ManCity und Guardiola scheitern erneut in der Champions League: Real Madrid kann sich bei Sir Alex bedanken

Filippo Cataldo
05. Mai 202213:49
Wieder nix: Pep Guardiola nach dem Halbfinal-Aus in der Champions League gegen Real Madrid.getty
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Auch im sechsten Anlauf scheitern Pep Guardiola und Manchester City in der Königsklasse. Und diesmal musste sich Guardiola nicht mal vercoachen. Doch wie konnte es dazu kommen? Und was hat der Ex-Trainer des Lokalrivalen zu tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Halbfinal-Aus gegen Real Madrid.

Wie um alles in der Welt konnte Manchester City im Halbfinale der Champions League an Real Madrid scheitern, obwohl die Skyblues in der Addition beider Spiele in der 90. Minute des Rückspiels mit 5:3 vorne lagen? Die Erklärung von The Athletic ist so simpel, wie naheliegend - und sie trifft den Nagel auf den Kopf. "Real Madrid weiß, wie man die Champions League gewinnt. Manchester City weiß das nicht".

Aber wieso ist das so? Wie konnte Manchester City schon wieder scheitern, wie konnte Trainer Pep Guardiola auch im sechsten Anlauf nicht den Henkelpott mit den Cityzens gewinnen, wie konnte der Katalane zum sechsten Mal im Halbfinale ausscheiden und in dieser eher unrühmlichen Statistik mit seinem ewigen Widersacher und Antipoden Jose Mourinho gleichziehen?

Fünf Fragen zu Citys traumatischen Ausscheiden:

Manchester City in der Champions League: Hat Pep Guardiola sich vercoacht?

Auf keinen Fall. Weder im Hinspiel, noch im Rückspiel. Man kann dem Coach auch nicht vorwerfen, zu sehr experimentiert zu haben in diesem Halbfinale gegen Real Madrid. Auf dem Platz stand jeweils die stärkste Elf, die er zur Verfügung hatte.

Und auch wenn einige Fans Guardiolas Wechsel im Rückspiel kritisierten - Guardiola brachte etwa den glücklosen Jack Grealish für Gabriel Jesus und den blassen Fernandinho für Torschützen Ryad Mahrez ein - so übersehen sie, dass der für den auffällig schwachen Kevin De Bruyne eingewechselte Ilkay Gündogan durch seinen öffnenden Pass Citys 1:0 ermöglichte und auch sonst alles im Griff hatte.

Im Hinspiel zeigten die Cityzens ein unfassbar rasantes, fast perfektes Spiel. Am Ende mussten sie sich weniger über die drei, vier kleinen Unsicherheiten ärgern, aus denen Real Madrid und Karim Benzema drei Tore machten, als über ihren Chancenwucher. Das Hinspiel hätte gut und gerne auch 7:3 zu Ende gehen können.

Das Rückspiel war erwartbar zäher und City bewies, dass es auch mit Geduld geht. Sicher, Reals Gegenpressing funktionierte besser als das der Cityzens, die ihre Bälle ungewohnt häufig nach Eroberungen schnell wieder verloren; auch die Passquote von 83,3 Prozent ist für eine Mannschaft Guardiolas eher mäßig. Aber: City spielte variabler, kam zu mehr Schüssen aufs Tor (10 zu 5), ging öfter ins Dribbling (25 zu 16) und verlor dabei deutlich seltener den Ball (73,1 Prozent erfolgreiche Dribblings). Auch in den direkten Duellen war Manchester mit 57,9 Prozent gewonnener Zweikämpfe erfolgreicher.

City brillierte weder in der ersten, noch in der zweiten Halbzeit, doch die Engländer spielten seriös und gingen durch ein Tor des Willens in Führung. "Nach dem Tor haben wir das Spiel kontrolliert", sagte Guardiola. "Wir haben unser Tempo und zu unserem Spiel gefunden und die Spieler haben sich wohlgefühlt." Dass dann der eingewechselte Jack Grealisch zweimal das 2:0 verpasste und an Ferland Mendy und Thibaut Courtois scheiterte, lag vor allem an Mendy und Courtois.

Reals 1:1 in der 90. Minute durch Rodrygo war vor allem brillant herausgespielt von Eduardo Camavinga und Karim Benzema. Beim zweiten und dritten Tor war dann neben den Torschützen Rodrygo und Karim Benzema auch wieder Camavinga entscheidend beteiligt - beim 2:1 gewann er den Ball und leitete den Angriff ein, vorm 3:1 spielte er den vorletzten Pass vor dem Foul an Benzema, der zum Elfmeter führte. Aber höchstwahrscheinlich war das Ergebnis nach dem 1:1 unvermeidlich. Und selbst wenn nicht: Was soll ein Trainer tun, wenn seine Spieler vom Gegner aufgefressen werden auf dem Platz?

Champions League: Was fehlt Manchester City dann?

Guardiola versuchte sich in seiner Analyse mit einer psychologischen Annäherung. "Die Spieler von Real Madrid haben so etwas schon erlebt. Wir haben es nicht erlebt", sagte der Coach über das unglaubliche Comeback Reals, das zum dritten Mal in der diesjährigen K.o.-Runde die Serie drehte. "Wir wussten, was sie in der Vergangenheit getan haben und sie haben es auch uns angetan. Als wir richtig gut waren, haben sie das Ding einfach gedreht", sagte Guardiola.

In der Tat fehlte seiner Mannschaft in beiden Spielen das Gespür für das Momentum. City legte immer vor, doch Real schlug immer wieder zurück. Am Ende kollabierte Guardiolas Mannschaft und kassierte drei Treffer in sechs Minuten.

2020 waren es im Viertelfinale gegen Olympique Lyon beim 1:3 übrigens zwei Gegentore in acht Minuten, 2019 gegen Tottenham Hotspur im Rückspiel zwei Gegentore in vier Minuten, 2018 im Viertelfinale gegen den FC Liverpool waren es drei Gegentreffer in 19 Minuten.

Auch während seiner Zeit beim FC Bayern München musste Pep Guardiola mindestens einmal erleben, wie seine Mannschaft in einem Spiel, das sie eigentlich kontrollierte, regelrecht in sich zusammenfiel: In seinem zweiten Jahr verlor er das Halbfinal-Hinspiel bei seinem Ex-Klub FC Barcelona durch drei Gegentore in der Schluss-Viertelstunde mit 0:3.

Manchester City: Welchen Einfluss hatten Transfer-Entscheidungen?

Zur Erinnerung: Am Tag, nachdem City für 117,5 Millionen Euro Jack Grealish von Aston Villa verpflichtete, wurde Lionel Messi bei Barca plötzlich frei.

Statt also die Wiedervereinigung mit seinem wichtigsten Spieler bei seinen zwei Champions-League-Titeln beim FC Barcelona zu feiern, bekam Pep einen sicherlich hochveranlagten Spieler, der aber auch nach fast einer kompletten Saison noch Anlaufschwierigkeiten hat in Manchester und am Mittwoch nach seiner Einwechslung zweimal spektakulär scheiterte, das höchstwahrscheinlich entscheidende 2:0 für City zu erzielen. Blöd gelaufen, erster Teil.

Dann scheiterte City daran, Harry Kane von Tottenham zu kaufen. Die Spurs wurden selbst bei einer kolportierten Ablöse von 150 Millionen Euro nicht schwach. Blöd gelaufen, zweiter Teil.

Und dann gingen Pep und City, weil United-Legende Sir Alex Ferguson zum Telefon griff, kurz vor knapp auch noch der bereits sicher geglaubte Überraschungscoup des Jahrzehnts durch die Lappen. Statt auf dem letzten Drücker von Juventus zu Manchester City zu wechseln, entschied sich Cristiano Ronaldo zur emotionalen Rückkehr in den roten Teil der Stadt.

Gar nicht mal so steile These: Mit Messi ODER CR7 im Kader hätte City dieses Real in der Addition aus Hin- und Rückspiel geschlagen. Manchmal braucht selbst das best funktionierende und richtig durchdachte System Helden.

Was bedeutet das Aus für Manchester City?

Nach dem Achtelfinalaus im Carabao Cup, der Halbfinalniederlage im FA-Cup gegen den FC Liverpool und Jürgen Klopp und dem dramatischen Halbfinal-Aus gegen Real Madrid in der Königsklasse bleibt den Cityzens nun nur noch ein möglicher Titel.

Und das in einer Saison, in der Pep und seine Mannschaft beinahe alles richtig gemacht, die Spieler über weite Strecken brillanten Fußball gespielt haben und der Coach nie an sich selbst und seiner ewigen Grübelsucht gescheitert ist.

Nun wäre der vierte Premier-League-Titel in fünf Jahren aller Ehren wert, aber fix ist er noch lange nicht. Vier Spieltage vor Schluss beträgt der Vorsprung auf den FC Liverpool gerade mal einen Punkt.

Während Pep die gemessen an Titeln schlechteste Saison seiner Zeit bei City droht, haben Liverpool und Coach Jürgen Klopp sogar noch die Chance auf das historische Quadrupel aus Carabao Cup, FA-Cup, Champions League und Premier League.

Noch viel schlimmer aber aus Sicht der Cityzens und seiner Eigentümer aus Abu Dhabi, die seit fast 14 Jahren ihre Milliarden in den Klub pumpen: Das Scheitern der Skyblues in der Königsklasse ist schon längst ein Running Gag und droht sich langsam zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu entwickeln.

City fehlt das "Remontada"-Gen von Real Madrid, das allein in dieser Saison schon "26 Mal ausgeschieden war" (Toni Kroos) und doch immer zurückkam. City fehlt das "Weiter-immer-Weiter" des FC Bayern, der auf das Trauma 1999 den Triumph 2001 und auf das "Drama dahoam" 2012 eben Wembley 2013 folgen ließ. Andererseits: Das alles sind natürlich keine Eigenschaften, die Klubs und Mannschaften in die Wiege gelegt werden, so etwas wie eine Klub-DNA gibt es nicht im Fußball. Beziehungsweise: Geschichte kann immer neu geschrieben werden, jedes Jahr aufs Neue.

ManCity: Muss Guardiola jetzt um seine Zukunft bangen?

Auch wenn in den sozialen Netzwerken von enttäuschten City-Fans erwartbar Guardiolas Entlassung gefordert wurde, gibt es nur wenige Trainerjobs im Spitzenfußball, die sicherer sind als jener des Katalanen. Erst vor wenigen Tagen berichtete die Sun, dass die Verlängerung von Guardiolas aktuellem bis 2023 laufenden Kontrakts so gut wie fix sei.

Demnach hätten sich Trainer und Klub grundsätzlich über eine Verlängerung bis 2025 mit der Option auf eine weitere Saison geeinigt. Guardiolas neuer Kontrakt würde somit nur ein Jahr kürzer dauern wie jener von Jürgen Klopp beim FC Liverpool. Der verlängerte kürzlich bis 2026.

Ähnlich wie der Deutsche bei Liverpool kann sich Guardiola bei City im Grunde nur selbst entlassen - das Vertrauen der Scheichs in den Katalanen scheint unendlich.