Manchester City vs. Chelsea: Die deutschen Spieler im CL-Finale - zwei Leistungsträger und zwei Sorgenkinder

Stefan Petri
28. Mai 202119:25
Antonio Rüdiger (l.) und Ilkay Gündogan treffen im Champions-League-Finale aufeinander.getty
Werbung
Werbung

Im Champions-League-Finale zwischen Manchester City und dem FC Chelsea könnten am Samstagabend (21 Uhr live auf DAZN ) gleich vier Deutsche von Beginn an auflaufen. Die Situation des Quartetts könnte dabei kaum unterschiedlicher sein: Während Ilkay Gündogan und Antonio Rüdiger zu absoluten Leistungsträgern gereift sind, macht das Sturmduo Timo Werner und Kai Havertz bei den Blues Sorgen. SPOX und Goal beleuchtet die Situation der vier Nationalspieler.

Jetzt den kostenlosen Probemonat von DAZN sichern und damit das Champions-League-Finale zwischen Manchester City und dem FC Chelsea live und in voller Länge verfolgen!

Gündogan und die Saison seines Lebens bei Manchester City

Nicht Raheem Sterling, Riyad Mahrez oder der scheidende Sergio Agüero. Auch nicht Jungstar Phil Foden, Regisseur Kevin De Bruyne oder Gabriel Jesus. Nein, der Top-Torschütze des englischen Meisters hört in dieser Saison auf den Namen Ilkay Gündogan. Insgesamt 17 Treffer hat der 30-Jährige in der laufenden Saison markiert, drei davon (plus eine Vorlage) in der Königsklasse. Keine Frage, Gündogan spielt die Saison seines Lebens.

Dabei begann diese ganz und gar ungünstig. Die ersten drei Ligaspiele verpasste der Mittelfeldmann aufgrund einer Corona-Erkrankung, die ihm so sehr zusetzte, dass er eine Kampagne startete, die sich gegen Verharmlosungen der tödlichen Krankheit einsetzt.

"Ich hatte ziemlich alle Symptome. Angefangen mit Fieber, Halskratzen, Geschmacksverlust. Ich hatte mich so schlecht gefühlt, wie vorher noch nie", skizzierte Gündogan das Virus, das die Welt seit über einem Jahr in Atem hält. Die Corona-Diagnose sei für ihn ein "Schock", ein "Schlag ins Gesicht" gewesen, "weil es eine komplett neue Erfahrung für mich war."

Nach den "schlimmen zwei Wochen" musste er sich erst wieder herankämpfen, dazu kam, dass die Citizens den Saisonstart gehörig in den Sand setzten: Am 13. Spieltag belegte das Team gerade mal Rang sieben. Es folgte jedoch eine überragende Siegesserie von 21 Spielen - und daran hatte neben der stark verbesserten Abwehr vor allem Gündogan einen Löwenanteil.

Denn ausgerechnet er, der im Laufe seiner Karriere vor allem im defensiven Mittelfeld beheimatet war, schlüpfte gerade nach dem Jahreswechsel in eine deutliche offensivere Rolle als zuvor. David Silva hatte den Klub verlassen, frühere etatmäßige Torjäger wie Agüero fielen teilweise lange aus, Sterling hatte nicht die Form vergangener Jahre. Also sprang Gündogan in die Bresche, in einer vielseitigen offensiven Rolle - mal als halblinker Offensiver, mal als Spielmacher, sogar als falsche Neun bot ihn Guardiola auf.

Gündogan zahlte zurück - mit der produktivsten Phase seiner Karriere: Von Anfang Januar bis Mitte Februar erzielte er in der Liga in neun Spielen stolze neun Tore, darunter drei Doppelpacks gegen West Brom, Liverpool und Tottenham. Danach grüßte City von der Tabellenspitze - und Gündogan wurde im Januar und Februar gleich zweimal in Folge zum Premier-League-Spieler des Monats gewählt.

Guardiola über Gündogan: "Endlich gebührend gewürdigt"

Auch wenn er dieses Tempo nicht halten konnte: Gündogan ist im Starkollektiv von Pep Guardiola gesetzt. Er spielt seine Rolle im Gegenpressing-Schwarm hervorragend, Pep schätzt seine Fähigkeiten im Kombinationsspiel und seine Abgeklärtheit am Ball. "Ich freue mich, dass er jetzt endlich gebührend gewürdigt wird, weil er Tore schießt und vorbereitet", sagte der Manager im April, und erklärte Gündogan zum Führungsspieler: "Er denkt nicht nur an sich, sondern ans Team."

Wobei Gündogan selbst die Aufmerksamkeit nach seinem Torreigen fast schon unangenehm war. "Natürlich sind meine Statistiken besser als je zuvor", gab er gegenüber Sky Sports zu, "aber das heißt nicht, dass ich besser Spiele - und es macht mich auch nicht glücklicher. Ich analysiere mein Spiel immer ganz genau, ob ich Scorerpunkte sammle, ist nicht entscheidend."

Im Finale gegen Chelsea wird seine Erfahrung ganz besonders wichtig sein: Als einziger Spieler im Kader stand er schon einmal im Endspiel der Königsklasse, beim 1:2 von Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München 2013 erzielte er per Elfmeter den zwischenzeitlichen Ausgleich. "Ganz ehrlich, dieses Finale verfolgt mich noch immer", gab er kürzlich zu. "Ich möchte diese Trophäe so sehr"

Gedanken über seinen Platz in der Startelf am Samstag muss er sich trotz der hochkarätigen Konkurrenz nicht machen: In der K.o.-Runde spielte er bis auf das Rückspiel gegen Gladbach (2:0), als er nach getaner Arbeit und erzieltem Treffer nach 70 Minuten duschen gehen durfte, immer durch. Gündogan ist bei ManCity längst unverzichtbar geworden.

Umso bitterer wäre es, wenn Gündogan auf den letzten Metern vor dem Finale eine Verletzung ausbremsen würde. Das Abschlusstraining am Freitag musste der Nationalspieler mit Beschwerden im rechten Oberschenkel abbrechen. Ob er sich schwerer verletzt hat, war zunächst offen.

Timo Werner im ersten Chelsea-Jahr: Unglücklicher Chancentod

Eins muss man Timo Werner lassen. Der 25-Jährige macht alles richtig. Er läuft unermüdlich. Er spielt mannschaftsdienlich. Er gibt sich in Interviews ob seiner Abschlussschwäche abgeklärt: "Mich haut so schnell wirklich nichts mehr um", sagte er etwa zu Sport1 und sprach davon, dass sein Fell "etwas dicker" geworden sei.

Sogar mit Humor versucht er es. Als ihn Thiago Silvas Ehefrau nach dem Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid ob einer vergebenen Chance als "Wurm" tituliert hatte, nur um schnell zurückzuziehen und ihn eine Woche später überschwänglich zu loben, stellte Werner fest: "Es ist das schönste, wenn die Frauen daheim zufrieden sind." Und ja, er sei im Hinspiel ja auch der "Depp" gewesen.

Leider macht Werner dieser Tage nur abseits des Platzes alles richtig. Auf dem Platz läuft er vor allem unermüdlich ins Abseits - oder auf die falsche Spielfeldseite. Spielt so mannschaftsdienlich, dass er abspielt wenn er schießen und schießt wenn er abspielen sollte. Und wenn er mal trifft, dann ist es gefühlt immer Abseits, Handspiel oder gleich beides.

"Für mich war es die unglücklichste Saison, die ich jemals hatte und wohl auch haben werde, denn schlimmer kann es nicht werden", stöhnte er nach dem 2:1 gegen Leicester City, als seine Treffer zum wiederholten Male nicht zählen wollten.

Auf der Insel gibt es kein Äquivalent zum deutschen Begriff "Chancentod", sonst hätte ihn Werner wohl längst weg. Stattdessen zeigt sich in den sozialen Medien ein Mix aus Mitleid und Belustigung - wobei das Unverständnis darüber, dass Trainer Thomas Tuchel seinem Landsmann eisern die Treue hält und für Tammy Abraham teilweise nicht einmal mehr Platz im Kader ist, durchaus wächst.

Timo Werner: Er spielt auch für Bundestrainer Jogi Löw vor

Da hilft es nicht, dass Werner darauf verweisen kann, dass er mit 12 Toren und 15 Vorlagen Chelseas bester Scorer ist. Sein Selbstvertrauen ist im Keller, man sieht es an fast jeder Aktion, an fast jedem Abschluss. Dazu kommt: Niemand ärgert sich so telegen über vergebene Chancen wie der normalerweise so treuherzig dreinschauende Werner. Dass er den Killerinstinkt vor dem Tor hat, hat er in Leipzig zur Genüge bewiesen. Ansehen kann man ihn dem Deutschen nicht.

Der Druck im Champions-League-Finale wird immens sein, schließlich spielt Werner - so er denn in der Startelf steht - nicht nur für die wichtigste Trophäe im Vereinsfußball, sondern auch gegen die Notwendigkeit eines teuren Neuzugangs im Angriff bei den Blues (Harry Kane?). Und für einen Startplatz unter Bundestrainer Joachim Löw im anstehenden Kontinentalturnier.

Andererseits hat Werner schon Schlimmeres weggesteckt, man denke nur an die fast schon bundesweiten Schmähgesänge nach seiner Schwalbe 2016 im Trikot des VfB Stuttgart. Und er hat am Samstag die Möglichkeit, das letzte Kapitel einer recht verkorksten Saison selbst zu schreiben. Schießt er die Blues zum Sieg, sind die vergebenen Großchancen der letzten Wochen und Monate auf einen Schlag ausgelöscht.

Antonio Rüdiger: Erst ausgemustert, dann Fels in der Brandung

Dass Antonio Rüdiger dem FC Chelsea im vergangenen Sommer - und diesen Winter - noch beinahe den Rücken gekehrt hat, mutet in diesen Tagen seltsam an, schließlich ist Rüdiger aus dem Abwehrbollwerk von Thomas Tuchel gar nicht mehr wegzudenken. Aber so war es.

"Ich stand wirklich kurz davor zu gehen", verriet der mittlerweile 28-Jährige diese Woche dem kicker. "Es war zum Start in eine Saison mit einer EM am Ende, und auch gegenüber dem DFB sah ich mich dann in der Pflicht, mich nach Alternativen umzuschauen, um genug Spielpraxis zu erhalten."

Schließlich war er in der Saison zuvor noch Stammspieler gewesen, und im DFB-Dress ist Rüdiger unter Löw längst gesetzt. Unter Frank Lampard dagegen schaute der Innenverteidiger in die Röhre. Auf gerade mal zwei Einsätze kam er in der Liga vor dem Jahreswechsel. Wechsel zu PSG, wo Thomas Tuchel ihn unbedingt haben wollte, und in die Serie A waren zuvor geplatzt und eine Leihe zu den Tottenham Hotspur und Trainer Jose Mourinho "kam dann aber letztlich nicht infrage", wie Rüdiger verriet.

Doch wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann läuft es manchmal eben doch umgekehrt: Um seinen Wunsch-Innenverteidiger endlich trainieren zu können, ließ sich Thomas Tuchel also bei PSG feuern, wartete einige Wochen auf den Rauswurf von Lampard und übernahm schließlich das Ruder beim Klub von Roman Abramovich. Gut, ganz so ist es wohl nicht gelaufen. Aber zumindest haben sich mit Tuchel und Rüdiger zwei gesucht und gefunden.

Antonio Rüdiger: Erst EURO 2020, dann Vertragsverlängerung?

Als Resultat spielt der gebürtige Berliner bislang eine bärenstarke Rückrunde und ist Kernstück einer Dreierkette, die gerade in den ersten zwei Monaten unter Tuchel kaum einen Treffer zuließ. Wobei es der Defensive zugute kommt, dass der deutsche Übungsleiter einen sehr vorsichtigen, auf Ballbesitz ausgelegten Stil spielen lässt und die Abwehrkette zumeist mit gleich mehreren defensiven Mittelfeldspielern absichert.

Ein Abschied aus London ist auf jeden Fall kein Thema mehr. Im Gegenteil: "Ich bin ein Mann meiner Worte: Nach der EM können wir reden", zeigte sich Rüdiger gesprächsbereit, seinen 2022 auslaufenden Vertrag zu verlängern. Die Europameisterschaft könnte seine Verhandlungsposition dabei noch einmal verbessern, schließlich ist er aus Löws Startelf trotz der Rückkehr von Mats HUmmels nicht wegzudenken.

Aber auch abseits des Platzes ist Rüdiger bereit, eine Führungsrolle einzunehmen. So engagiert er sich etwa öffentlich gegen Rassismus im Fußball. "Und wenn ich, so Gott will, den Pokal gewinne", schrieb er vor wenigen Tagen in der Player's Tribune, "gewinnt ihr den Pokal zusammen mit dem Jungen aus Neukölln."

Kai Havertz und das verlorene Jahr beim FC Chelsea

Der 22-Jährige wollte nicht um den heißen Brei herumreden. "Wenn ich ehrlich bin, ist es echt hart", zog Havertz bei Sky Sports Bilanz, was seine erste Saison in der Premier League angeht. "Du spielst hier alle drei Tage. Und die Intensität ist hier noch mal deutlich höher als in Deutschland, um ehrlich zu sein." Immerhin bescheinigte sich der Offensivspieler eine "wirklich gute Form" in den letzten Monaten, zuvor sei nicht alles immer glücklich gelaufen.

Havertz' Situation beim FC Chelsea ist nicht so eindeutig zu umreißen wie die seiner deutschen Teamkollegen. Wo bei Rüdiger mittlerweile alles paletti ist und bei Werner "die unglücklichste Saison, die ich jemals hatte" ihren Lauf nimmt, hat der Ex-Leverkusener zwar in den Monaten unter Tuchel tatsächlich einen Aufschwung erlebt, so ganz ist aber immer noch nicht klar, wo die Reise mit ihm hingehen soll.

Leicht war es nicht angesichts des 80-Millionen-Euro-Rucksacks, dazu kam eine Corona-Erkrankung im Herbst und eine mehrwöchige Verletzungspause im Februar. Noch schwerer machte es ihm aber die Tatsache, dass Frank Lampard einfach nicht wusste, wohin mit seinem neuen Schmuckstück.

Mal spielte Havertz auf der Zehn, mal im Sturm, mal auf dem Flügel und mal im zentralen Mittelfeld. Immer mit dem Hintergedanken, man könne es sich nicht leisten, auf das irrsinnige Talent des Neuzugangs zu verzichten.

Kai Havertz: Zu wenig Tore für einen Stürmer

Unter Tuchel hat Havertz einen leichteren Stand, doch auch der setzt ihn auf unterschiedlichen Positionen ein. Hauptsächlich als zweiten Stürmer neben Werner im 3-4-1-2, Tuchel setzt auf die Tatsache, dass sich die beiden Landsmänner blind verstehen. Das klappt mal besser und mal schlechter, auch wenn Havertz nach eigener Aussage "nicht der große Mittelstürmer" ist.

Nicht zufriedenstellend ist auf jeden Fall die Torquote: Acht Treffer und neun Assists in insgesamt 44 Pflichtspielen, drei Tore davon im Carabao Cup gegen das zweitklassige Barnsley, ist für einen Spieler von Havertz' Kaliber zu wenig. Immer wieder schien es so, als habe der seinen Durchbruch gelandet, nur um dann doch wieder Durststrecken durchzumachen.

Noch schwieriger wird seine Lage dadurch, dass er längst im Schatten eines weiteren hochbegabten Youngsters steht: Mason Mount (22) glänzt in der Zentrale hinter den Spitzen mit guten Leistungen und hat sich auf dieser Position festgespielt.

Das schränkt Havertz' Optionen ein: Experimente auf dem Flügel haben nicht funktioniert, und wenn sich Chelsea in der Sommerpause daran macht, die unter Tuchel noch zu wünschen übrig lassende Offensive mit einem verlässlichen Torjäger zu verstärken, könnte es auch für ihn noch etwas enger werden. Genau wie Werner braucht Havertz unbedingt eine erfolgreiche EM.

Champions League: Die Sieger der vergangenen Jahre

SaisonStadionStadtSiegerErgebnisFinalist
2019/20Estadio da LuzLissabonFC Bayern München1:0Paris Saint-Germain
2018/19Estadio MetropolitanoMadridFC Liverpool2:0Tottenham Hotspur
2017/18OlympiastadionKiewReal Madrid3:1FC Liverpool
2016/17Millennium StadiumCardiffReal Madrid4:1Juventus Turin
2015/16Giuseppe-Meazza-StadionMailandReal Madrid1:1 n.V. / 5:3 i.E.Atletico Madrid
2014/15OlympiastadionBerlinFC Barcelona3:1Juventus Turin
2013/14Estadio da LuzLissabonReal Madrid4:1 n.VAtletico Madrid
2012/13Wembley-StadionLondonFC Bayern München2:1Borussia Dortmund
2011/12Allianz ArenaMünchenFC Chelsea1:1 n.V. / 4:3 i.E.FC Bayern München
2010/11Wembley-StadionLondonFC Barcelona3:1Manchester United
2009/10Estadio Santiago BernabeuMadridInter Mailand2:0FC Bayern München