Als Jupp Heynckes zum FC Bayern München zurückkehrte, nahm er im Zuge seiner ersten Amtshandlungen erstmal eine Änderung in der Hierarchie der Torhüter vor. Tom Starke, der erst vor Carlo Ancelottis letztem Spiel bei Paris St.-Germain (0:3) reaktiviert wurde, stieg wieder zur Nummer zwei auf. Der junge Christian Früchtl wurde zur Nummer drei zurückgestuft und spielt seitdem wieder in der zweiten Mannschaft oder in der U19.
Keine Zweifel ließ Heynckes aber daran, dass Sven Ulreichs Status als Nummer eins in Abwesenheit von Manuel Neuer trotz der aufkeimenden Kritik nicht angetastet wird.
"Als ich kam, war er ein total verunsicherter Torwart mit wenig Selbstbewusstsein und ohne Anerkennung von außen. Das hat sich im Laufe der Zeit extrem gewandelt", sagte Heynckes am Dienstag auf der Pressekonferenz. "Er ist nicht nur einer der besten Torhüter der Bundesliga, er bekommt jetzt auch die Anerkennung innerhalb der Mannschaft, innerhalb des Klubs, aber auch außerhalb bei Medien und Fans. Er ist ein sicherer Rückhalt geworden. Er hat uns schon viele Spiele gewonnen, das vergisst man vielleicht."
Sven Ulreich freut sich über Anerkennung beim FC Bayern
Da die Defensive unter Heynckes schnell besser stand und Ulreich mit elf Weißen Westen der Torhüter mit den meisten Zu-Null-Spielen in der Bundesliga ist, hat sich Wahrnehmung des 29-Jährigen radikal geändert. Die Hashtags #ZuNullreich und #SvenTheWall haben sich mittlerweile etabliert und selbst über eine WM-Teilnahme als Nummer drei im Falle eines Neuer-Ausfalls wurde spekuliert. Vor allem im Eins-gegen-eins ist Ulreich bärenstark.
"Ich hatte schon als ich nicht gespielt habe das Gefühl, dass ich respektiert werde von der Mannschaft. Nun bin ich eben im Mittelpunkt, weil ich spiele, und da wächst dann auch die Anerkennung", sagt Ulreich selbst.
Das deutlichste Zeichen war sicherlich die Vertragsverlängerung im Februar dieses Jahres um drei Jahre bis 2021. "Die vergangenen drei Jahre haben gezeigt, dass wir uns auf Sven Ulreich sowohl als Torhüter als auch als Mensch stets verlassen können", ließ Sportdirektor Hasan Salihamidzic mitteilen. "Vor allem in dieser Saison hat er maßgeblichen Anteil daran, dass wir in der Bundesliga souverän Tabellenführer sind und auch in der Champions League sowie im DFB-Pokal weiterhin gute Chancen haben."
Sevilla das letzte große Spiel für Sven Ulreich?
Vorbei sind auch die Zeiten, in denen Ulreich als Unsicherheitsfaktor angesehen wurde und jede Aktion mit Neuer vergleichen wurde. Vorbei sind die Zeiten, als die Expertenrunde bei Sky im Rahmen des PSG-Spiels über eine mögliche Sehschwäche des Keepers schwadronierte und Ulreich diese Aussagen als "dummes Geschwätz" abtat.
Unverändert ist dagegen die Tatsache, dass seine Berufung zur Nummer eins beim FC Bayern nicht auf Dauer ist. Ulreichs Einsatzzeit hängt allein von Neuer Gesundheitszustand ab. Der Nationaltorhüter arbeitet weiter an seinem Comeback und macht täglich Fortschritte. Wann genau er zurückkehren wird, ist weiterhin offen.
Es ist aber nicht auszuschließen, dass das Rückspiel in der Champions League für Ulreich die letzte große Partie der Saison sein könnte und Neuer schon in einem möglichen Halbfinale wieder zwischen den Pfosten steht.
Sven Ulreichs Einsätze für den FC Bayern in allen Wettbewerben
Saison | Bundesliga | Champions League | DFB-Pokal | Supercup |
2017/18 | 24 | 8 | 4 | 1 |
2016/17 | 5 | 1 | 1 | - |
2015/16 | 1 | 1 | 1 | - |
Sven Ulreich hat sich als Elferkiller etabliert
Wobei diese Annahme nicht ganz neu ist. Schon nach dem Weiterkommen im DFB-Pokal bei RB Leipzig im Oktober 2017, in dem Ulreich den entscheidenden Elfmeter gegen Timo Werner parierte, orakelte die FAZ, "dass er eine ähnliche Gelegenheit für die Heldenrolle kurz vor Mitternacht wohl nicht noch einmal bekommen wird."
Doch Neuers Rückkehr verzögerte sich und Ulreich etablierte sich. Ansprüche hat er aus seinen guten Leistungen aber nie abgeleitet. Den Satz "Manu ist der beste Torhüter der Welt und die Nummer eins" hat Ulreich fast mantrahaft wiederholt. Ganz uneitel hat er auch immer wieder den Lerneffekt hingewiesen, der sich in seinen Bayern-Jahren im Training eingestellt hat. "Ich habe meine Technik verbessert, meine Abschläge, meine Paraden und meine Reflexe."
Mit diesen Qualitäten hat er den Bayern in dieser Saison schon Spiele gewonnen, noch dazu keine unwichtigen. Den Supercup gegen den BVB gewannen die Münchner im Elfmeterschießen dank Ulreich, im Pokal brachte er die Bayern gegen Leipzig weiter und in der Liga hielt er den Sieg mit einem gehaltenen Strafstoß in letzter Minute gegen seinen Ex-Klub VfB Stuttgart fest.
Und wer weiß, vielleicht sind diese Fähigkeiten schon am Mittwoch kurz vor Mitternacht wieder gefragt. Oder doch erst in einer weiteren Runde, falls sich Neuers Comeback doch wieder verzögern sollte.