Türkei-Experte Fatih Demireli über Bayern vs. Besiktas: "Wird das Duell der Trainer-Gurus"

Kann Besiktas den Bayern im Achtelfinale gefährlich werden?
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Der FC Bayern München trifft im Achtelfinale der Champions League auf Besiktas. Haben die Bayern damit das große Los gezogen oder wird der türkische Meister zum Stolperstein? Fatih Demireli berichtete sechs Jahre lang für SPOX vom FC Bayern und ist jetzt Herausgeber sowie Chefredakteur des denkenden Sportmagazins SOCRATES. Im Interview erklärt Deutschlands führender Experte für türkischen Fußball Stärken sowie Schwächen Besiktas' und wagt einen Tipp.

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SPOX: Fatih, wie war Deine erste Reaktion auf die Champions-League-Auslosung und das Los Besiktas gegen den FC Bayern?

Fatih Demireli: Ich musste erstmal auf meinem türkischen Twitteraccount einen Tweet absetzen, dass ich in der Allianz Arena keine eigene Tribüne habe, so viele Anfragen habe ich innerhalb kürzester Zeit bekommen. Außerdem musste ich gleich nach der Auslosung sechs TV-Schalten absolvieren. Für die Deutsch-Türken ist Besiktas gegen Bayern ein Riesenlos. Sportlich gesehen ist es für Bayern ein attraktives Los, für Besiktas das schwierigste Los.

SPOX: Schwieriger als Real Madrid?

Demireli: Ich glaube schon. Wenn ich mir die Art und Weise anschaue, wie Besiktas spielt und deren Stärken und Schwächen sehe, dann kommen diese den Bayern sehr entgegen.

SPOX: Wo liegen denn die Stärken bei Besiktas?

Demireli: Besiktas ist in den letzten zwei, drei Jahren zum besten türkischen Team aufgestiegen. Die Mannschaft funktioniert wie eine Maschine. Der Vater des Erfolgs ist Trainer Senol Günes, der es in seiner langen Karriere immer verstanden hat, aus schwierigen Konstrukten eine erfolgreiche Einheit zu basteln. Er steht für Offensivfußball, das hat er beispielsweise auch als Nationaltrainer und bei Bursaspor, einem der schwierigsten Vereine der Türkei, bewiesen. Mit ihm steht und fällt der Erfolg bei Besiktas, auch wenn er schon 65 ist. Aber dass das Alter keine Rolle spielt, sehen wir ja gerade auch bei den Bayern. Günes gegen Heynckes wird das Duell der Trainer-Gurus.

SPOX: Besiktas hat die Gruppenphase ohne Niederlage überstanden und dabei auch beide Spiele gegen RB Leipzig gewonnen. Die Bilanz von elf erzielten Toren und fünf Gegentoren spricht für eine gute Balance. Spiegelt das auch das tatsächliche Niveau von Besiktas wider?

Demireli: Ja und nein. Die Leistung, die Gruppe auf Platz eins abgeschlossen zu haben, ist sehr hoch zu bewerten. Besiktas hat immer klug gespielt und hat taktisch auch mehrere Optionen. Die Mannschaft lebt von ihrer Erfahrung, es gibt Haudegen wie Quaresma und Pepe. Der Portugiese hat das Niveau in der Defensive angehoben und ist der absolute Chef. Aber die Mannschaft hat in der Rückwärtsbewegung schon auch Probleme.

SPOX: Wo liegen weitere Schwächen?

Demireli: Wenn es schnell geht, wackelt Besiktas. Atiba Hutchinson, der die Mannschaft in den letzten Jahren auf der Sechs getragen hat, ist schon 34 und kann nicht mehr jedes Spiel auf höchstem Niveau agieren. In der Innenverteidigung ist Pepes Nebenmann der ehemalige Bremer Dusko Tosic, der vom Linksverteidiger zum Innenverteidiger umgeschult wurde. Er ist fehleranfällig. In der Rückrunde könnte dort aber auch Demagoj Vida spielen, der von Dynamo Kiew kommen soll. Rechts hinten ist Gökhan Gönül offensiv stark, aber defensiv zu packen, auch er ist in die Jahre gekommen. Auffällig in dieser Saison war aber auch, dass Besiktas gegen Gegner, die defensiv gut standen, in der Liga Punkte liegen gelassen hat. Für Bayern wird der Schlüssel fürs Weiterkommen eine gute Defensivleistung sein.

SPOX: Für Besiktas hätte es als Gruppensieger leichtere Lose gegeben. Wie fielen die Reaktionen in der Türkei aus?

Demireli: In den Medien herrschte eher Ernüchterung, der Klub gab sich betont selbstbewusst. Bei Besiktas wird sich viel auf das Rückspiel in Istanbul konzentrieren. Besiktas muss den Schaden in München in Grenzen halten, um Hoffnung für das Rückspiel zu haben. Bayern sollte tunlichst in München schon einen Vorsprung herausschießen, weil in Istanbul wird's wirklich sehr, sehr schwer.

SPOX: Die Atmosphäre im Stadion soll außergewöhnlich sein.

Demireli: Ein Stadionbesuch bei Besiktas ist ein Erlebnis. Die Stimmung ist Wahnsinn, bei der Lautstärke kriegst du Kopfschmerzen. Spieler wie Andreas Beck und Roberto Hilbert haben mir bestätigt, dass diese Atmosphäre enorme Energie und Kräfte freisetzen kann. Ich habe viele Stadien in Europa gesehen, aber Besiktas würde ich jedem empfehlen.

SPOX: Wie beurteilst Du die Sicherheitslage in der Türkei?

Demireli: Ich habe bis Oktober ein Jahr in Istanbul gelebt und in der Nähe des Stadions gewohnt. Ich kann von mir aus sagen, dass ich keine Angst hatte, dass ich mich sehr wohl und auch sicher gefühlt habe. Ich glaube nicht, dass man Angst haben muss, zum Spiel zu fahren. Besiktas versucht, sich gerade auch international zu positionieren. Da ist die Bühne Champions League sehr wichtig, deshalb will der Verein auch, dass sich die Gäste wohlfühlen. Es ist also nicht zu erwarten, dass es ein Hupkonzert vorm Teamhotel gibt oder dort eine Blaskapelle spielt.

SPOX: Vor 20 Jahren gab es schon mal ein Duell zwischen Besiktas und Bayern. Beim Spiel in München wurden die Türken von den Bayern-Anhängern mit Aldi-Tüten empfangen. Was erwartest Du dieses Mal in der Arena?

Demireli: Ich erwarte sehr viele türkische Fans. Die Türken sind gut connectet in München und Deutschland und man sollte bedenken, dass sich türkische Fans nicht zu schade sind, für so eine Karte sehr viel Geld auszugeben. Die Aldi-Tüten-Geschichte hat damals hohe Wellen geschlagen und ich hab's in den sozialen Netzwerken auch schon wieder gesehen, aber das wird dieses Mal nicht mehr vorkommen.

SPOX: Die wichtigste Frage zum Schluss: Wie geht's aus?

Demireli: Es mag ein Vorteil sein für Besiktas, das Rückspiel zuhause zu haben. Aber Bayern wird sich zuhause ein Ergebnis erspielen, das in Istanbul trotz der Kulisse reichen wird.

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