Eintracht Frankfurt bei der SSC Neapel ohne Fans: Die Hintergründe zum "einmaligen Vorgang"

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Eintracht Frankfurt muss beim Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen die SSC Neapel am kommenden Mittwoch auf die Unterstützung der eigenen Fans verzichten. Die Hintergründe zu diesem "einmaligen Vorgang".

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Vor einigen Jahren handelte es sich bei Eintracht Frankfurt noch um einen grauen Bundesliga-Mittelständler, mittlerweile befasst sich sogar das italienische Innenministerium mit dem aufstrebenden Klub vom Main - jedoch aus unerfreulichen Gründen. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wird Frankfurts Fans von höchster Stelle die Reise zum Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen die SSC Neapel am kommenden Mittwoch verboten.

Laut einer Pressemitteilung der Eintracht werde das italienische Innenministerium eine Verfügung gegen die SSC Neapel erlassen, wonach dem Klub der Verkauf von Eintrittskarten an Eintracht-Fans untersagt wird. Die italienischen Behörden würden sich ansonsten nicht in der Lage sehen, vor Ort für Sicherheit zu sorgen. Noch im Laufe des Dienstags soll die Entscheidung offiziell verkündet werden, dann wolle die Eintracht "ausführlich zu dieser Entwicklung Stellung nehmen".

"Das ist ein einmaliger und erstmaliger Vorgang im europäischen Klub-Fußball. Ich nenne es einen traurigen Tag", sagte Eintracht-Vorstand Philipp Reschke bereits vorab. "Die Integrität des Wettbewerbs wird massiv gefährdet." Die Eintracht-Führung sieht keine Handhabe gegen den Beschluss und stornierte bereits die sechs geplanten Charterflieger. "Es gibt keinen Hebel, bei dem wir ansetzen können", sagte Reschke.

Eigentlich würde Frankfurt nach dem Reglement der UEFA ein reguläres Gästekontingent von 2700 Karten zustehen. Von einer Reise ohne Tickets rät der Vorstand ab, geplant ist Berichten zufolge sogar ein Betretungsverbot der Stadt.

Interessant: Italiens parteiloser Innenminister Matteo Piantedosi ist zwar gebürtiger Neapolitaner, schreckt aber auch nicht vor Strafen gegen die Fans seines Heimatklubs zurück. Mitte Januar verkündete er, dass an Anhänger von Napoli und der AS Roma für zwei Monate keine Tickets für Auswärtsspiele verkauft werden dürfen. Hintergrund waren schweren Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fanlagern bei einer Autobahn-Raststätte.

Eintracht Frankfurt: Erfahrungen mit Betretungsverboten

Frankfurts Fans wurden in jüngerer Vergangenheit schon im Rahmen von zwei anderen Europapokalspielen mit Betretungsverboten in den jeweiligen Spielorten belegt. Damals lag der Fall aber jeweils etwas anders: Bei Olympique Marseille 2018 und Standard Lüttich 2019 hatte zunächst die UEFA Zuschauer-(Teil)-Ausschlüsse in den Stadion verhängt, ehe die lokalen Behörden mit Betretungsverboten nachzogen.

Gegen die Maßnahme in Marseille legte die Eintracht gemeinsam mit der Organisation Football Supporters Europe (FSE) und dem nationalen französischen Fanbündnis ANS Klage vor einem Berufungsgericht in Marseille ein - und bekam drei Jahre später recht. Das Gericht entschied, dass das Betretungsverbot "weder erforderlich noch verhältnismäßig" und daher "rechtswidrig" war.

Reschke, damals noch Eintracht-Justiziar, sagte: "Das Urteil ist sicher ein erster Durchbruch für Fußballfans quer durch Europa, die bei allem berechtigten Sicherheitsinteresse von Kommunen und Behörden einen Anspruch darauf haben, dass staatliche Maßnahmen rechtmäßig bleiben und nicht in offenkundig unverhältnismäßigem Maße Grundrechte verletzen."

Krawalle 1994 und die Fanfreundschaft mit Bergamo

Der Brisanz der nun anstehenden Partie in Neapel war sich Reschke übrigens schon vor Wochen bewusst. "Das Auswärtsspiel in Neapel ist etwas für erfahrene Eintracht-Fans, die wissen, wie man sich allein oder in Gruppen an schwierigen internationalen Standorten verhält und bewegt", sagte er dem kicker. "Kurzum, ohne Ticket nach Neapel: schlechte Idee. Erste internationale Auswärtsspielerfahrungen sammeln: schlechte Idee. Beides zusammen: sehr schlechte Idee."

Zwischen den Fanlagern der beiden Klubs besteht seit einem UEFA-Cup-Achtelfinale 1994 eine ausgeprägte Abneigung. Nach einem 1:0-Hinspielsieg gewann die Eintracht damals auch in Neapel mit dem selben Ergebnis. Überschattet wurde das Spiel aber von Ausschreitungen der Heimfans, weshalb Napoli von der UEFA mit einem Geisterspiel bestraft wurde. Die Eintracht scheiterte damals übrigens in der darauffolgenden Runde an Juventus Turin.

Zu dieser generellen Abneigung kommt die Fanfreundschaft zwischen den Ultras von Frankfurt und Atalanta Bergamo. Wie eigentlich jeder Klub aus Italiens Norden ist auch dieser bei Napolis Anhängerschaft ausgesprochen verhasst. "Für Neapel und die dortigen Behörden sorgt jede Fan-Freundschaft eines Gegners mit Klubs aus dem italienischen Norden für Kopfzerbrechen", sagte Reschke. "Das gilt natürlich auch für die Freundschaft zu Bergamo." Durchaus brisant: Ausgerechnet diesen Samstag ist Atalanta für ein Serie-A-Spiel in Neapel zu Gast.

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Eintracht gegen Napoli: So lief das Hinspiel in Frankfurt

Ausgelebt wurde die gegenseitige Abneigung der beiden Fanlager schon beim Hinspiel vor zwei Wochen in Frankfurt, als sich Napoli mit 2:0 durchsetzte. Am Vorabend des Spiels kam es im Ausgehviertel Sachsenhausen zu zwei Attacken auf Napoli-Fans. Laut Polizei wurden im Zuge dessen neun Frankfurter in Gewahrsam genommen.

Am Spieltag selbst erfolgte direkt vor dem Stadion eine größere Auseinandersetzung zwischen Frankfurtern und Neapolitanern. Bis zu 100 Eintracht-Anhänger hätten Kleinbusse mit Napoli-Fans mit Steinen und Glasflaschen angriffen. Als Reaktion darauf seien mehrere Italiener mit Eisenstangen und Baseballschlägern ausgestiegen. Die Polizei setzte nach eigenen Angaben "Pfefferspray und Einsatzstock" ein.

Im Stadion fehlten daraufhin die typischen Zaunfahnen der Napoli-Ultras. Während des Spiels prügelten italienische Fans aus unbekannten Gründen aufeinander ein. Beim Einlauf der beiden Mannschaften zündeten Frankfurter Fans in der Nordwestkurve massig Pyrotechnik.

Womöglich droht der Eintracht deshalb sogar ein Zuschauerausschluss. Aufgrund der Vorfälle der vergangenen Monate wurde der Klub mit einem Geisterspiel zu Hause sowie einem Fan-Ausschluss bei einem Auswärtsspiel auf Bewährung belegt. Diese Strafe kam von der UEFA und hat nichts mit der jetzigen Entscheidung der italienischen Behörden zu tun.

Eintracht Frankfurt: Was in den vergangenen Monaten geschah

In der vergangenen Saison ist es bei Frankfurts Europa-League-Halbfinale gegen West Ham United zu Auseinandersetzungen gekommen, nachdem die beiden Fanlager bereits in einer vorherigen Runde bei zeitgleichen Auswärtsspielen in Sevilla gegen Betis und den FC aneinandergeraten waren. Auf das Weiterkommen gegen West Ham folgte ein Platzsturm der Frankfurter Fans.

Beim Finale in Sevilla gegen den Rangers FC aus Glasgow blieb es weitestgehend ruhig. Abgesehen von einigen wenigen kleineren Zwischenfällen feierten zehntausende Fans beider Klubs ein großes Fußballfest.

Beim Bundesliga-Auftakt gegen den FC Bayern München gab es dann wieder Probleme: Vornehmlich Frankfurter Ultras pfiffen die deutsche Nationalhymne aus, leisteten sich zur Halbzeit ein Scharmützel auf dem Platz und zündeten wiederholt Pyrotechnik. Diese Vorfälle animierten Präsident Peter Fischer zu einer Wutrede beim darauffolgenden UEFA Supercup in Helsinki. In Bezug auf das Verhalten der eigenen Fans sprach er von "Arschlöchern", "Feuer-Scheiße" und "Idioten-Scheiße".

In der aktuellen Saison gab es im Rahmen des Gruppenspiels bei Olympique Marseille im September heftige Krawalle. Leuchtraketen flogen von einem Fanblock in den anderen, ein Eintracht-Fan wurde im Zuge dessen lebensgefährlich verletzt. "Was da passiert ist, hat mich erschüttert: Es herrschten kriegsähnliche Zustände", sagte Frankfurts Aufsichtsratsvorsitzender Philip Holzer damals der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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