Philippe Coutinho fand gegen Paderborn erneut keine Bindung zum Bayern-Spiel. Warum kann der Magier in München seinen Zauber nicht entfalten?
Ein berühmtes Zitat von Schriftsteller Theodor Fontane, das heutzutage diverse digitale Spruchbildchen und analoge Wohnzimmer- oder Schlafzimmerwände schmückt, lautet: "Der Zauber steckt immer im Detail". Die kleinen Dinge des Lebens, die einzelnen Umstände sind es, die das große Ganze zu etwas Zauberhaftem werden lassen.
Überträgt man Fontanes Worte in die Welt des Fußballs, konkreter auf den FC Bayern München und seinen technisch eigentlich so versierten Mittelfeldmann Philippe Coutinho, der bekanntermaßen den Spitznamen "Magier" trägt, muss man konstatieren: Der Zauber steckt nicht immer im Detail, er kann durchaus auch eben dort haken.
Coutinho lässt Chance gegen Paderborn ungenutzt
Am Freitagabend durfte der kleine Brasilianer erstmals seit dem Rückrundenauftakt in Berlin (4:0) wieder von Beginn an für den Rekordmeister ran. Weil Leon Goretzka kurzfristig ausgefallen war und der unter der Woche etwas angeschlagene Thomas Müller für das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den FC Chelsea (21 Uhr im LIVETICKER) geschont werden sollte. Die Chance also, sich zu beweisen, diejenigen, die sich unter Trainer Hansi Flick festgespielt haben, unter Druck zu setzen.
Ein Vorhaben, das Coutinho letztlich misslang. Gegen die physisch starken und leidenschaftlich kämpfenden Mannen des SC Paderborn lief sich die Leihgabe des FC Barcelona in regelmäßigen Abständen fest, gleich zu Beginn hieß der behelmte Ostwestfale Klaus Gjasula seinen wendigen Gegenspieler erst einmal mit einem Tritt auf den Schlappen willkommen.
Robert Lewandowski hadert mit Coutinhos Eigensinnigkeit
Nach einer Flanke von der rechten Seite nahm Coutinho die Kugel zunächst sauber mit der Brust an, kippte aber gleich darauf nach hinten, in der 41. Minute zog er den Ärger Robert Lewandowskis auf sich, als er den besser postierten Polen im Strafraum übersah und stattdessen selbst mit einem harmlosen Abschluss sein Glück versuchte. Am Ende standen die zweitschlechteste Zweikampfbilanz (45,5 Prozent) nach Alvaro Odriozola sowie 15 Ballverluste zu Buche (Quelle: Opta).
Aktionen und Zahlen, die aktuell sinnbildlich für Coutinhos Dilemma an der Isar stehen und sich während der 63 Minuten, die er auf dem Platz stand, immer wieder in seiner Gestik und Mimik widerspiegelten. Die stetigen Versuche, alles so gut wie möglich zu machen, teilweise nicht den einfachen, sondern den komplizierten Weg zu wählen, mündeten in einem einzigen Hadern mit sich selbst.
Manuel Neuer spricht Coutinho Mut zu: "Er ist ein Weltklassespieler"
Das dürfte auch seinem Kapitän Manuel Neuer aufgefallen sein, der im Anschluss an die Begegnung mit Paderborn aufbauende Worte fand: "Ich habe einen positiven Eindruck von ihm. Er versucht immer alles und natürlich kann nicht immer alles gelingen", gab der Torhüter zu Protokoll und ergänzte: "Gerade bei Mannschaften wie Paderborn, die versuchen, über Zweikämpfe zu gehen, ist es auch nicht leicht für ihn."
Coutinho versuche "spielerische Lösungen zu finden", dementsprechend sei es "in den Zweikämpfen eng", sagte Neuer. "Dann hat man auch mal Ballverluste. Wir müssen ihn natürlich stärken. Er ist ein Weltklassespieler." Auch Flick zeigte sich nach dem knappen 3:2 über das Tabellenschlusslicht diplomatisch: "Philippe ist ein genialer Fußballer", erklärte der FCB-Übungsleiter. Er schob nach: "Er hat etwas Pech in verschiedenen Situationen. Ich denke, dass er selbst auch gerne eine andere Lösung gehabt hätte, aber letztendlich ist es so. Wir müssen gucken, dass wir ihm helfen und ihn als Team rausziehen."
Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge fasste die derzeitige Gemengelage mit Blick auf Coutinho am Dienstagmittag, kurz bevor sich ein Teil des Bayern-Trosses in Richtung London aufmachte, recht treffend zusammen. "Er hat manche Spiele gut gespielt, und in manchen Spielen vermittelt er ein bisschen den Eindruck, als ob er so ein bisschen gehemmt ist." Eine Aussage, die mit der Statistik korreliert. Wirft man einen Blick auf die relevanten, nackten Werte, die Coutinho in der laufenden Bundesliga-Saison sammelte, so bekäme man auf den ersten Blick nicht den Eindruck, der Selecao-Star sei hintendran.
Philippe Coutinho mit ordentlichen Zahlen
Coutinho, der in dieser Spielzeit 1209 Minuten in Deutschlands Beletage spielte, entschied insgesamt 56,52 Prozent seiner direkten Duelle für sich und reiht sich damit noch vor Defensivspielern wie Joshua Kimmich (56,42/1917 Spielminuten), Alphonso Davies (56,34 / 1439 Spielminuten), Jerome Boateng (54,67 / 968 Spielminuten) oder David Alaba (51,76 / 1608 Spielminuten) ein.
Im Vergleich mit seinen direkten Konkurrenten Thomas Müller (42,86 / 1411 Spielminuten) und Leon Goretzka (41,38 / 694 Spielminuten) hat der 27-Jährige diesbezüglich sogar deutlich die Nase vorn. Auch was die Quote erfolgreich abgeschlossener Dribblings angeht, muss sich Coutinho nicht verstecken. 51,72 Prozent schloss er erfolgreich ab, während Müller beispielsweise nur auf 43,75 Prozent kam.
Außerdem kreierte Coutinho aus dem Spiel heraus 24 Chancen und wird dabei nur von Müller (51), Serge Gnabry (33) und Robert Lewandowski (27) getoppt. Doch was nutzen die durchaus zufriedenstellenden Statistiken, wenn zumeist - und eben nicht nur gegen Paderborn - dennoch offenkundig die Bindung zu seinen Mannschaftskameraden fehlt?
Die Problematik äußert sich vornehmlich in den vermeintlich kleinen, nicht unbedingt belegbaren Dingen. Müller harmoniert mit Lewandowski so gut, weil der Weltmeister von 2014 mit seinen unkonventionellen Läufen Räume schafft, Goretzka agiert zumeist schlicht pragmatischer, verzichtet auf die große Show, passt somit aber besser ins Flick'sche System.
Hansi Flick: "Philippe setzt sich zu sehr unter Druck"
"Philippe setzt sich selbst vielleicht manchmal zu sehr unter Druck", sagte Flick im Vorfeld des Königsklassen-Duells mit Chelsea bei der Pressekonferenz an der Stamford Bridge. "Er versucht immer wieder, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Nicht alle Entscheidungen sind aktuell richtig." Obwohl der ehemalige Co. von Bundestrainer Joachim Löw noch einmal verdeutlichte, wie viel er von Coutinho als "Fußballer" und "Mensch" halte, dürfte der Edeltechniker gegen die Blues wieder ins zweite Glied rücken.
Auch, wenn Rummenigge die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass er noch "in diesen entscheidenden Wochen ein wichtiger Faktor" werde. Um diesem Wunsch zu entsprechen, müsste Coutinho die Haken, die ihn momentan fesseln, so schnell wie möglich lösen.