Unterlegen in der Twilight Zone

Von Für SPOX auf Schalke: Haruka Gruber
Kein Duell auf Augenhöhe: Vidic und die United-Abwehr standen sicher, Matip hatte Probleme
© Getty

Die Psyche, die Aggressivität, das taktische Verständnis: Der FC Schalke 04 war in allen Belangen Manchester United unterlegen. Trainer Ralf Rangnick kritisiert den verwirrten Kyriakos Papadopoulos und indirekt auch Christoph Metzelder.

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Im Englischen gibt es den Begriff "Twilight Zone". Ein multifunktionaler Ausdruck, um jenen Dingen einen Namen zu geben, die so verschwommen und unklar sind, dass sie eigentlich keinen Namen haben.

Für Geographen ist die "Twilight Zone" der Wohnbereich zwischen einem Stadtzentrum und der Stadtperipherie, für Paraphysiker wiederum der Zustand zwischen Leben und Tod. Und nach dem 0:2 im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen Manchester United hat auch der FC Schalke seine Version der Twilight Zone.

Im modernen Fußball kommt dem defensiven Mittelfeld und der Fähigkeit, den sogenannten "zweiten Ball" zu erobern, eine immer größere Bedeutung zu. Und doch gibt es keinen Fachterminus, um den Korridor zwischen der eigenen Strafraumlinie und der Mittellinie adäquat zu beschreiben - dabei besiegelte dieses undefinierte Areal zwischen Mittelfeld und Abwehr Schalkes Niederlage.

"Durch die beiden Siege gegen Inter waren einige Spieler vielleicht der Meinung, dass Dinge automatisiert sind, die wegen der fehlenden Trainingseinheiten auf diesem Niveau gegen einen Gegner wie Manchester United nicht gefestigt sein können", sagte Schalkes Trainer Ralf Rangnick.

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Rooney und Park regieren die Twilight Zone

Der Spitzenreiter der Premier League war von der Torhüter-Position abgesehen in allen Belangen die bessere Mannschaft, egal ob es die individuelle Technik, das Zusammenspiel oder die Zweikampfführung betraf. Am deutlichsten wurden die Qualitätsunterschiede jedoch im taktischen Verhalten, illustriert von Wayne Rooney und Ji-Sung Park.

Der nominelle Stürmer Rooney setzte sich immer wieder in den Raum zwischen Schalkes Abwehr und Mittelfeld ab, ging so einer direkten Bewachung eines Innenverteidigers aus dem Weg und durfte recht unbehelligt einen Angriff nach dem anderen einleiten.

Der mit einer ähnlich hohen Spielintelligenz ausgestattete Park stieß je nach Spielsituation als klassischer Linksaußen konsequent nach vorne, zog sich weit zurück oder verließ den Flügel und unterstützte Rooney aus dem Zentrum heraus.

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Papadopoulos verirrt sich auf dem Platz

"Man muss neidlos anerkennen, dass wir selten so unterlegen in einem Spiel waren wie heute. Wir haben den Zugriff nicht bekommen", sagte Christoph Metzelder. "Wir konnten das Netz nie so eng spannen, um sie in Zweikämpfe zu verwickeln und Ballverluste zu provozieren."

Dafür vorgesehen war in erster Linie der erst 19-jährige Kyriakos Papadopoulos, der anders als bei den Erfolgen gegen Inter jedoch enttäuschte. Ein Hauptgrund: Während er gegen Inter mit Wesley Sneijder einen direkten Gegenspieler zugeordnet bekam, verlor er gegen Manchester angesichts all der fließenden Positionswechsel die Übersicht und verirrte sich regelrecht auf dem Spielfeld.

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Aus Furcht vor weiteren Fehlern zog sich der Grieche zu weit zurück und entblößte so seinen angesprochen Korridor, die Twilight Zone. "Papa war teilweise als dritter Innenverteidiger hinten drin, obwohl außer Javi Hernandez kein United-Spieler dort stand", sagte Rangnick, der jedoch auch Metzelder für das Fehlverhalten des jungen Griechen verantwortlich machte.

"Es gehört dazu, dass jemand Papa nach vorne schickt und Kommandos gibt", sagte Rangnick. Deswegen sei das Fehlen von Benedikt Höwedes, seinem "Abwehrchef", so schmerzhaft gewesen.

Taktik-Umstellung macht keinen Unterschied

Um die Mittelfeld-Zentrale zu stabilisieren, stellte Rangnick während der ersten Halbzeit um. Angefangen hatte Schalke in einem 4-4-2 in der Raute, nach 15 Minuten wandelte sich dieses in ein 4-3-3, in dem Jefferson Farfan plötzlich als Linksaußen agierte. In der 30. Minute wurde abschließend in das am häufigsten eingeübte flache 4-4-2 verschoben.

Dies jedoch änderte nichts an den Kräfteverhältnissen, genauso wenig wie die Einwechslung des defensivstärkeren Peer Kluge für Alexander Baumjohann Anfang der zweiten Halbzeit. Während United bei eigenem Ballbesitz dank einer ungemein klugen Raumaufteilung das Spielfeld breitmachte und nach Ballverlust in wenigen Sekunden sechs, sieben Mann hinter den Ball brachte, stimmten bei Schalke die einfachsten Abläufe nicht mehr.

"Das Problem war nicht die taktische Grundordnung. Sie war unerheblich, weil wir die Fläche nicht klein bekommen haben", sagte Rangnick. Verantwortlich dafür sei neben der fehlenden Systemsicherheit ("Da reicht es nicht, sich nur in Theorie oder in kurzen Trainingseinheiten darauf vorzubereiten") auch die Psyche, weswegen die Spieler verkrampften und die nötige Aggressivität vermissen ließen.

Carrick und Giggs dominieren

Rangnick: "Wir sind immer mehr weggeblieben aus Angst, ausgespielt zu werden. So wurden wir immer passiver. Uns wurden die Grenzen aufgezeigt." Und das von einer Mannschaft, die so gut wie sicher im Endspiel der Champions League steht sowie die Premier League souverän anführt - und dennoch nicht die Wertschätzung erfährt, die es verdient hätte

United spielt nicht so ansehnlich wie der FC Barcelona und dem Verein mangelt es von Rooney abgesehen an Stars mit Strahlkraft, über die Real Madrid zugenüge verfügt. Vielmehr formte Trainer Alex Ferguson eine Mannschaft, die Power, Organisation und taktisches Geschick meisterlich miteinander verwebt.

Die Raumaufteilung war grandios, jeder Spieler kannte seine Spezialaufgaben genau und erfüllte diese zweckdienlich. Michael Carrick spielte im defensiven Mittelfeld nahezu unscheinbar und war doch unersetzlich, sein Partner Ryan Giggs entwickelt sich im reifen Alter von 37 Jahren vom Flügelspieler hin zu einem Sechser von internationalem Format.

ManUnited perfekt vorbereitet auf Schalke

Was auffiel: Im Gegensatz zu Inter bereitete sich United gewissenhaft auf die Schalker vor und wusste entsprechend um deren Schwächen. Rechtsaußen Antonio Valencia wurde immer wieder isoliert, damit dieser gegen den langsamen Hans Sarpei im Eins-gegen-eins ins Dribbling gehen konnte.

"Wir haben einfach auf zu vielen Positionen nur zugeschaut und dem Spieler die Daumen gedrückt, der den entscheidenden Zweikampf bestreiten musste", so Rangnick.

Wenn der Gastgeber sich am Spielaufbau versuchte und Papadopoulos den Ball hatte, wurde diesem sehr viel Platz eingeräumt und stattdessen seine möglichen Anspielstationen enger gedeckt, im sicheren Wissen, dass das Kurzpassspiel nicht zu den Stärken des Griechen gehört.

Manchester war clever, aggressiv und bestens vorbereitet. Entsprechend gering bewerten die Schalker selbst die Chancen auf eine Wende. Womöglich ist deswegen auch Metzelders Vorschlag, wie man in das Rückspiel in Manchester gehen sollte, am sinnvollsten: "Wir treten im Old Trafford an und es ist immerhin ein Champions-League-Halbfinale. Wir sollten es genießen."

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