Gündogan erklärt, inwiefern sich die Trainer ähneln und unterscheiden. Außerdem: Warum Mario Götze der Spieler ist, der Gündogan besonders nachhaltig in Erinnerung blieb und welche drei weiteren Fußballer ihn inspirierten.
Talking Tactics bei DAZN mit Broich und Polenz:
Thomas Broich und Jerome Polenz beleuchten für DAZN regelmäßig den taktischen Aspekt des Fußballs. Dieses Mal haben sie Ilkay Gündogan getroffen. Das zweiteilige Feature seht Ihr Dienstag (Teil 1) und Mittwoch (Teil 2) auf DAZN.
Ilkay, Sie wurden oder werden von drei Trainern betreut, die diese Champions-League-Saison maßgeblich prägen: Von Jürgen Klopp und Thomas Tuchel in Dortmund, nun von Pep Guardiola bei ManCity, mit dem Sie am Dienstag im Achtelfinal-Hinspiel beim FC Schalke 04 (20.45 Uhr in Deutschland LIVE und in voller Länge nur auf DAZN) antreten. Wie unterscheiden sich die drei fußball-taktisch?
Ilkay Gündogan: Unter Kloppo hatten wir viele Freiheiten. Sein Spiel ist so ausgerichtet, dass man extremen Druck ausübt, wenn man den Ball verliert. Pep dagegen setzt mehr auf Automatismen. Alles muss in seiner Ordnung sein. Ich empfinde es als großes Privileg, mit Kloppo zusammengearbeitet zu haben und jetzt mit Pep. Aber ich will Thomas Tuchel nicht vergessen. Auch er ist ein geiler Trainer, von dem ich viel gelernt habe.
Wie tickt Tuchel denn?
Gündogan: Er ist in gewisser Weise der Widerspruch zu Kloppo. Er tickt eher wie Pep und legt auf die vermeintlich simplen Dinge wert.
Was heißt das?
Gündogan: Er hat im Training zum Beispiel immer gepredigt, dass wir den Ball mit dem richtigen Fuß annehmen, mit dem richtigen Fuß weiterspielen und in den richtigen Fuß des Mitspielers spielen. Wichtig waren ihm auch Positionsspiele auf dem Kleinfeld: Klatschen lassen, steil spielen, Klatschen lassen, steil spielen - das war die Devise.
Wie ähnlich sind sich Tuchel und Guardiola?
Gündogan: Unter Thomas haben wir ähnlich wie unter Pep gespielt, und doch ein bisschen anders. Während für Pep das Kurzpassspiel im Fokus steht, agiert Thomas auch gerne mit diagonalen Flugbällen. Bei Dortmund lief es oft so ab: Ein Rückpass kam vom äußeren Mittelfeldspieler auf den Sechser oder Achter. Der wechselte dann diagonal über die gegnerische Abwehr hinweg entweder auf unseren Außenverteidiger, den äußeren Mittelfeldspieler oder auf unseren Stürmer, der einen Laufweg nach außen machte. Wir hatten also drei Optionen. Und ich kann mich noch gut erinnern: Damals spielte Matthias Ginter auf der rechten Außenverteidigerposition und bereitete extrem viele Tore vor. Ich war seine Absicherung, weil ich auf der rechten Achter-Position spielte. Er konnte dadurch den Laufweg machen mit Henrikh Mkhitaryan, der als rechter Außenstürmer spielte. Der Ball kam dann meistens von links. Shinji Kagawa und Julian Weigl spielten diese Bälle oft, diagonal über die Abwehr, und Ginter legte die Bälle einfach quer für Pierre-Emerick Aubameyang, der nur noch einschieben musste. So haben wir einige Tore gemacht. Das ist eine gute Lösung gegen tiefstehende Abwehrreihen. Als Verteidiger ist es sehr schwierig, diese diagonalen Flugbälle einzuschätzen.
Gündogans Statistiken bei Nürnberg, BVB und Manchester City
Verein | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Manchester City | 96 | 16 | 16 |
Borussia Dortmund | 157 | 15 | 20 |
1. FC Nürnberg | 53 | 8 | 6 |
ManCity geht als klarer Favorit in die Spiele gegen Schalke. Wie kann man Ihre Mannschaft vor Probeleme stellen?
Gündogan: Unser Spiel ist einfacher, wenn wir Gegner haben, die pressen. Ist das der Fall, entstehen zwangsläufig Lücken, die wir gut bespielen können. Schwieriger tun wir uns, wenn ein Gegner mit zehn Spielern hinten drin steht und wir versuchen müssen, den Gegner hin und her zu schieben, um dadurch die Lücke aufzureißen. Das ist das Schwierigste im Fußball: Einen Gegner zu knacken, der mit allen Männern hinten drin steht. Heutzutage kann sich jeder hinten reinstellen, abwarten und versuchen zu kontern. Das ist nicht so anspruchsvoll wie nach Lösungen gegen dieses Mittel zu suchen. Deswegen ist es in unserem Spiel extrem wichtig, die Gegner aus einem geduldigen Kurzpassspiel heraus mit dem Ball anzulaufen.
Warum ist Kurzpassspiel nicht spektakulär, aber effektiv?
Gündogan: Es sieht manchmal fast arrogant aus, wenn man den Ball über vier, fünf Meter ein paar Mal mit einem Kontakt hin und her spielt, aber jeder Pass, selbst ein Zwei-Meter-Pass, löst irgendetwas beim Gegner aus. Irgendwann passiert etwas: Der Gegner denkt, es sei arrogant oder überheblich, was wir gerade machen, und verliert für einen Augenblick den Kopf, kommt dadurch raus und will vielleicht sogar einen von uns umhauen. So eine Reaktion erzeugt man oft nur durch diese kurzen Pässe. Man muss beim Gegner Fragezeichen hinterlassen, ihn aus der Reserve locken.
Sie mögen das, oder?
Gündogan: Ich mag Ballbesitz und Ballsicherheit. Deswegen bin ich ja hierhergekommen. Ich habe in meiner Karriere auch schon gegen Mannschaften gespielt, die 60 oder 70 Prozent Ballbesitz hatten, und musste dabei feststellen, dass es mir keinen Spaß macht, dem Ball ständig hinterherzulaufen. Ich will Ballbesitz haben. Je öfter ich an den Ball komme und ihn zirkulieren lasse, desto einfacher wird das Spiel für mich. Pässe wiederholen, den Ball laufen lassen, nie zum Ruhen bringen und sich schnell wieder davon trennen - das ist mein Spiel. Ich mag es nicht, den Ball lange am Fuß zu halten. Natürlich gibt es Situationen, in denen es nicht anders möglich ist, in denen du auch mal einen Gegner anlaufen und eine Zwei-gegen-Eins- oder Drei-gegen-Zwei-Situation kreieren und ausspielen musst. Aber grundsätzlich ist das Ballbesitz-Spiel die Art von Fußball, die mir am meisten Spaß macht. Je einfacher es für einen selbst ist, desto einfacher ist es für deinen Mitspieler, der die Aktion weiterführt.
Das ist auch das Erfolgsrezept des FC Barcelona.
Gündogan: Wobei man wissen muss, dass Kurzpassspiel auch extrem schwierig ist. Die Pässe müssen perfekt getimt sein und sauber gespielt werden. Es darf kein Hoppelball kommen, die Pässe brauchen eine gewisse Schärfe, müssen dazu im richtigen Fuß landen. Normalen Zuschauern fällt die Komplexität solcher Aktionen vielleicht gar nicht so sehr auf. Es ist in diesen engen Räumen immer gut, beidfüßig zu sein. Das empfinde ich als das Wichtigste in meinem Spiel.