Gegen RB Leipzig wurde trotz - oder gerade wegen - der zahlreichen Individualisten mal wieder deutlich, woran es bei PSG und insbesondere Trainer Mauricio Pochettino mangelt.
"Gewinnen allein reicht bei PSG nicht - man muss mit Stil gewinnen", betonte Mauricio Pochettino bei seiner Präsentation als neuer Cheftrainer von PSG im Januar dieses Jahres.
Knapp zehn Monate später lässt sich festhalten: Unter dem 49-Jährigen gewannen die Franzosen 36 von 51 Partien (sechs Remis, neun Niederlagen), stehen mit acht Zählern Vorsprung an der Tabellenspitze der Ligue 1 und haben in der Champions League trotz des 2:2-Unentschiedens gegen RB Leipzig das Weiterkommen (als Gruppenerster) in der eigenen Hand - von Stil ist dabei allerdings nichts zu sehen.
Nach einer Spielidee sucht man bei den Parisern vergeblich. Zu identitätslos präsentiert sich PSG auf dem Platz, zu ideenlos im Spiel mit und gegen den Ball, zu oft verlassen sie sich einfach nur auf die Qualität ihrer Individualisten.
Pochettino droht sich damit den Status des Top-Trainers, den er sich über Jahre mit ansehnlichem Offensivfußball bei Tottenham erarbeitet hat, zu verspielen. Und er verspielt die Voraussetzungen, die der Pariser Kader zu bieten hat.
"Müssen ihre Spielart akzeptieren": Pochettino ordnet sich Offensiv-Trio unter
Allen voran der Umgang mit seinem Offensiv-Trio steht sinnbildlich für Pochettinos Problem: Statt seine eigene Spielidee zu vermitteln, ordnet sich der Argentinier seinen Superstars unter. Ob Lionel Messi, Kylian Mbappe, Neymar oder Angel Di Maria - bei Pochettino arbeiten sie autark.
"In meinen anderen Klubs war der erste, der verteidigt und Druck auf den Verteidiger ausübt, der Stürmer", sagte der Fußballlehrer im Vorfeld der Partie in Leipzig im neuen DAZN-Format Decoded. Messi, Neymar und Mbappe seien dagegen nunmal andere Spielertypen "und wir müssen verstehen, wie sie gewohnt sind, Fußball zu spielen, ihre Spielart akzeptieren."
Ergo: Das nominell wohl beste Sturm-Trio der Welt ist nicht Teil der Defensivarbeit. Ihr Talent könnten die Ausnahmekönner schließlich am besten zeigen, "wenn sie den Ball am Fuß und innerhalb einer Kompaktheit gewisse Freiheiten haben."
PSG-Coach Pochettino: Fehlende Dominanz und mangelnde (Selbst-)Kritik
Auch in Leipzig beteiligten sich in diesem Fall Di Maria, Neymar und Mbappe nicht am Spiel gegen den Ball und ließen Leipzigs Spielaufbau zu.
Die Folge: Zahlreiche Großchancen für den Bundesligisten. RB setzte Paris mit giftigem Pressing und schnellem Umschaltspiel enorm unter Druck. Das Pariser Starensemble war mit dem Remis noch gut bedient, hätte sich im Grunde auch über eine Niederlage nicht beschweren dürfen.
"Die Mannschaft hat Charakter und Widerstandsfähigkeit gezeigt", lobte Pochettino seine Elf anschließend mit Blick auf die Leipziger Dominanz in den ersten 20 Minuten. Von (Selbst-)Kritik keine Spur.
Dabei hätten es angesichts des nominell hochkarätig besetzten Kaders eigentlich seine Spieler sein müssen, die das Geschehen von Anfang an beherrschen. Gerade gegen einen Gegner wie Leipzig, der derzeit vermutlich die schwierigste Phase seit dem Bundesliga-Aufstieg 2016 durchmacht.
PSG und seine Individualisten: Irgendeiner wird's schon richten
Die Dominanz ist PSG unter Pochettino jedoch nicht erst seit dem Auftritt gegen die Sachsen abhanden gekommen.
Auch in der Ligue 1 tat sich PSG oftmals gegen vermeintlich schwächere Mannschaften schwer und zog kurz vor Ende dank ihrer individuellen Klasse gerade noch so den Kopf aus der Schlinge. So gesehen beispielsweise in den Partien gegen Angers, Metz oder Lille.
Obwohl Pochettino laut eigener Aussage eigentlich gerne "mit viel Ballbesitz dominiert, dynamisch und aggressiv spielt", fehlt es PSG in eigenem Ballbesitz schlichtweg an Ideen. Es fehlt an einer Marschroute, die eigentlich vom Trainer vorgegeben werden muss.
Es wirkt so, als würde Pochettino seine Idee an jeden einzelnen seiner Akteure angleichen wollen und PSG sich ausschließlich auf die individuelle Qualität ihre Einzelspieler verlassen.
PSG: Nur Siege halten Pochettino noch am Leben
Trotz der komfortablen Situation in Liga und Königsklasse stagniert PSG merklich in seiner Entwicklung. Für Sportdirektor Leonardo (noch) kein Grund zur Panik, schließlich ist das große Ziel Henkelpott noch nicht aus den Augen.
"Er [Pochettino, Anm. d. Red.] und wir suchen noch nach dem passenden Stil. Pochettino war, bevor er hierher kam, ein Top-5-Trainer, jetzt soll er angeblich nichts mehr verstehen. Wir haben die Dinge geändert. Die Abrechnungen werden wir am Ende machen", betonte der 52-Jährige jüngst im Gespräch mit der L'Equipe.
Paris entschied sich mit der Verpflichtung Pochettinos, wie auch bei vielen Spielertransfers, bewusst für den klangvollen Namen. Freilich ist am Ende immer noch die Punkteausbeute das entscheidende Kriterium, doch es sind eben auch nur die Punkte, die Pochettino momentan noch retten.