Der FC Bayern München scheitert nach großem Kampf im Halbfinale der Champions League an Real Madrid. Die spanischen Spitzenteams werden immer mehr zu einer unbezwingbaren Hürde für die Münchner. Wie oft kann sich diese Mannschaft noch aufraffen?
Mit Löwen können sie beim FC Bayern eher weniger anfangen. In dieser Hinsicht war die bildgewaltige Choreographie der Anhänger von Real Madrid ein klarer Fehlgriff: Die Siegesgöttin mit zwei gebändigten Löwen spannte sich über die Fondo Sur, die Südkurve. "Wir verteidigen den Thron" und "Wir holen uns den Ruhm" war dort zu lesen.
Nach einem aufregenden Fußballspiel muss man festhalten, dass Real Madrid tatsächlich die Chance hat, sich am 26. Mai in Kiew den dritten Champions-League-Titel in Folge unter den Nagel zu reißen. Dass der FC Bayern als Thronfolger ausfällt, ist für die Münchner, um im Bild zu bleiben, eine Tragödie.
Zum fünften Mal in Folge scheitert der deutsche Rekordmeister damit in der K.o.-Phase der Champions League (4 Mal Halbfinale, 1 Mal Viertelfinale) an einer spanischen Spitzenmannschaft. Wie schon in den vergangenen beiden Spielzeiten fehlten nur Kleinigkeiten, um eine Runde weiterzukommen.
Der FC Bayern in der Champions League wie Sisyphos
Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer hatte im Vorfeld schon einen "Real-Komplex" ausgemacht. "Bayern wird hier ohne Komplexe auftreten", vermutete dagegen Real Madrids Trainer Zidane - und sollte Recht behalten. Die Bayern spielten von Beginn an komplexfrei nach vorne und waren das fußballerisch bessere Team.
Aber die Bayern sind in dieser Geschichte in den letzten Jahren auch der Sisyphos, der zwar jedes Jahr mit größtmöglicher Anstrengung das große Ziel vor Augen hat, der es aber nicht schafft, seine Aufgabe zu vollenden.
"Wir waren überlegen, wir waren besser und wir hatten Chancen ohne Ende. Obwohl wir eine geile Mentalität an den Tag gelegt haben, sind wir letztlich ausgeschieden", sagte Mats Hummels. "Es bringt uns nichts, wenn wir einen geilen Fight geliefert haben. Wenn du am Ende den Titel holen willst, dann musst du die ganz großen Chancen eben nutzen."
Statistiken des FC Bayern: 22 Torschüsse, 19 innerhalb des Strafraums
Die Zahlen untermauern diese These: 22 Torschüsse gaben die Bayern ab, 19 davon innerhalb des Strafraums und zehn aufs Tor von Real Madrid. Auch aus elf Ecken konnten sie kein Kapital schlagen und die 26 Flanken köpfte die Real-Defensive reihenweise weg.
Es war zum Verzweifeln. Die Bayern brachten Madrid wie schon im Vorjahr nicht mit ihrer besten Elf trotz eines Rückstands aus dem Hinspiel an den Rand des Scheiterns. Die Fans im Bernabeu-Stadion ächzten und zitterten, schimpften und haderten, aber sie feierten in der Schlussphase auch jeden gewonnen Einwurf und Eckball wie ein Tor.
"Ein Spiel auf Weltklasseniveau" hatte Bayern-Trainer Jupp Heynckes gesehen, auch wenn Real Madrid nur auf Konterfußball im eigenen Stadion aus gewesen sei. "Ein großes Kompliment an meine Mannschaft. Ich habe den FC Bayern seit Jahren nicht in so einer Verfassung gesehen."
FC Bayern gegen Real Madrid: Statistiken und Daten zum Rückspiel
Statistik | Real Madrid | FC Bayern München |
Tore | 2 | 2 |
Torschüsse | 9 | 22 |
Torschüsse aufs Tor | 3 | 10 |
Schüsse vorbei | 5 | 5 |
Geblockte Schüsse | 1 | 7 |
Torschüsse innerhalb d. Strafraums | 6 | 19 |
Torschüsse außerhalb d. Strafraums | 3 | 3 |
Ecken | 6 | 11 |
Fouls | 10 | 10 |
Flanken aus dem Spiel | 6 | 26 |
Abseits | 3 | 0 |
Zweikampfquote in Prozent | 50,9 | 49,1 |
Pässe | 401 | 577 |
Passquote in Prozent | 79,6 | 85,8 |
Anteil Zuspiele in Prozent | 40,1 | 59,9 |
Mats Hummels: "Enttäuschung größer als 2017"
Am Ende lagen die Spieler mit den roten Trikots aber wieder auf dem Boden - ausgelaugt, traurig, ratlos. Es waren leere Blicke, die sich später vor dem riesigen Stadion verloren. Erschöpfung und Enttäuschung war den Bayern ins Gesicht geschrieben. "Es tut mehr weh als vergangenes Jahr", sagte Hummels. "Die Enttäuschung ist noch größer."
Einen Komplex kann man den Bayern immer noch nicht attestieren und diese Mannschaft hatte auch Spieler auf dem Platz, die sich mit Haut und Haaren gegen das Aus gewehrt haben. Einige von ihnen werden auch in Zukunft noch große Schlachten für Bayern schlagen wie Kimmich oder Süle.
Aber es gibt eben auch diese Generation von Spielern, die ihrem zweiten (Müller, Ribery) bzw. ersten Henkelpott (Hummels, Lewandowski) verzweifelt hinterherjagen und denen im Bernabeu wenige Zentimeter vor dem Gipfel die Kugel wieder den Berg hinabrollte.
Thomas Müller: "Jetzt geht der Schmarrn wieder von vorne los"
Es bedarf einer großen mentalen Bereitschaft sowie Stärke, sich wieder aufzuraffen und den nächsten Anlauf zu nehmen. Denn auch wenn für die großen Erfolge der Bayern 2001 und 2013 dramatische Niederlagen den Antrieb lieferten, können zu viele negative Erlebnisse aneinandergereiht auch zur Belastung werden.
"Es geht darum, an uns zu arbeiten. Aber jetzt über die nächste Saison nachzudenken ...", sagte Müller, ehe er noch einen kurzen Blick in sein Seelenleben gestattete. "Das ist das extrem Bittere: Dass der ganze Schmarrn jetzt wieder von vorne losgeht."