Franck Ribery sah seine Rückennummer auf der Auswechseltafel stehen und schlich bedröppelt von dannen. Trainer Jupp Heynckes machte einen Schritt auf den Franzosen zu, der verweigerte aber den Handschlag. Eine sinnbildliche Geste für die Leistung des FC Bayern an diesem Abend. Engagement auf der einen Seite, Enttäuschung auf der anderen. Und insgesamt kein gutes Bild.
"Das ist das Mindeste, dass man dem Trainer noch mal die Hand gibt", diagnostizierte TV-Experte Ottmar Hitzfeld hinterher sichtlich irritiert: "Ribery wäre gute beraten gewesen, sich hier professioneller zu verhalten."
So professionell wie die Basler zum Beispiel, die dem FC Bayern 90 Minuten lang diszipliniert Paroli boten, als Team auftraten und nach zwei "Holzschüssen" (O-Ton Stadionsprecher) am Ende sogar noch mit dem Siegtreffer durch Valentin Stocker (86.) belohnt wurden - und das nicht mal unverdient.
Während also der Ex-Trainer und Wahl-Schweizer das Kind beim Namen nannte, flüchteten sich einige der Bayern-Profis in die üblichen Durchhalteparolen. "Das Ergebnis gibt den Spielverlauf nicht wieder", meinte Kapitän Philipp Lahm trotzig.
"Sind wir hier im Mädchenpensionat?"
"Basel ist ja keine schlechte Mannschaft. Sie haben immerhin Manchester United aus dem Wettbewerb geworfen. Zu Hause in der Allianz Arena werden wir uns sicherlich von einer anderen Seite präsentieren", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger mit Gottvertrauen.
Bahnbrechende Neuigkeiten erfuhr man auch nicht von Präsident Uli Hoeneß, der sich nach bekanntem Muster nach empfindlichen Niederlagen explizit vors Team stellte.
Es sei doch egal, ob Ribery dem Trainer nun die Hand gebe, oder nicht, meinte Hoeneß, um das Feuer im Keim zu ersticken. Schließlich hatte man gerade erst den Brandherd rund um Arjen Robbens Bankversetzung ausgetreten.
"Wenn ich auf mich, aufs Spiel sauer bin, dann gebe ich halt mal keinen Handschlag. Sind wir denn hier im Mädchenpensionat? Die regen sich halt auch auf", polterte Hoeneß bei "Sky". Im Übrigen müsse man weiter "nach vorne" schauen und wieder "Ruhe in den Verein" kriegen. "Das Ergebnis öffnet für das Rückspiel alle Chancen", sagte Hoeneß - und hatte diese Meinung ziemlich exklusiv.
Rummenigge: "Ihr müsst bös' werden!"
Ach, hätten doch nur alle Bayern an diesem Abend dasselbe Gemeinschaftsgefühl an den Tag gelegt wie der Präsident im Verteidigen seiner Schützlinge oder Karl-Heinz Rummenigge später beim Mitternachtsbankett, man müsste erst gar nicht nach Ursachen forschen.
"Man macht sich Gedanken: Was ist passiert zwischen Weihnachten und heute, dass wir auf einmal hier unzufrieden sitzen?", fragte der Vorstandsvorsitzende so um kurz nach 0.00 Uhr vor versammelter Mannschaft rhetorisch, um dann direkt die Spieler anzumachen.
BLOG"Was passiert hier nur?"
"Ihr müsst jetzt wach werden, wach werden! Ihr müsst bös' werden! Ich kann Euch nur eins sagen: Es hat kein Sinn, jetzt auf den Platz zu gehen und zu glauben, die Dinge werden sich von selbst regulieren", meinte Rummenigge im ruhigen, aber bestimmten Ton und forderte die Mannschaft auf, das alte Sprichwort "Einer für Alle und Alle für Einen" wieder mehr zu beherzigen.
Dass Rummenigge das Musketier-Zitat fälschlicherweise dem ewigen Sepp Herberger zuschusterte, mag man ihm dabei verzeihen. Dass der FCB-Boss damit auch den inoffiziellen Wahlspruch der Schweiz bemühte, war dagegen ein nettes Bonmot - so es denn gewollt war.
Kein Zusammenspiel erkennbar
Insgesamt war bei den Bayern-Profis nach dem Spiel dennoch eher innerer Aschermittwoch angesagt. "Wir haben wieder ein schlechtes Auswärtsspiel hinter uns. Wir sollten jetzt wissen, dass die Lage sehr ernst ist", sagte Mario Gomez zerknittert.
Die wohl brauchbarste Verbalanalyse lieferte aber überraschend Torwart Manuel Neuer, der mit fünf abgewehrten Torschüssen zum Saisonhöchstwert in der Königsklasse gezwungen war: "Wir können unseren Fußball zurzeit nur umsetzen, wenn wir auch in Führung gehen", so Neuer. "Aber wenn es lange 0:0 steht und der Gegner auch noch ebenbürtig ist, dann sieht es am Ende leider häufig blöd für uns aus. Beim Gegentor ist einiges falsch gelaufen. Wir haben nicht richtig attackiert."
Wie schon beim 0:0 in Freiburg hatte vor allem der Offensivmotor der Münchner Probleme, ins Laufen zu kommen. Das Spiel des deutschen FCB wirkte merkwürdig kleinteilig, mal versuchte sich der eine im Dribbling, dann wieder ein anderer, zusammengespielt wurde nicht.
73 Sololäufe ins letzte Angriffsdrittel wies die Bayern-Statistik am Ende aus, auch das der höchste Wert der laufenden Kampagne. Der FC Basel versuchte es zum Vergleich nur ganze 13 Mal auf eigene Faust.
Vor allem das Zentrum um Anatolij Tymoschtschuk und David Alaba sowie den offensiv unsichtbaren Toni Kroos kam kaum zur Geltung - der junge Österreicher war noch der aktivste der schnarchigen Troika im Herzstück.
Gemeinsam aus der Scheiße
Dass man aber nicht alles auf das Fehlen des Taktgebers Bastian Schweinsteiger schieben kann, war auch Rummenigge bewusst und animierte den Vorstandsboss zu schärferem Ton.
"Wir müssen jetzt in den nächsten Wochen gemeinsam - 'gemeinsam' ist die Parole! - hart arbeiten, um wieder aus der Scheiße, in die wir uns leider in den letzten Wochen reingespielt haben, herauszukommen", fuhr dieser nämlich seinen chirurgisch durchgeführten Einlauf auf dem Bankett fort.
BLOG"Man bräuchte eine Art Klinsmann"
Und trotzdem sei er überzeugt, dass man es im Rückspiel noch packen könne. "Aber Ihr werdet die drei Wochen nutzen müssen, um in eine bessere Verfassung zu kommen." Ganz heimlich schiele man mit einem Auge nämlich weiter auf das Finale der Königsklasse am 19. Mai im eigenen Wohnzimmer und da könne man sich nicht so einfach im Achtelfinale verabschieden, meinte Rummenigge.
"Wenn man 0:1 in Basel verliert, war es sicher kein Schritt nach vorne", bekannte dann doch noch der ansonsten sehr steif formulierende Lahm. Der Kapitän kündigte an, bis zum nächsten Spiel gegen den FC Schalke 04 am Sonntag weiter "viele Gespräche" zu führen, um beim ein oder anderen die Blockade im Kopf zu lösen.
"Müssen selbstkritisch die Fehler ansprechen"
"Jetzt ist es wichtig, dass wir selbstkritisch mit unserer Leistung umgehen und die Fehler intern ansprechen. Wir müssen so schnell wie möglich unser Selbstvertrauen zurückgewinnen", pflichtete Neuer bei. Schließlich fehle den Münchnern manchmal ja auch nur "das nötige Quäntchen Glück", versuchte Lahm nicht alles Schwarz zu sehen.
"Von der Einstellung her war eigentlich alles okay", meinte Nerlinger auch angesichts der eigenen Bestmarke von 117 Kilometern, die die Bayern in den 90 Minuten zurücklegten, und sah das als positive Erkenntnis an. "Es ist ein enttäuschendes Ergebnis, aber keine aussichtslose Situation."
Und so paradox es klingen mag: Besser man verliert in Basel mit 0:1, als in der Liga gegen Schalke - man hat schließlich noch das Rückspiel zum Ausbessern. In der Liga könnte eine Niederlage bereits gleichbedeutend mit einem Sieben-Punkte-Rückstand auf Borussia Dortmund sein - und dann ginge der Ärger erst richtig los. "Jetzt haben wir zum Glück ein Heimspiel", meinte Gomez nur.
Vogels Joker stechen
Und die Basler? Bei den Hausherren machte der einst beim FC Bayern angestellte Trainer Heiko Vogel mit seinen Einwechslungen im Übrigen alles richtig. Seine Joker Valentin Stocker (Torschütze) und Jacque Zoua (Assistgeber) waren die Helden des Abends.
"Ich bin sehr, sehr stolz auf das, was meine Mannschaft heute geleistet hat", meinte Vogel gerührt. Der künftige Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri wurde nach einer Leistung mit Licht und Schatten übrigens für den Siegtorschützen Stocker ausgewechselt. Mit Handschlag, versteht sich.
Basel - Bayern: Fakten zum Spiel