Mit dem 2:2 im Rückspiel des Champions-League-Halbfinals bei Real Madrid endete auch die internationale Karriere von Jupp Heynckes. Der Trainer des FC Bayern München verlässt die große Bühne als Grandseigneur des Trainerwesens.
Die Spieler klappten auf dem Rasen zusammen, dem einen oder anderen schossen die Tränen in die Augen und andere starrten einfach nur in die Leere eines mit 81.000 Zuschauern prall gefüllten Stadions. Die Atmosphäre Sekunden nach dem Schlusspfiff in diesem aufregenden Halbfinal-Rückspiel zwischen Real Madrid und dem FC Bayern war höchst emotional.
Davon konnte sich auch Bayern-Trainer Jupp Heynckes nicht frei machen. Ein kurzer Handschlag mit Zinedine Zidane am Rande der Coaching Zone, dann verschwand er in den Katakomben des Estadio Santiago Bernabeu. Zum letzten Mal verließ Heynckes damit den Platz als Trainer bei einem Spiel in der Königsklasse.
Er sei natürlich enttäuscht, sagte Heynckes eine gute halbe Stunde später im Pressekonferenzraum. Dass ihn dieses Spiel mitgenommen hatte, war nicht nur seinen Worten zu entnehmen, sondern auch zu fühlen.
Der Tonfall, mit dem Heynckes seine Antworten gab, war ein ganz anderer als noch am Vortag, als er auch stimmlich die Entschlossenheit des FC Bayern präsentierte. Der Brustton der Überzeugung war großer Traurigkeit gewichen.
Jupp Heynckes: "Mein letztes CL-Spiel war das Finale in Wembley"
Das habe aber einzig und allein mit dem Spiel zu tun, versicherte Heynckes. Dass dieses 2:2 auch sein ganz persönliches Ende im Europapokal darstellte, löse in ihm dagegen "keine Emotionen" aus. Der 72-Jährige erlaubte sich sogar seine ganz eigene Sichtweise der Dinge in diesem Fall.
"Eigentlich war das Champions-League-Finale 2013 mein letztes Spiel", sagte Heynckes. Jeder wisse, dass es nie seine Absicht gewesen sei, noch einmal auf die Trainerbank zurückzukehren und wieso er sich auf diese Aufgabe eingelassen habe.
Der Freundschaftsdienst, den er Uli Hoeneß und dem gesamten FC Bayern derzeit noch leistet, brachte ihn zum ersten Mal in seiner Geschichte nicht ins Finale der Champions League. Das war ja auch so eine Randnotiz dieses Spiels, dass Zinedine Zidane bei seiner dritten Teilnahme an diesem Wettbewerb zum dritten Mal das Finale erreichte und damit Heynckes' Rekord egalisierte.
Heynckes herausragend Arbeit in sieben Monaten
Aber für solche Eitelkeiten hat der 72-jährige Heynckes nichts übrig. Er fühle diese Niedergeschlagenheit, weil ihm seine Mannschaft leidtue, eine Mannschaft mit Charakter, die in den letzten Wochen und Monaten herausragend gearbeitet habe und zu einem Team geworden sei.
Heynckes zeigte auch nach dieser bitteren Niederlage an alter Wirkungsstätte in Madrid noch einmal all das, was ihn in den letzten Wochen und Monaten nach seiner Rückkehr ausgezeichnet hat. Er sprach Fehler klar an, ohne irgendeinen Spieler an die Wand zu nageln. Er stellte seiner Mannschaft sportlich wie menschlich ein ausgezeichnetes Zeugnis aus, ohne sie komplett zu überhöhen. Und er blickte auf seine eigene Spielerkarriere zurück, um Erklärungen für den Auftritt seiner Mannschaft zu liefern.
In seinem letzten Spiel in der Königsklasse brach er sogar nochmal ein bisschen mit seiner Spielphilosophie, indem er auf Javi Martinez auf der Sechs verzichtete und eine etwas offensivere Variante wählte. Eine gemeinschaftliche Entscheidung, wie Heynckes betonte, "die Führungsspieler haben diese Entscheidung mitgetragen".
Heynckes nicht allzu gnädig mit Ancelotti und Guardiola
In seinen sieben Monaten seit seiner Rückkehr hat Heynckes den Maßstab gesetzt für seinen Nachfolger Niko Kovac. Gerade in Sachen Mannschaftsführung wird der Noch-Frankfurt-Trainer an seinem erfahrenen Vorgänger gemessen werden - der hat ihm aber schon mal seine Unterstützung zugesagt.
Auch sportlich hat Heynckes die Latte nach der Delle unter Carlo Ancelotti zu Beginn der Saison wieder höher gelegt. "Ich habe den FC Bayern seit Jahren nicht in so einer Verfassung gesehen", sagte Heynckes.
Das war vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen, immerhin haben die Bayern gerade unter Pep Guardiola bildschönen Fußball gespielt. Es mag der einzige Kritikpunkt an Heynckes sein, dass er mit der Arbeit seiner Nachfolger und Vorgänger nicht immer ganz so gnädig umgegangen ist. Er hat zwar nie direkt schlecht über Ancelotti und Guardiola gesprochen, aber er ließ schon immer wieder durchblicken, dass er Sachen anders mache und diese deshalb funktionieren.
Heynckes: "Es ist endgültig, aber das ist auch gut so"
Trotzdem steht Heynckes nicht im Verdacht, ein egozentrisches Weltbild zu pflegen. Er hat seine Aufgabe nach seiner Rückkehr mit Bravour gelöst, den Klubs souverän zur Meisterschaft geführt und mit dem DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt am 19. Mai die Chance auf das Double.
Wie von Hoeneß im Oktober 2017 gefordert, kann er den Klub und die Mannschaft "besenrein" an seinen Nachfolger übergeben. Eine weitere Rückkehr wird es dann nicht mehr geben.
"Nicht viele 72-Jährige gehen so ein Abenteuer ein", sagte Heynckes. "Ich weiß, dass es jetzt endgültig ist, aber das ist auch gut so." Es klang tatsächlich ziemlich rational.
Jupp Heynckes: Beste Siegquote in der Champions League
Trainer | Klub(s) | Spiele | Siegquote in Prozent | Titel |
Jupp Heynckes | Real Madrid, Bayern | 47 | 68 | 2 |
Louis van Gaal | Ajax, Barcelona, Bayern, ManUnited | 95 | 60 | 1 |
Pep Guardiola | Barcelona, Bayern, ManCity | 104 | 60 | 2 |
Vincente Del Bosque | Real Madrid | 60 | 57 | 2 |
Rafael Benitez | Valencia, Liverpool, Inter, Chelsea, Neapel, Real | 95 | 56 | 1 |