Ajax-Star Dusan Tadic: Die wechselhafte Geschichte des Real-Madrid-Besiegers

Nino Duit
08. März 201915:57
Beim 4:1-Sieg bei Real Madrid bereitete Dusan Tadic zwei Tore vor und schoss eines selbst.getty
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Mit zwei Assists und einem Tor war Dusan Tadic der entscheidende Spieler beim sensationellen 4:1-Sieg von Ajax Amsterdam bei Real Madrid. Der Serbe ist 30 Jahre alt und steht gerade erstmals im internationalen Fokus. Wo kommt er her und was machte er bisher?

Am Mittwochmorgen saß der finnische Nationalspieler Tim Sparv mit seinen Kollegen vom dänischen Erstligisten FC Midtjylland beim Frühstück und war stolz. "Jedem habe ich erzählt: 'Ich habe mit diesem Kerl zusammengespielt! Ich kenne ihn! Er ist ein Freund von mir!'", berichtet Sparv gegenüber SPOX und Goal und lacht.

Sparv kennt den Kerl, der abends zuvor mit seiner Mannschaft die dreijährige Champions-League-Hegemonie von Real Madrid beendete. Der beim 4:1-Sieg von Ajax Amsterdam die ersten beiden Tore vorbereitete. Das zweite so traumhaft schön! Auf Casemiro lief er zu und drehte sich um ihn, wie es einst Zinedine Zidane so gerne tat. "Vielleicht habe ich mir zu viele Videos von ihm geschaut", sagte er danach und man wollte ihm fast zubrüllen: "Nein! Nein! Genau richtig viele!" Das dritte Tor erzielte er dann selbst. Und was für ein Strahl ins Kreuzeck das war!

Die französische Zeitung L'Equipe gab ihm für seine Leistung eine perfekte 10er-Bewertung und dazu muss man wissen, dass die L'Equipe eigentlich nie 10er-Bewertungen verteilt. Seit Zeitungsgründung 1946 wurde vor ihm erst acht Spielern diese Ehre zuteil. "Das war wahrscheinlich das beste Spiel meiner Karriere", sagte er dann noch.

Dieser Kerl, der Real Madrid besiegt hatte, dieser Kerl, mit dem Sparv befreundet ist, das ist Dusan Tadic. 30 Jahre musste er alt werden, um erstmals im großen internationalen Fokus zu stehen.

Fitnessraum und mazedonisches Restaurant in Groningen

Tadic kämpfte sich in seiner serbischen Heimat einst durch die Jugendabteilungen von Vojvodina Novi Sad, wurde mit 18 Jahren zum Profi und verzeichnete in seinen drei vollen Spielzeiten in der serbischen Liga jeweils eine zweistellige Anzahl an Scorerpunkten. Erst zehn, dann 14, dann 19. Mit 21 Jahren wechselte er 2010 zum FC Groningen in die Niederlande.

Dort traf er auf Sparv, der als defensiver Mittelfeldspieler seit jeher für seine Kämpferqualitäten bekannt ist. "Sehr selten beeindruckt mich der Arbeitseifer eines Kollegen", sagt Sparv und so bedeutungsschwer wie er das sagt, glaubt man es ihm aufs Wort. "Aber Dusan war in dieser Hinsicht auf einem höheren Level als alle anderen Spieler, die ich in meiner Karriere miterlebt habe."

Tadic kam in Groningen an und begann zu arbeiten, hart zu arbeiten. "Neben der Kabine gab es damals so einen kleinen Fitnessraum. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Dusan vor und nach jedem einzelnen Training darin schuftete", sagt Sparv. "Das war keine Vorgabe vom Klub, sondern seine eigene Motivation." Ein paar Spiele dauerte es, bis er sich auf dem Platz ins Spiel der Mannschaft einfand, "ab dann war er unser gefährlichster Spieler".

In seinen zwei Saisons in Groningen bestritt Tadic 76 Pflichtspiele und bereitete 32 Treffer vor. Manchmal traf er auch, aber seine große Stärke ist seit jeher das Chancenkreieren "Mit dem Rücken zum Tor ist Dusan einer der besten Spieler überhaupt. Egal, ob er einen oder zwei Gegner direkt hinter sich stehen hat - man kann ihn immer mit Bällen füttern und er verliert sie nie", sagt Sparv.

Auch abseits des Platzes kamen die beiden gut miteinander aus. "In der Stadt gab es damals ein mazedonisches Restaurant, in dem Dusan immer gemeinsam mit Tim Matavz (später in Deutschland beim FC Augsburg und 1. FC Nürnberg aktiv) abhing. Hin und wieder war ich auch dabei", erinnert sich Sparv. "In diesen Stunden habe ich ihn als sehr geselligen, bodenständigen, gesprächigen und stets positiven Menschen kennengelernt."

Dusan Tadic (Mitte) spielte von 2010 bis 2012 für den FC Groningen.getty

Kein Eis mehr, nicht einmal im Getränk

Nach zwei Jahren in Groningen wechselte Tadic zum Ligarivalen Twente Enschede, wo er ebenfalls zwei Jahre verbrachte. Seine bereits zuvor beeindruckenden Zahlen wurden nur eines: noch beeindruckender. 85 Pflichtspiele, 68 Scorerpunkte. 2014 folgte der Transfer in die Premier League zum FC Southampton.

Tadic kam in eine talentierte Mannschaft im Aufschwung, am Ende der Saison wurde sie Siebter. Über die folgenden Transferphasen hinweg wechselte jedoch ein Spieler nach dem anderen zu einem englischen Top-Klub. Toby Alderweireld (Tottenham Hotspur), Morgan Schneiderlin (Manchester United), Sadio Mane (FC Liverpool), Nathaniel Clyne (FC Liverpool), Victor Wanyama (Tottenham Hotspur) - Tadic aber schien etwas zu stagnieren. Klar, er sammelte viele Scorerpunkte, aber irgendwie wirkte es, als würde er sein Potenzial nicht ausschöpfen. Er war einer von vielen.

"Irgendwann hatte ich genug von der Premier League", erzählte Tadic später im YouTube-Channel des ehemaligen niederländischen Fußballers Andy van der Meyde. "Als Offensivspieler wird man in der Premier League nicht geschützt. Ich hatte genug davon, getreten zu werden. Ich erinnere mich daran, als ich nach einem Spiel mal wieder einen Eisbeutel auf meinem Bein liegen hatte, und dachte: 'Nach meinem Karriereende will ich kein Eis mehr sehen, nicht einmal in meinem Getränk!'"

Tadic und ein Kader, der vor Talent überquillt

29 Jahre alt war Tadic im vergangenen Sommer, als er beschloss, in die Niederlande zurückzukehren und sich Ajax Amsterdam anzuschließen. 11,4 Millionen Euro Ablöse kostete er. Er sprach davon, dass Ajax sein "Traumverein" sei, aber irgendwie wirkte der Wechsel von der Premier League in die Eredivisie trotzdem wie ein Rückschritt.

War Tadic gescheitert? Hatte er zu wenig aus seiner Karriere gemacht? Und wenn ja, wieso? "Ich weiß auch nicht, warum er den letzten Schritt zum Superstar nicht geschafft hat", sagt Sparv. "Er hatte bei jedem seiner Klubs eine wichtige Rolle inne und war immer an vielen Toren beteiligt."

Vielleicht fehlten ihm ja einfach nur die richtigen Mitspieler. Und vielleicht hat er die in dieser Saison gefunden. Tadic ist der drittälteste Spieler in einem Ajax-Kader, der vor Talent fast überquillt. Abwehrchef Matthijs de Ligt (19), Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui (21), Regisseur Frenkie de Jong (21), Rechtsaußen David Neres (22), die offensiven Mittelfeldspieler Hakim Ziyech (25) und Donny van de Beek (21).

Sie alle spielen traumhaft schön zusammen. Nicht erst bei den beiden beeindruckenden Achtelfinalspielen gegen Real, auch schon etwa bei den beiden Remis in der Gruppenphase gegen den FC Bayern München (1:1 und 3:3).

Dusan Tadics Karrierestationen und -statistiken

ZeitraumVereinPflichtspieleToreAssists
2006 bis 2010Vojvodina Novi Sad942717
2010 bis 2012FC Groningen761432
2012 bis 2014Twente Enschede853236
2014 bis 2018FC Southampton1622435
seit 2018Ajax Amsterdam402615
Die Ajax-Elf, die in Madrid gewann. Hinten, von l. n. r.: Matthijs de Ligt, Donny van de Beek, Noussair Mazraoui, Dusan Tadic, Daley Blind, Andre Onana. Vorne, von l. n. r.:  Lasse Schone, Hakim Ziyech, David Neres, Frenkie de Jong, Nicolas Tagliafico.getty

Tadic kämpft gegen die Vergänglichkeit

Was Tadic und Ajax aktuell leisten, ist historisch. Erstmals seit 2003 steht der Klub im Viertelfinale der Champions League. Tadic ist der erste Ajax-Spieler seit Jari Litmanen Mitte der 1990er Jahre, der in einer Champions-League-Saison mindestens sechs Tore erzielt. Dazu kommen vier Assists, was ihn mit zehn Torbeteiligungen zum aktuell besten Scorer des Wettbewerbs macht (vor Robert Lewandowski und Kylian Mbappe mit je neun).

Tadic weiß aber um die Vergänglichkeit im Fußballgeschäft. Und ganz besonders über die Vergänglichkeit bei Ajax. Kaum ein Klub produziert so viele herausragende Fußballer - und kaum einer verliert sie so schnell wieder. Der Wechsel von de Jong zum FC Barcelona im kommenden Sommer für 75 Millionen Euro steht bereits fest, weitere könnten folgen.

So sehr genießt es Tadic aber, dass er sich einfach gegen diese Entwicklung stemmt. Dass er der Vergänglichkeit den Kampf ansagt. "Ich werde versuchen, die übrigen Jungs vom Bleiben zu überzeugen", erklärte er, noch euphorisiert nach dem Sieg gegen Real, und versprach: "Ich jedenfalls spiele nächste Saison sicher hier - zu 100 Prozent."