanzstärkerer Vereine zu spielen. Nach zähen Verhandlungen nahm der damalige Zweitliga-Aufsteiger RB Leipzig den Verteidiger für eine Million Euro unter Vertrag.

Die VfL-Verantwortlichen konnten ihre Enttäuschung über den Abgang nicht verbergen, gegenüber Sportbild ätzte der damalige Bochum-Trainer Peter Neururer: "Sein Berater hat die komplette Familie auf links gedreht. Solche Leute haben in meinem Fußball nichts zu suchen - das ist traurig."

Klostermann beeindruckt bei Olympischen Spielen

Als vielversprechendes Abwehrtalent schien Klostermann aber perfekt in das Beuteschema der aufstrebenden Leipziger zu passen, die sich mit Rangnick als Sportdirektor auf junge und entwicklungsfähige Spieler fokussierten. Nach einem halben Jahr Anlaufzeit etablierte sich Klostermann in der Leipziger Abwehrkette und trug in der Saison 2015/16 wesentlich dazu bei, das Ticket für die Bundesliga zu lösen.

Nach dem Aufstieg in die Eliteklasse stand für Klostermann direkt das nächste Highlight auf dem Programm: Nachdem er bereits seit der U17 zum Stammkader der deutschen Junioren-Teams gezählt hatte, berief ihn Horst Hrubesch auch in das deutsche Aufgebot für die Olympischen Spiele.

Beim Silbermedaillengewinner wusste Klostermann dermaßen zu beeindrucken, dass ihm Bundestrainer Joachim Löw eine baldige Nominierung für die A-Nationalelf in Aussicht stellte.

Auch internationale Schwergewichte wie der FC Arsenal waren durch das Turnier plötzlich auf den Verteidiger aufmerksam geworden, worauf Rangnick jeglichen Abwerbungsversuchen prompt einen Riegel vorschob.

Kreuzbandriss wirft Klostermann zurück

Obwohl Klostermann durch die Olympia-Teilnahme einen Großteil der Vorbereitung verpasste, setzte Trainer Ralph Hasenhüttl in der neuen Spielklasse direkt wieder auf seinen Rechtsverteidiger. Es sollte jedoch für lange Zeit der letzte Bundesligaeinsatz des Verteidigers bleiben. Auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Entwicklung zog sich Klostermann im Leipziger Training einen Kreuzbandriss zu.

Statt als Stammspieler in der deutschen Eliteklasse Richtung Nationalelf durchzustarten, standen für den Studenten der Wirtschaftswissenschaften monatelange Reha-Maßnahmen auf dem Programm. "Klar gab es da mal Tage, an denen man gezweifelt hat, ob das wieder alles so wird", sagte Klostermann Ende August der Bild .

Während er sportlich von der großen Bühne für einige Monate verschwinden sollte, verlängerte Leipzig den Vertrag als Zeichen der Wertschätzung bis 2021. Der Verein wollte bei der Rückkehr seines verletzten Profis jegliches Risiko vermeiden, sodass es bis Anfang Mai dauerte, ehe der Verteidiger wieder mit seinen Teamkollegen im Training gegen den Ball trat.

Die Zeit reichte jedoch nicht mehr, um sich bei den deutschen Auswahlteams wieder in Erinnerung zu rufen. Sowohl der Confed-Cup als auch die U21-EM gingen ohne Klostermann über die Bühne.

Klostermanns Vergangenheit in der Leichtathletik

Ohne Groll über die verpassten Titelchancen nahm Klostermann Anfang Juli wieder die Vorbereitung bei Leipzig auf. Kurz darauf prophezeite Hasenhüttl seinem wiedergenesenen Spieler bereits ein "Riesenjahr. Ich freue mich riesig auf ihn. Weil er für uns auf rechts wieder ganz andere Optionen bietet mit seinem Tiefgang und seiner Schnelligkeit. Er war schon vor seiner Verletzung eine Riesenwaffe für Leipzig."

Im 4-4-2-System mit zwei Zehnern und ohne klassische Flügelspieler haben die Außenverteidiger neben ihren Defensivaufgaben auch die Aufgabe für die notwendige Breite im Offensivspiel zu sorgen. Dies hat zur Folge, dass die Außenspieler der Abwehrkette oftmals tief in die gegnerische Hälfte vorstoßen und den Weg zur Grundlinie suchen, was aber im Umkehrschluss auch eine starke Konteranfälligkeit mit sich bringt. Bei Ballverlusten müssen die Außenverteidiger in höchstem Tempo wieder zurück in die eigene Hälfte.

Mit seiner enormen Sprintstärke ist Klostermann prädestiniert für diese Stellenbeschreibung, bewegt er sich doch nach Vereinsgaben mit 3,72 Sekunden über 30 Meter in Sphären von Top-Sprinter Pierre-Emerick Aubameyang. Zu Gute kommt dem Verteidiger dabei seine Vergangenheit in der Leichtathletik. Ehe er sich für eine Fußballerlaufbahn entschied, nahm er regelmäßig an Sprint-Wettkämpfen teil.

Klostermann kommt Hasenhüttls Idealbild nahe

Auch dank dieser Stärken eroberte sich Klostermann zu Beginn der Saison wie selbstverständlich seinen Stammplatz auf der rechten Abwehrseite von Bernardo zurück. Dieser hatte in der vergangenen Saison als Linksfuß sichtliche Anpassungsprobleme an die ungewohnte Position und zog auf dem Weg nach vorne immer wieder ins Zentrum.

Mit seinem starken rechten Fuß kommt Klostermann dem Idealbild seines Trainers für diese Position wesentlich näher und brachte bislang in dieser Saison pro 90 Minuten mehr als doppelt so viele Flanken in den Strafraum (2,3) wie sein brasilianischer Stellvertreter durchschnittlich in der vergangenen Spielzeit (1,0). Gegen Köln belohnte sich Klostermann darüber hinaus mit einem eigenen Treffer für seinen steten Offensivdrang.

Champions League "etwas ganz Besonderes"

Neben dem ersten Bundesliga-Tor ging für Klostermann in der Anfangsphase dieser Saison auch ein weiterer Traum in Erfüllung: "Die Champions-League-Hymne zum ersten Mal als Spieler auf dem Platz zu hören, war etwas ganz Besonderes", erzählt Klostermann der Lausitzer Rundschau: "Das hat man sich früher immer erträumt und dann geht es wirklich in Erfüllung. Ich hoffe, dass viele Spiele in der Champions League und auch ein paar Bundesliga-Tore hinzukommen."

Bereits am Dienstag hat Klostermann gegen den FC Porto die Gelegenheit seiner Bilanz eine weitere Partie in der Königsklasse hinzuzufügen. Auf der großen internationalen Bühne besitzt Klostermann die Chance sich wieder in dem Maße in den Vordergrund zu spielen, wie er vor seiner Verletzung stand.

Gelingt ihm das, dann scheint auch eine Berufung in den deutsche WM-Kader nicht komplett abwegig: "Es kann immer schnell gehen. Das setzt aber einiges voraus. Ich muss gesund bleiben und meine Leistung wie vor der Verletzung auf den Platz bringen."

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