Er werde im Ausland "anders wahrgenommen", erzählte der zuletzt nicht von Bundestrainer Joachim Löw für die Länderspiele gegen Serbien und die Niederlande nominierte Can bei einem Treffen mit DAZN und SPOX Ende März in Turin.
Fast vier Stunden nahm sich der gebürtige Frankfurter Zeit für ein offenes und ehrliches Gespräch. Ein Gespräch, in dem neben seinem Standing im DFB-Team auch sein neues Leben in Italien zur Sprache kam.
Can berichtete von den harten Trainingsmethoden und den taktischen Kniffen seines Coaches und verriet, womit er Jürgen Klopp enttäuschte. Außerdem machte er klar, warum er sich nicht mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan traf. Lesen Sie hier Teil eins des Interviews.
Herr Can, Sie stehen mit Juventus im Viertelfinale der Champions League und können sich am nächsten Spieltag der Serie A zum italienischen Meister krönen. Wie fällt Ihr bisheriges Saisonfazit aus?
Emre Can: So weit, so gut. Aber noch haben wir nichts gewonnen, die entscheidende Phase der Saison beginnt erst jetzt. Wir wollen Meister werden und die Champions League gewinnen. Vor allem die Sehnsucht nach der Champions League ist im Verein und in der Stadt riesig. Die Mannschaft war in den vergangenen Jahren immer wieder drauf und dran, den Titel zu holen. Die Konkurrenz ist natürlich sehr groß, aber wir werden alles dafür geben, dass es in diesem Jahr klappt.
Im Grunde können Sie sich ja schon als Champions-League-Sieger bezeichnen. Zu Beginn der Saison 2012/2013 unterschrieben Sie ihren ersten Profivertrag beim FC Bayern. Ein paar Monate später gewann die Mannschaft den Titel.
Can: Ich habe damals aber keine einzige Minute gespielt, deshalb fühle ich mich rückblickend nicht als Champions-League-Sieger. Aber ich weiß, wie schön das Gefühl ist, dabei zu sein und will es diesmal unbedingt als aktiver Bestandteil erleben.
Emre Can über Nicht-Nominierung: "Extrem enttäuscht"
Im Viertelfinale geht es gegen Ajax Amsterdam. Was halten Sie von den Niederländern?
Can: Ajax ist eine junge, eine freche Mannschaft, die gegen Real bewiesen hat, wie gut sie sein kann. Ich schaue aber nicht gerne auf unsere Gegner, sondern auf uns, denn auch wir sind eine starke Mannschaft und zudem sehr erfahren. Wenn wir unsere Qualitäten abrufen, bin ich guter Hoffnung, dass wir ins Halbfinale einziehen.
Sie verpassen das Hinspiel wegen Knöchelproblemen. Ein bitterer Ausfall für Sie, aber auch für die Mannschaft, denn Sie sind mittlerweile Stammspieler bei Juventus. Im Achtelfinale gegen Atletico Madrid waren Sie einer der Erfolgsgaranten. War dieses Spiel Ihr persönlicher Durchbruch?
Can: Ich hatte erstmals in meiner Zeit hier eine Bühne, mich über Italien hinaus zu präsentieren. Viele Fußballfans auf der ganzen Welt haben sich dieses Spiel angesehen. Ich wollte mich beweisen, wollte eine Top-Leistung bringen. Ich glaube, das habe ich gut hinbekommen. Unabhängig von diesem Spiel weiß ich aber, wie stark ich sein kann, wenn ich fit und gesund bin. Ich bin selbstbewusst genug, um zu sagen: "Hier setze ich mich durch." Das habe ich, egal wo ich in meiner bisherigen Karriere war, überall geschafft.
Für die Nationalmannschaft reicht es aktuell trotzdem nicht. Wie haben Sie auf die Entscheidung von Joachim Löw reagiert, Sie nicht für die Spiele gegen Serbien und die Niederlande zu nominieren?
Can: Ich war extrem enttäuscht, weil ich der Meinung war, eine gute Rückrunde zu spielen und in Topform zu sein. Ich finde, meine Leistungen im Ausland werden anders wahrgenommen und beurteilt als in Deutschland. Ich akzeptiere aber immer die Entscheidungen des Bundestrainers und versuche, positiv zu denken und diese Enttäuschung in Kraft umzuwandeln. Ich werde weiter Gas geben, bis der Bundestrainer irgendwann keine andere Wahl mehr hat, als mich mitzunehmen.
Emre Can über DFB-Team: "Ich will Führungsspieler werden"
Hat sich der Bundestrainer denn bei Ihnen gemeldet und seine Entscheidung begründet?
Can: Nein, er hat sich nicht bei mir gemeldet. Nur Marcus Sorg hat mir eine Nachricht geschrieben.
Für Löw ist Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld gesetzt. Mit Toni Kroos, Leon Goretzka oder Ilkay Gündogan haben Sie weitere Konkurrenten auf Ihrer Position. Allerdings lässt Löw auch oft mit einer Dreierkette spielen. Weiter hinten ist die Konkurrenz nicht ganz so groß. Wäre das nicht eine Möglichkeit für Sie, Fuß im Nationalteam zu fassen?
Can: Ich werde immer mein Bestes geben, egal wo der Bundestrainer mich aufstellt. Mein Ziel und Anspruch lautet aber, Leistungsträger und Führungsspieler im Mittelfeld der Nationalmannschaft zu werden. Ich spiele schließlich auch im Verein hauptsächlich im Mittelfeld, entweder auf der Sechs oder auf der Acht.
Gegen Atletico wechselten Sie Ihre Position ständig. Mal waren Sie weiter hinten, mal weiter vorne.
Can: Das war ein Masterplan von unserem Trainer. Er hat mich einen Tag vor dem Spiel zu sich gerufen und gesagt, dass wir mit dem Ball wie mit einer Dreierkette spielen wollen. Seine Idee: Ich soll als einer der drei Verteidiger den Ball nach vorne treiben und eine Position weiter vor ins defensive Mittelfeld rücken, sobald der Gegner am Ball ist. Das hat optimal funktioniert, weil Atletico fast nur auf zweite Bälle gespielt hat und ich meine Zweikampf- und Kopfballstärke genutzt habe.